Pflicht zur Grundpreisangabe eines Internetversandhändlers bei Massengeschäft
Autor: RA Dr. Kay Oelschlägel, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 05/2013
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 05/2013
Enthält ein Internetversandhändler Verbrauchern nach EU-Recht zu erteilende Informationen vor, widerspricht dies stets der für ihn geltenden fachlichen Sorgfalt. An diese fachliche Sorgfalt sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als an diejenigen eines stationären Händlers. Der Internetversandhändler kann sich verschuldensunabhängigen Unterlassungsansprüchen wegen fehlender Grundpreisangabe nicht dadurch entziehen, dass er auf im Massengeschäft immer wieder vorkommende Versehen und Nachlässigkeiten sonst zuverlässiger Mitarbeiter oder Beauftragter verweist.
OLG Köln, Urt. v. 19.10.2012 - 6 U 46/12
Vorinstanz: LG Köln, Urt. v. 9.2.2012 - 31 O 219/11
UWG § 4 Nr. 11; PAngV § 2
Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 5 PAngV: § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 S. 5 PAngV regelt die Pflicht zur Grundpreisangabe bei Warenangeboten. Hierbei handele es sich um eine gesetzliche Marktverhaltensregelung. Gegen diese Pflicht habe Amazon verstoßen, da bei fünf Gemüsekonserven überhaupt keine Grundpreisangabe vorhanden gewesen sei und bei einer Gemüsekonserve die Angaben zum Abtropfgewicht fehlten.
Verletzung der fachlichen Sorgfalt: Vorliegend komme es auf eine Verletzung der fachlichen Sorgfalt nicht an. Die in ihrem Anwendungsbereich zu einer vollständigen Rechtsharmonisierung führende Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken regele das B2C-Verhältnis abschließend. Stehe der objektive Verstoß des Unternehmers gegen eine Informationspflicht fest, die ihre Grundlage wie vorliegend im Unionsrecht habe, entfalle entgegen der Auffassung von Amazon jede weitere Prüfung einer Verletzung der fachlichen Sorgfalt. Anzulegen sei ein objektiv-normativer Maßstab ohne Rücksicht auf Fahrlässigkeit oder sonstige subjektive Gesichtspunkte. Insofern beinhalte die objektive Zuwiderhandlung gegen unionsrechtlich begründete verbraucherschützende Marktverhaltensregeln gem. § 4 Nr. 11 UWG regelmäßig auch eine Verletzung der fachlichen Sorgfalt i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG. Werden den Verbrauchern wesentliche Informationen vorenthalten, deren Mitteilung das Unionsrecht verbindlich vorschreibe, sei dieses Tatbestandsmerkmal von vornherein und ausnahmslos verwirklicht. Werden unionsrechtlich vorgeschriebene Informationen den Verbrauchern vorenthalten, sei dies auch keine Bagatelle, sondern erfülle das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG. Ein Internetversandhändler müsse die ordnungsgemäße Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung durchgängig und in jeder Hinsicht sicherstellen. Begründen einzelne Pflichtverstöße die Gefahr, dass notwendige Grundpreisangaben den Verbrauchern auch in weiteren Einzelfällen vorenthalten werden, hafte der Unternehmensinhaber wegen der Zuwiderhandlung auch für Mitarbeiter und Beauftragte gem. § 8 Abs. 2 UWG, ohne eine dem § 831 Abs. 1 Abs. 2 BGB vergleichbare Entlastungsmöglichkeit zu besitzen.
OLG Köln, Urt. v. 19.10.2012 - 6 U 46/12
Vorinstanz: LG Köln, Urt. v. 9.2.2012 - 31 O 219/11
UWG § 4 Nr. 11; PAngV § 2
Das Problem:
Der Internetversandhändler Amazon verkauft über seine Internetplattform amazon.de selbst Gemüsekonserven. Die Angebote von Amazon enthielten in fünf Fällen den Grundpreis überhaupt nicht und in einem Fall war das Abtropfgewicht nicht angegeben. Wegen dieses Verhaltens ist Amazon von einem Wettbewerbsverband auf Unterlassung in Anspruch genommen worden. Amazon hielt Unterlassungsansprüche nicht für gegeben, weil ihr keine Verletzung der fachlichen Sorgfalt zur Last gelegt werden könne. Bei den fehlerhaften Angaben handele es sich vielmehr um vereinzelte Ausreißer. Das LG Köln hat Amazon zur Unterlassung verurteilt.Die Entscheidung des Gerichts:
Das OLG Köln hat die Berufung von Amazon zurückgewiesen und im Grundsatz bestätigt, dass dem Wettbewerbsverband wegen der fehlenden Grundpreisangaben bei den von Amazon angebotenen Gemüsekonserven ein Unterlassungsanspruch zusteht.Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 5 PAngV: § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 S. 5 PAngV regelt die Pflicht zur Grundpreisangabe bei Warenangeboten. Hierbei handele es sich um eine gesetzliche Marktverhaltensregelung. Gegen diese Pflicht habe Amazon verstoßen, da bei fünf Gemüsekonserven überhaupt keine Grundpreisangabe vorhanden gewesen sei und bei einer Gemüsekonserve die Angaben zum Abtropfgewicht fehlten.
Verletzung der fachlichen Sorgfalt: Vorliegend komme es auf eine Verletzung der fachlichen Sorgfalt nicht an. Die in ihrem Anwendungsbereich zu einer vollständigen Rechtsharmonisierung führende Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken regele das B2C-Verhältnis abschließend. Stehe der objektive Verstoß des Unternehmers gegen eine Informationspflicht fest, die ihre Grundlage wie vorliegend im Unionsrecht habe, entfalle entgegen der Auffassung von Amazon jede weitere Prüfung einer Verletzung der fachlichen Sorgfalt. Anzulegen sei ein objektiv-normativer Maßstab ohne Rücksicht auf Fahrlässigkeit oder sonstige subjektive Gesichtspunkte. Insofern beinhalte die objektive Zuwiderhandlung gegen unionsrechtlich begründete verbraucherschützende Marktverhaltensregeln gem. § 4 Nr. 11 UWG regelmäßig auch eine Verletzung der fachlichen Sorgfalt i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG. Werden den Verbrauchern wesentliche Informationen vorenthalten, deren Mitteilung das Unionsrecht verbindlich vorschreibe, sei dieses Tatbestandsmerkmal von vornherein und ausnahmslos verwirklicht. Werden unionsrechtlich vorgeschriebene Informationen den Verbrauchern vorenthalten, sei dies auch keine Bagatelle, sondern erfülle das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG. Ein Internetversandhändler müsse die ordnungsgemäße Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung durchgängig und in jeder Hinsicht sicherstellen. Begründen einzelne Pflichtverstöße die Gefahr, dass notwendige Grundpreisangaben den Verbrauchern auch in weiteren Einzelfällen vorenthalten werden, hafte der Unternehmensinhaber wegen der Zuwiderhandlung auch für Mitarbeiter und Beauftragte gem. § 8 Abs. 2 UWG, ohne eine dem § 831 Abs. 1 Abs. 2 BGB vergleichbare Entlastungsmöglichkeit zu besitzen.