OLG Saarbrücken, Urt. 11.4.2018 - 5 U 49/17
Spezifische Verhaltenspflichten des Suchmaschinenbetreibers
Autor: RAin Maria-Urania Dovas, LL.M., SSW Schneider Schiffer Weihermüller, München
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 09/2018
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 09/2018
Den Betreiber einer Suchmaschine treffen erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt hat. Dies gilt auch bei inhaltlichen Beanstandungen sog. Textschnipsel (Snippets) in den Suchergebnissen.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.4.2018 - 5 U 49/17
Vorinstanz: LG Saarbrücken v. 8.8.2017 - 4 O 7/16
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; ZPO §§ 12 ff., 32
Über einen Facebook-Account war ein Kommentar veröffentlicht worden, über den in der Folgezeit in Presseberichterstattung und Kommentaren im Internet unter Nennung des Namens des Accountinhabers berichtet worden war. Zwei Klagen auf Unterlassung der Berichterstattung waren in der Berufung abgewiesen worden. Der Accountinhaber klagte gegen eine Suchmaschinenbetreiberin auf Unterlassung der Anzeige von Suchergebnissen und Verlinkungen sowie Snippets eines bestimmten Inhalts, die bei Eingabe seines Namens oder „diesem ähnelnden Zeichen” als Suchbegriffe in die Suchmaschine erschienen.
Zuständigkeit des Gerichts: Das Gericht hat sich als international und örtlich zuständig erklärt. Die Suchmaschinenbetreiberin habe ihren Sitz in den USA (und nicht im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaats) und es lägen auch keine Ausnamefälle des Art. 6 Abs. 1 EuGVVO vor. Die internationale Zuständigkeit folge deshalb (mangels vorrangiger völkerrechtlicher oder gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen) aus den allgemeinen Vorschriften der ZPO. Des Weiteren sei die örtliche Zuständigkeit auch aufgrund des deutlichen Bezugs der als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte zum Inland zu bejahen, da die Kollision der widerstreitenden Interessen im Inland eintreten könne oder tatsächlich eingetreten sei.
Keine Störereigenschaft: Die Betreiberin sei weder unmittelbare noch mittelbare Störerin, weil es sich bei den Suchergebnissen nicht um eigene Äußerungen oder Inhalte handle und die Betreiberin mangels eines konkreten Löschungsverlangens auch nicht willentlich und mitursächlich zu der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen beigetragen habe. Um überhaupt als Störer infrage zu kommen, müsse mindestens eine Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten vorliegen, sofern die rechtliche Möglichkeit der Verhinderung dieser Handlung bestanden habe. Ein eigenes Verschulden oder Kenntnis der Tatbestandsmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit durch den Störer sei nicht erforderlich.
Kein Zueigenmachen: Die Suchmaschinenbetreiberin habe die Seiten und Meldungen, die als rechtsverletzend moniert worden seien, lediglich auffindbar gemacht und mit Textauszügen angezeigt, nicht aber selbst verfasst oder veröffentlicht. Dies allein genüge aber nicht, da die Betreiberin dadurch nicht nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf der Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen habe.
Keine Prüf- und Kontrollpflichten: Die Haftung mittelbarer Störer dürfe nicht auf Dritte erstreckt werden, wenn diese die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen hätten. Es sei deshalb Voraussetzung, dass eine Verletzung von Verhaltens-, insb. von Prüfpflichten, vorliege. Der Umfang der Prüfpflichten bestimme sich danach, ob und inwieweit dem potentiellen mittelbaren Störer im Einzelfall eine Verhinderung der Verletzung zumutbar gewesen sei. Von einem Suchmaschinenbetreiber könne nicht erwartet werden, dass er sich vergewissere, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte rechtmäßig ins Internet eingestellt worden seien, bevor er diese auffindbar mache. Es bestehe keine allgemeine Kontrollpflicht, da diese die Existenz des Geschäftsmodells einer Internetsuchmaschine ernstlich infrage stellen würde. Ohne Suchmaschinen bestehe keine Möglichkeit, das Internet sinnvoll zu nutzen.
Konkreter Hinweis, offensichtliche und klare Rechtsverletzung: Den Suchmaschinenbetreiber träfen erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn ein konkreter Hinweis auf eine offensichtlich und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung vorliege. Der Suchmaschinenbetreiber sei nicht verpflichtet, anlasslose Prüfungen auf Verdacht durchzuführen. Eine Prüfpflicht bestehe erst dann, wenn vom Betroffenen konkret auf eine Rechtsverletzung hingewiesen worden sei. Ein Tätigwerden sei nur veranlasst, wenn der erforderliche Hinweis so konkret gefasst sei, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer, also ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, bejaht werden könne.
Form: Ein Schreiben, mit dem der Betreiber in Kenntnis gesetzt werde, müsse detailliert über den Sachverhalt informieren. Das setze voraus, dass der Betroffene die beanstandete URL konkret bezeichne und beschreibe, welche konkrete Äußerung in einer durch die Suchmaschine aufgefundenen und verlinkten Veröffentlichung rechtswidrig sei und welche Maßnahmen er von dem Suchmaschinenbetreiber fordere. Diese Anforderungen seien vorliegend nicht erfüllt gewesen. Die Betreiberin sei nicht verpflichtet gewesen, auf Verdacht Internetseiten zu durchforsten.
Snippets: Snippets unterlägen in gleicher Weise den Regeln der Störerhaftung, wie Verlinkungen auf Webseiten.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.4.2018 - 5 U 49/17
Vorinstanz: LG Saarbrücken v. 8.8.2017 - 4 O 7/16
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; ZPO §§ 12 ff., 32
Das Problem
Das OLG Saarbrücken hatte über eine Unterlassungsklage zu Links und „Snippets”, die über eine Suchmaschine auffindbar waren, zu entscheiden. Internetsuchmaschinen zeigen bei Eingabe eines Suchbegriffs durch einen Nutzer auf der Website des Suchmaschinenbetreibers die Suchergebnisse einschließlich Links und Textauszügen an.Über einen Facebook-Account war ein Kommentar veröffentlicht worden, über den in der Folgezeit in Presseberichterstattung und Kommentaren im Internet unter Nennung des Namens des Accountinhabers berichtet worden war. Zwei Klagen auf Unterlassung der Berichterstattung waren in der Berufung abgewiesen worden. Der Accountinhaber klagte gegen eine Suchmaschinenbetreiberin auf Unterlassung der Anzeige von Suchergebnissen und Verlinkungen sowie Snippets eines bestimmten Inhalts, die bei Eingabe seines Namens oder „diesem ähnelnden Zeichen” als Suchbegriffe in die Suchmaschine erschienen.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Saarbrücken hat die Berufung des Accountinhabers gegen das klageabweisende Urteil zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.Zuständigkeit des Gerichts: Das Gericht hat sich als international und örtlich zuständig erklärt. Die Suchmaschinenbetreiberin habe ihren Sitz in den USA (und nicht im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaats) und es lägen auch keine Ausnamefälle des Art. 6 Abs. 1 EuGVVO vor. Die internationale Zuständigkeit folge deshalb (mangels vorrangiger völkerrechtlicher oder gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen) aus den allgemeinen Vorschriften der ZPO. Des Weiteren sei die örtliche Zuständigkeit auch aufgrund des deutlichen Bezugs der als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte zum Inland zu bejahen, da die Kollision der widerstreitenden Interessen im Inland eintreten könne oder tatsächlich eingetreten sei.
Keine Störereigenschaft: Die Betreiberin sei weder unmittelbare noch mittelbare Störerin, weil es sich bei den Suchergebnissen nicht um eigene Äußerungen oder Inhalte handle und die Betreiberin mangels eines konkreten Löschungsverlangens auch nicht willentlich und mitursächlich zu der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen beigetragen habe. Um überhaupt als Störer infrage zu kommen, müsse mindestens eine Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten vorliegen, sofern die rechtliche Möglichkeit der Verhinderung dieser Handlung bestanden habe. Ein eigenes Verschulden oder Kenntnis der Tatbestandsmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit durch den Störer sei nicht erforderlich.
Kein Zueigenmachen: Die Suchmaschinenbetreiberin habe die Seiten und Meldungen, die als rechtsverletzend moniert worden seien, lediglich auffindbar gemacht und mit Textauszügen angezeigt, nicht aber selbst verfasst oder veröffentlicht. Dies allein genüge aber nicht, da die Betreiberin dadurch nicht nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf der Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen habe.
Keine Prüf- und Kontrollpflichten: Die Haftung mittelbarer Störer dürfe nicht auf Dritte erstreckt werden, wenn diese die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen hätten. Es sei deshalb Voraussetzung, dass eine Verletzung von Verhaltens-, insb. von Prüfpflichten, vorliege. Der Umfang der Prüfpflichten bestimme sich danach, ob und inwieweit dem potentiellen mittelbaren Störer im Einzelfall eine Verhinderung der Verletzung zumutbar gewesen sei. Von einem Suchmaschinenbetreiber könne nicht erwartet werden, dass er sich vergewissere, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte rechtmäßig ins Internet eingestellt worden seien, bevor er diese auffindbar mache. Es bestehe keine allgemeine Kontrollpflicht, da diese die Existenz des Geschäftsmodells einer Internetsuchmaschine ernstlich infrage stellen würde. Ohne Suchmaschinen bestehe keine Möglichkeit, das Internet sinnvoll zu nutzen.
Konkreter Hinweis, offensichtliche und klare Rechtsverletzung: Den Suchmaschinenbetreiber träfen erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn ein konkreter Hinweis auf eine offensichtlich und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung vorliege. Der Suchmaschinenbetreiber sei nicht verpflichtet, anlasslose Prüfungen auf Verdacht durchzuführen. Eine Prüfpflicht bestehe erst dann, wenn vom Betroffenen konkret auf eine Rechtsverletzung hingewiesen worden sei. Ein Tätigwerden sei nur veranlasst, wenn der erforderliche Hinweis so konkret gefasst sei, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer, also ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, bejaht werden könne.
Form: Ein Schreiben, mit dem der Betreiber in Kenntnis gesetzt werde, müsse detailliert über den Sachverhalt informieren. Das setze voraus, dass der Betroffene die beanstandete URL konkret bezeichne und beschreibe, welche konkrete Äußerung in einer durch die Suchmaschine aufgefundenen und verlinkten Veröffentlichung rechtswidrig sei und welche Maßnahmen er von dem Suchmaschinenbetreiber fordere. Diese Anforderungen seien vorliegend nicht erfüllt gewesen. Die Betreiberin sei nicht verpflichtet gewesen, auf Verdacht Internetseiten zu durchforsten.
Snippets: Snippets unterlägen in gleicher Weise den Regeln der Störerhaftung, wie Verlinkungen auf Webseiten.