Pfälz. OLG, Beschl. 16.5.2022 - 2 UF 184/21
Grobe Unbilligkeit durch Sabotagehandlungen des Zugewinnausgleichsberechtigten
Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFamR, Dr. Kogel & Mast Familienanwälte, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2022
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2022
1. Sorgt ein Ehegatte durch Sabotagehandlungen dafür, dass das Hausanwesen des anderen Ehegatten nur unterhalb des Marktpreises veräußert werden kann, steht der späteren Geltendmachung eines Zugewinnausgleichsanspruchs zwar nicht die Unbilligkeitseinrede des § 1381 Abs. 1 BGB entgegen (Fortführung BGH v. 31.8.2018 – 2 UF 34/18, FamRZ 2019, 520 m. Anm. Wolf = FamRB 2019, 51). Ihm bleibt aber die Berufung auf den objektiven Marktwert des Anwesens nach § 242 BGB verwehrt.2. Erwirbt der an sich unterhaltsberechtigte Ehegatte mit seinem neuen Partner ein Grundstück, um darauf ein gemeinsames Haus zu bauen, spricht dies selbst dann für eine verfestigte Lebensgemeinschaft i.S.d. § 1579 Nr. 2 BGB, wenn die Hausbaupläne aufgrund gestiegener Baukosten zurückgestellt oder ganz aufgegeben werden.
BGB § 242, § 1378, § 1381, § 1570, § 1579 Abs. 2
Darüber hinaus stehe ihrem Zugewinnausgleichsanspruch allerdings nicht insgesamt die Unbilligkeitseinrede des § 1381 Abs. 1 BGB entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH v. 26.3.1980 – IV ZR 193/78, FamRZ 1980, 769; BGH v. 18.3.1992 – XII ZR 262/90, FamRZ 1992, 787) werde diese Vorschrift sehr restriktiv ausgelegt. Sie werde nur dann angewendet, wenn der rechnerisch bewusst schematisch und pauschalierend ausgestaltete Zugewinnausgleich zu einem Ausgleichsanspruch führe, der im Einzelfall dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde. Diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben. Zwar sei das Verhalten der Ehefrau wertungsmäßig unbillig. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH v. 31.8.2018 – 2 UF 34/18, FamRZ 2019, 520 m. Anm. Wolf = FamRB 2019, 51) sei § 1381 BGB dann nicht anwendbar, wenn das Verhalten, das die Unbilligkeit begründe, geeignet sei, Zahlungsansprüche auszulösen. Diese könnten im Zugewinnverfahren zur Aufrechnung gestellt werden. Solche Gegenansprüche lägen nahe. Das Bewohnen des Anwesens trotz Aufforderung zum Auszug könne Nutzungsentschädigungsansprüche begründen. Zumindest führe das Bewohnen zu einer unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung. Sabotagehandlungen im Zusammenhang mit dem Hausverkauf könnten i.Ü. deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen.
Den Unterhaltsanspruch weist der Senat wegen Verwirkung gem. § 1579 Nr. 2 BGB ab Anfang des Jahres 2022 ab. Zwar sei das nach der Rechtsprechung erforderliche 2 bis 3-jährige Zusammenleben für die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft nur annähernd erreicht. Aus dem geplanten Bau eines Hauses könne aber auf eine gemeinsame Lebensplanung und eine wirtschaftliche Verflechtung sowie eine wechselseitige Abhängigkeit geschlossen werden. Dass dieses Bauvorhaben nach Darstellung der Antragsgegnerin zwischenzeitlich aufgrund einer Steigerung der Handwerkerkosten angeblich zurückgestellt oder möglicherweise ganz aufgegeben worden sei, stehe dem nicht entgegen. Durch den geplanten gemeinsamen Immobilienerwerb sei jedenfalls die Gründungs- und Orientierungsphase verlassen worden.
BGB § 242, § 1378, § 1381, § 1570, § 1579 Abs. 2
Das Problem
Die seit Januar 2018 getrenntlebenden, seit 2021 rechtskräftig geschiedenen Eheleute streiten um Zugewinn und Unterhalt. Der Ehemann war zum Stichtag Alleineigentümer eines Hauses, das nach Rechtshängigkeit (2020) veräußert wurde. In dem Haus blieb die Ehefrau nach der Trennung mit den Kindern aus erster und der jetzigen Ehe wohnen. An den Finanzierungskosten beteiligte sie sich nicht. Eine Nutzungsentschädigung zahlte sie ebenso wenig. 2019 forderte der Ehemann in mehreren Schreiben seine Ehefrau auf, Besichtigungen zuzulassen. Zur Begründung wies er darauf hin, dass er das Anwesen veräußern müsse; die Finanzierungslasten könne er nicht mehr stemmen. Außerdem bat er, das Objekt betreten zu dürfen, um Lichtbilder für Verkaufsanzeigen anzufertigen. Schließlich suchte er um Besichtigungstermine nach. Die Ehefrau zeigte keinerlei Mitwirkungsbereitschaft. Gegenüber Interessenten äußerte sie sogar, dass sie auf keinen Fall ausziehen wolle. Das Objekt wurde für nur 365.000 € verkauft. Die Höhe des tatsächlichen Werts wurde von den Beteiligten jedenfalls höher und von der Ehefrau sogar mit 500.000 € angegeben. Diesen Preis legte sie bei ihrer Zugewinnberechnung zugrunde. Beim nachehelichen Unterhaltsanspruch war davon auszugehen, dass die Ehefrau seit ca. zwei Jahre Beziehungen zu einem anderen Partner hatte. Zwischenzeitlich hatte sie mit ihm ein Grundstück gekauft. Ursprünglich war beabsichtigt ein Haus zu bauen, das vor allem für den aus erster Ehe stammenden Sohn behindertengerecht eingerichtet werden sollte.Die Entscheidung des Gerichts
Beim Zugewinn lässt der Senat dahingestellt, um wieviel höher der Verkehrswert des Hauses zum Stichtag tatsächlich lag. Angesichts des Verhaltens der Ehefrau sei nachvollziehbar, dass sich der Marktpreis jedenfalls nicht habe erzielen lassen. Erwerber mussten mit einer Zwangsvollstreckung gegen die Nutzerin rechnen. Eine zeitnahe Übernahme des Anwesens sei nicht gewährleistet gewesen. Interessenten mussten sogar ein Sabotageverhalten der nicht auszugswilligen Ehefrau befürchten. Es sei tatsächlich auch zu Sabotagehandlungen gekommen (Einzelheiten werden allerdings in den Gründen nicht dargelegt). Bei dieser Sachlage verhalte sich die Ehefrau widersprüchlich. Während der Suche nach einem Käufer habe sie ein Verhalten an den Tag gelegt, das sich im Ergebnis zwangsläufig kaufpreismindernd ausgewirkt habe. Im güterrechtlichen Verfahren behaupte sie aber nunmehr, dass ein höherer Verkaufserlös zu erzielen gewesen wäre. Dies sei ein typischer Fall eines venire contra factum proprium (§ 242 BGB).Darüber hinaus stehe ihrem Zugewinnausgleichsanspruch allerdings nicht insgesamt die Unbilligkeitseinrede des § 1381 Abs. 1 BGB entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH v. 26.3.1980 – IV ZR 193/78, FamRZ 1980, 769; BGH v. 18.3.1992 – XII ZR 262/90, FamRZ 1992, 787) werde diese Vorschrift sehr restriktiv ausgelegt. Sie werde nur dann angewendet, wenn der rechnerisch bewusst schematisch und pauschalierend ausgestaltete Zugewinnausgleich zu einem Ausgleichsanspruch führe, der im Einzelfall dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde. Diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben. Zwar sei das Verhalten der Ehefrau wertungsmäßig unbillig. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH v. 31.8.2018 – 2 UF 34/18, FamRZ 2019, 520 m. Anm. Wolf = FamRB 2019, 51) sei § 1381 BGB dann nicht anwendbar, wenn das Verhalten, das die Unbilligkeit begründe, geeignet sei, Zahlungsansprüche auszulösen. Diese könnten im Zugewinnverfahren zur Aufrechnung gestellt werden. Solche Gegenansprüche lägen nahe. Das Bewohnen des Anwesens trotz Aufforderung zum Auszug könne Nutzungsentschädigungsansprüche begründen. Zumindest führe das Bewohnen zu einer unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung. Sabotagehandlungen im Zusammenhang mit dem Hausverkauf könnten i.Ü. deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen.
Den Unterhaltsanspruch weist der Senat wegen Verwirkung gem. § 1579 Nr. 2 BGB ab Anfang des Jahres 2022 ab. Zwar sei das nach der Rechtsprechung erforderliche 2 bis 3-jährige Zusammenleben für die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft nur annähernd erreicht. Aus dem geplanten Bau eines Hauses könne aber auf eine gemeinsame Lebensplanung und eine wirtschaftliche Verflechtung sowie eine wechselseitige Abhängigkeit geschlossen werden. Dass dieses Bauvorhaben nach Darstellung der Antragsgegnerin zwischenzeitlich aufgrund einer Steigerung der Handwerkerkosten angeblich zurückgestellt oder möglicherweise ganz aufgegeben worden sei, stehe dem nicht entgegen. Durch den geplanten gemeinsamen Immobilienerwerb sei jedenfalls die Gründungs- und Orientierungsphase verlassen worden.