Privatinsolvenz: Was sollten Verbraucher wissen?

15.09.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Brieftasche,Münzen Eine Privatinsolvenz kann ein Ausweg aus der Schuldenfalle sein. © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Schuldenbefreiung: Privatinsolvenz ermöglicht überschuldeten Personen, nach einer Wohlverhaltensphase von in der Regel drei Jahren schuldenfrei zu werden.

2. Pflichten während der Insolvenz: Betroffene müssen ihr pfändbares Einkommen abtreten, einer zumutbaren Arbeit nachgehen und alle Vermögenswerte offenlegen.

3. Restschuldbefreiung: Am Ende des Verfahrens werden fast alle Schulden erlassen. Ausnahmen gibt es z. B. bei Geldstrafen, Unterhaltsschulden oder Schulden aus vorsätzlicher Schädigung.
Wird eine Privatperson zahlungsunfähig, kann sie die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens beantragen. Dieses nennt man auch Privatinsolvenzverfahren. Es steht natürlichen Personen offen, die nicht selbstständig tätig sind. Verbraucher können auf diesem Weg eine Restschuldbefreiung beantragen. Ihnen können nach einer sogenannten Wohlverhaltensphase ihre restlichen Schulden erlassen werden. Ende 2020 wurde das "Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens" vom Bundesrat beschlossen. Dabei wurde unter anderem die Dauer eines Restschuldbefreiungsverfahrens von drei bis sechs Jahren generell auf drei Jahre herabgesetzt.

Was ist der Zweck eines Insolvenzverfahrens?


In erster Linie soll ein Insolvenzverfahren den Schutz der Gläubiger gewährleisten. Ist ein Schuldner nicht mehr zahlungsfähig, sieht nämlich in der Regel nur derjenige sein Geld wieder, der zufällig zuerst klagt und pfändet. Das Insolvenzverfahren schützt das verbliebene Vermögen des Schuldners vor Pfändungen. Dann wird es unter den Gläubigern aufgeteilt, sodass jeder eine bestimmte Quote erhält.

Der Gesetzgeber möchte jedoch Schuldnern im Rahmen des Privatinsolvenzverfahrens die Möglichkeit geben, nach einer gewissen Zeit wieder frei von Schulden zu sein. Das Verbraucherinsolvenzverfahren unterscheidet sich daher in mehreren Punkten vom Regelinsolvenzverfahren, das bei Unternehmen oder Selbstständigen angewendet wird.

Hier finden Sie weitere Informationen zum Regelinsolvenzverfahren:
Unternehmensinsolvenz - was sollten Unternehmer wissen?

Wer kann ein Privatinsolvenzverfahren beantragen?


Ein Verbraucherinsolvenzverfahren kann beantragen, wer
- zahlungsunfähig ist (also seine Schulden nicht mehr bezahlen kann oder absehen kann, dass dies demnächst der Fall sein wird),
- nicht selbstständig tätig ist und auch keine Schulden aus früherer Selbstständigkeit hat.

Ebenso kann ein früherer Selbstständiger in Privatinsolvenz gehen, wenn er weniger als 20 Gläubiger hat und wenn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen (also zum Beispiel auf Lohnzahlung) gegen ihn bestehen.

Welche Grundvoraussetzung muss ich für ein Verbraucherinsolvenzverfahren erfüllen?


Grundvoraussetzung für ein Privatinsolvenzverfahren ist, dass der Schuldner zuerst versucht hat, sich mit seinen Gläubigern gütlich zu einigen. Dafür muss ein Schuldenbereinigungsplan erstellt werden. Auf dessen Basis kann der Schuldner seine Gläubiger mit Ratenzahlungen befriedigen. Ein solcher Versuch gilt allerdings als gescheitert, wenn einer der Gläubiger gar nicht auf den Vorschlag reagiert oder die Zwangsvollstreckung einleitet oder wenn der Schuldner die angebotenen Zahlungen nicht leisten kann.

Einen solchen gescheiterten Einigungsversuch müssen Verbraucher nachweisen, um ein Privatinsolvenzverfahren beantragen zu können. Als Nachweis kann beispielsweise die Bescheinigung einer Schuldnerberatungsstelle dienen oder auch die Bestätigung durch einen Anwalt.

Wie beginnt das Verbraucherinsolvenzverfahren?


Den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann der Schuldner beim örtlichen Insolvenzgericht stellen. Dabei handelt es sich um das Amtsgericht an seinem Wohnort. Dabei muss er folgende Unterlagen vorlegen:

- Bescheinigung über einen erfolglosen außergerichtlichen Einigungsversuch,
- Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung oder Erklärung, dass diese nicht beantragt werden soll,
- Verzeichnis des Einkommens und des Vermögens, Verzeichnis der Gläubiger, Verzeichnis aller Schulden und Forderungen, mit der Versicherung, dass die Angaben der Wahrheit entsprechen,
- Schuldenbereinigungsplan.

Wann leitet das Gericht das Privatinsolvenzverfahren ein?


Zunächst schickt das Gericht den Schuldenbereinigungsplan und die Vermögensübersicht an die Gläubiger. Diese haben dann einen Monat lang Zeit, sich dazu zu äußern. Wenn sie sich nicht melden, gilt dies als Zustimmung.
Hat über die Hälfte der Gläubiger dem Schuldenbereinigungsplan zugestimmt und beträgt die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Ansprüche insgesamt, kann das Gericht die Zustimmung der restlichen Gläubiger durch seine eigene Entscheidung ersetzen. Allerdings muss dies der Schuldner oder ein Gläubiger beantragen.

Wenn die Gläubiger zugestimmt haben oder ihre Zustimmung vom Gericht ersetzt wurde, gilt dies als rechtswirksamer gerichtlicher Vergleich. An diesen müssen sich alle Beteiligten halten. Schlägt dieses Zustimmungsverfahren fehl, leitet das Gericht das Verbraucherinsolvenzverfahren ein.

Wann wird eine Verbraucherinsolvenz "mangels Masse" abgelehnt?


Das Gericht kann ein Verbraucherinsolvenzverfahren "mangels Masse" ablehnen. Dies passiert, wenn der Schuldner nicht einmal mehr genug Vermögen besitzt, um die Gerichtskosten und die Kosten des Insolvenzverwalters zu bezahlen. In diesem Fall kann auch keine Restschuldbefreiung stattfinden. Unter bestimmten Umständen kann das Gericht dem Schuldner jedoch diese Kosten stunden, sodass das Verfahren trotzdem durchgeführt werden kann.

Was passiert im Verbraucherinsolvenzverfahren?


Zunächst setzt das Gericht einen Insolvenzverwalter ein. Dieser hat die Aufgabe, die restlichen Vermögensgegenstände des Schuldners zu verwalten, diese letztlich zu verwerten und für eine Befriedigung der Gläubiger zu sorgen. Der Insolvenzverwalter wird im Privatinsolvenzverfahren als Treuhänder bezeichnet. Er verwaltet das pfändbare Vermögen. Manche Gegenstände sind nicht pfändbar – zum Beispiel der notwendige Hausrat, für den Beruf nötige Gegenstände oder persönliche Gegenstände wie der Ehering. Das Insolvenzverfahren kann bis zu einem Jahr dauern. Während dieser Zeit können einzelne Gläubiger nichts mehr pfänden. Mit der Verteilung der Insolvenzmasse an die Gläubiger endet das Insolvenzverfahren.

Wie funktioniert die Restschuldbefreiung?


Die Restschuldbefreiung können verschuldete Verbraucher im Rahmen des Privatinsolvenzverfahrens beantragen. Dabei handelt es sich um ein gesondertes Verfahren. Es beginnt erst, wenn das Insolvenzverfahren endet.
Für den Schuldner beginnt mit dem Ende des Insolvenzverfahrens die sogenannte Wohlverhaltensperiode. Sich nun an die Regeln zu halten, ist die wichtigste Voraussetzung für die Restschuldbefreiung.

Der Schuldner muss in der Wohlverhaltensphase mit seinem laufenden Einkommen weiter versuchen, seine restlichen Schulden zu begleichen – so gut es eben geht. Ein Teil seines laufenden Einkommens geht dazu an den Treuhänder. Der Schuldner muss während dieser Zeit auch arbeiten. Hat er keine Arbeit, muss er sich zumindest ernsthaft um eine bemühen. Zumutbare Arbeit darf er nicht ablehnen.

Wie lange dauert die Wohlverhaltensphase?


Früher dauerte die Wohlverhaltensphase sechs Jahre. Sie ließ sich auf fünf Jahre reduzieren, wenn der Schuldner dann zumindest die Verfahrenskosten bezahlt hatte. Zwar war eine Herabsetzung auf drei Jahre möglich, wenn der Schuldner 35 Prozent der Schulden plus Verfahrenskosten beglichen hatte. Allerdings gelang dies den wenigsten, sodass eine Verfahrensdauer von unter sechs Jahren eher Theorie blieb.

Durch eine Gesetzesänderung wurde die Dauer der Wohlverhaltensphase 2020 generell auf drei Jahre gesenkt. Die zuvor erforderlichen Mindestzahlungen von Verfahrenskosten oder Schuldenabtrag sind entfallen.

Weil die zugrunde liegende EU-Richtlinie schon zuvor in Kraft getreten war, wurde auch bei schon vorher beantragten Verbraucherinsolvenzverfahren die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens bzw. der Wohlverhaltensphase schrittweise verkürzt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Insolvenzantrags.

Für alle Verfahren, die zwischen dem 16.12.2019 und dem 30.9.2020 beantragt wurden, gilt folgende Tabelle:

beantragt zwischen: Verfahrensdauer:
17.12.2019 und 16.01.2020 5 Jahre und 7 Monate
17.01.2020 und 16.02.2020 5 Jahre und 6 Monate
17.02.2020 und 16.032020 5 Jahre und 5 Monate
17.03.2020 und 16.04.2020 5 Jahre und 4 Monate
17.04.2020 und 16.05.2020 5 Jahre und 3 Monate
17.05.2020 und 16.06.2020 5 Jahre und 2 Monate
17.06.2020 und 16.07.2020 5 Jahre und 1 Monat
17.07.2020 und 16.08.2020 5 Jahre
17.08.2020 und 16.09.2020 4 Jahre und 11 Monate
17.09.2020 und 30.09.2020 4 Jahre und 10 Monate
seit 01.10.2020 3 Jahre

Wenn dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30. September 2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden ist, beträgt die Wohlverhaltensphase bzw. die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre.

Welche Regeln gelten während der Wohlverhaltensphase noch?


Während der Wohlverhaltensphase hat der Schuldner nichts mehr mit dem Insolvenzgericht zu tun. Die Insolvenzmasse ist aufgeteilt. Einmal im Jahr muss der Schuldner seinen Treuhänder durch einen ausgefüllten Fragebogen auf dem Laufenden halten. Er muss zusätzlich die folgenden Regeln des "Wohlverhaltens" beachten und einen Teil seines Einkommens an den Treuhänder überweisen.

Unbedingt zu beachten ist:
- Wenn der Schuldner jetzt irgendwelches Vermögen erbt, muss er die Hälfte des Wertes an den Treuhänder herausgeben. Dies gilt seit 2020 auch für Vermögen, das er durch Schenkung oder wegen eines künftigen Erbrechts erhält.
- Lottogewinne oder Gewinne aus anderen Glücksspielen sind vollständig herauszugeben.
- Jeder Wechsel von Wohnsitz oder Arbeitsstelle muss unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder mitgeteilt werden.
- Vermögen oder Einkünfte dürfen nicht verheimlicht werden.
- Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger darf der Schuldner nur an den Treuhänder leisten, der diese dann weiterleitet. Kein Gläubiger darf durch Direktzahlung bevorzugt werden.
- Der Schuldner darf keine unangemessenen neuen Schulden machen. Wer dies grob fahrlässig missachtet, verliert die Restschuldbefreiung.

Was passiert bei der Restschuldbefreiung?


Wenn die Wohlverhaltensphase erfolgreich abgeschlossen ist, erteilt das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung. Dann erlöschen die restlichen Forderungen der Gläubiger. Von diesem Zeitpunkt an ist der Verbraucher schuldenfrei und kann einen Neuanfang wagen.

Allerdings sind bestimmte Schulden davon ausgeschlossen und bleiben bestehen. Dies gilt für Geldstrafen, Bußgelder, nicht gezahlten Unterhalt und hinterzogene Steuern nach einer rechtskräftigen Verurteilung.

Unter Umständen können einem Schuldner im Rahmen der Insolvenz für längere Zeiträume berufliche Tätigkeitsverbote auferlegt werden. Gemäß der Neuregelung von 2020 treten solche Tätigkeitsverbote mit Eintritt der Restschuldbefreiung außer Kraft.

Neue Schulden: Ist eine zweite Restschuldbefreiung möglich?


Durchaus. Es gibt jedoch Einschränkungen. Früher galt eine Sperrfrist von zehn Jahren für eine weitere Restschuldbefreiung. Die Wohlverhaltensphase dauerte dann nur noch drei Jahre. Seit der Reform von 2020 beträgt die Sperrfrist elf Jahre und die dann folgende neue Wohlverhaltensphase fünf Jahre. Bei Versagung der Restschuldbefreiung beträgt die Sperrfrist drei oder fünf Jahre, je nach Grund der Versagung (§ 287a InsO).

Praxistipp zum Verbraucherinsolvenzverfahren


Ein wichtiges Hilfsmittel für Schuldner ist das Pfändungsschutzkonto. Damit kann man zumindest den Geldbetrag, den man für die wichtigsten Lebenshaltungs- und Wohnkosten braucht, vor Pfändungen sichern. Jede Bank muss auf Antrag ein bestehendes Konto in ein Pfändungsschutzkonto umwandeln. Ein Fachanwalt für Insolvenzrecht kann Sie kompetent zu allen Fragen rund um die Privatinsolvenz beraten. Er kann Sie auch bei der Ausarbeitung des Schuldenbereinigungsplanes und des Insolvenzantrages unterstützen.

(Bu)


 Stephan Buch
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