OLG Oldenburg, Beschl. 5.3.2019 - 11 UF 7/19

Ausgleich einer (ehemals) betrieblichen Kapitallebensversicherung

Autor: w.aufsf. RiAG Christian Breuers, Langenfeld, (Rhld.)
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 06/2019
Eine betriebliche Kapitallebensversicherung unterliegt auch dann dem Versorgungsausgleich, wenn der Arbeitnehmer vor Ehescheidung aus dem Betrieb ausgeschieden und selbst Versicherungsnehmer geworden ist.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 5.3.2019 - 11 UF 7/19 (n.rkr.)

Vorinstanz: AG Osnabrück, Beschl. v. 28.11.2018 - 3 F 133/18 S

VersAusglG § 2 Abs. 2 Nr. 3; BetrAVG § 2 Abs. 2

Das Problem

Das AG hat am 28.11.2018 die Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners geschieden und im Versorgungsausgleich ein betriebliches Anrecht des Antragsgegners bei der Beschwerdeführerin intern geteilt. Dabei handelt es sich um eine Rentenversicherung mit ausgeübtem Kapitalwahlrecht, aus der im Jahr 2025 eine Kapitalabfindung zu zahlen ist. In einem Nachtrag zum Versicherungsschein wurde u.a. vereinbart, dass die versicherte Person unwiderruflich bezugsberechtigt ist und die Versicherungsnehmereigenschaft beim Ausscheiden des versicherten Arbeitnehmers automatisch auf den Arbeitnehmer übergehen soll. Ausweislich des aktualisierten Versicherungsscheins vom 29.11.2018 ist der Antragsgegner Versicherungsnehmer und versicherte Person der Lebensversicherung, für die keine Beiträge mehr fällig werden. In dem Versicherungsschein wird darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Fristen für die Unverfallbarkeit der Ansprüche nach dem Betriebsrentengesetz erfüllt sind und der Versicherungsvertrag nach den Vorschriften dieses Gesetzes in Höhe des durch die Betragszahlung des Arbeitgebers gebildeten Werts weder abgetreten, beliehen oder der Rückkaufswert in Anspruch genommen werden darf. Der Antragsgegner ist am 31.10.2018 aus dem Unternehmen ausgeschieden.

Die Entscheidung des Gerichts

Die zulässige Beschwerde des Versorgungsträgers ist unbegründet. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG sind im Versorgungsausgleich grundsätzlich nur Anrechte auszugleichen, die auf Zahlung einer Rente gerichtet sind. Anrechte aus einer privaten Kapitalversicherung sind daher nicht zu berücksichtigen, weil sie auf Auszahlung eines Kapitalbetrags gerichtet sind, über den der Berechtigte frei verfügen kann. Dies gilt auch, wenn der Berechtigte einer privaten Rentenversicherung von dem vertraglich vereinbarten Kapitalwahlrecht Gebrauch gemacht hat.

Ein Ausgleich kommt aber nur in Betracht, wenn es sich um ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes handelt (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 VersAusglG). Die unterschiedliche Behandlung der Anrechte aus einer betrieblichen Altersversorgung gegenüber den Anrechten aus einer privaten, auf Kapitalleistung gerichteten Lebensversicherung ist gerechtfertigt, weil bei den betrieblichen Anrechten der Zweck der Alterssicherung eindeutig feststeht und durch Verfügungsbeschränkungen gesichert wird. So ist der Versicherte nach § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6, Abs. 3 Satz 3 BetrAVG daran gehindert, den Vertrag vorzeitig zu kündigen und die Auszahlung zu verlangen oder den Anspruch abzutreten oder zu beleihen.

Die erfolgte Ablösung des Arbeitgebers durch Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an den ausgeschiedenen Arbeitnehmer hat den Rechtscharakter der betrieblichen Altersversorgung nach dem BetrAVG und nach § 2 VersAusglG nicht beseitigt. Die versicherungsvertragliche Lösung des § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG führt nicht dazu, dass es sich bei dem auf eine Kapitalzahlung gerichteten Anrecht nunmehr insgesamt um ein privates Anrecht in Form der privaten Kapitallebensversicherung handelt. Dies entspricht dem Zweck der Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG. Anders als Leistungen der betrieblichen Altersversorgung haben private Kapitallebensversicherungen strukturell nicht immer Vorsorgecharakter, sondern dienen teilweise der Finanzierung größerer Anschaffungen und damit nicht nur der Vorsorge, sondern auch dem Konsum. Bezüglich des während der Betriebszugehörigkeit gebildeten Anrechts steht der Schutzbereich der Alterssicherung, der durch Verfügungsbeschränkungen gesichert ist, weiterhin fest. Scheidet ein Arbeitnehmer nach Eintritt der Unverfallbarkeit seiner Versorgungszusage vorzeitig, also vor Eintritt des Versorgungsfalls, aus dem Betrieb aus, kann diesem im Versorgungsfall auch im Rahmen der Direktversicherung weiterhin ein unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichteter Anspruch gem. § 2 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BetrAVG zustehen. Der Arbeitgeber des ausscheidenden Arbeitnehmers erhält nach der sog. versicherungsvertraglichen Lösung lediglich die Möglichkeit, dem ausscheidenden Arbeitnehmer das Recht zur Fortsetzung der Versicherung mit eigenen Beiträgen einzuräumen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BetrAVG).

Danach ist eine Differenzierung der von dem Arbeitgeber erbrachten Beiträge während der Betriebszugehörigkeit sowie der vom Arbeitnehmer erbrachten eigenen Beiträge nach Ausscheiden aus dem Betrieb vorzunehmen. Es erfolgt kein Herauslösen der vom Arbeitgeber erbrachten Beiträge aus dem Schutzbereich, was im VersAusglG grundsätzlich zur Folge hat, dass diese Teile der Versorgung weiterhin nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 VersAusglG zu behandeln sind.

Jedenfalls unterliegt der unverfallbare Teil der Beträge, die der Arbeitgeber während der Betriebszugehörigkeit des Antragsgegners für diesen in die betriebliche Altersversorgung eingezahlt hat, dem Versorgungsausgleich. Da der Antragsgegner erst nach dem Ende der Ehezeit aus dem Betrieb ausgeschieden ist und in der Folge keine eigenen Beiträge in die Versicherung eingezahlt hat, unterfällt das während der Ehezeit erwirtschaftete Anrecht insgesamt dem Versorgungsausgleich.


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