Rechtsmissbräuchliche Vertragsstrafe

Autor: RA Dr. Kay Oelschlägel, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 11/2012
Die Frage, ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich ist, die auf einem Unterlassungsvertrag zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner beruht, richtet sich nicht nach § 8 Abs. 4 UWG, sondern nach § 242 BGB. Die Rechtskraft der Entscheidung über einen Unterlassungsanspruch hat grundsätzlich keine Bindungswirkung für die Frage, ob die in diesem Zusammenhang ergangene Abmahnung begründet war.

BGH, Urt. v. 31.5.2012 - I ZR 45/11

Vorinstanz: OLG Stuttgart, Urt. v. 24.2.2011 - 2 U 104/10
Vorinstanz: LG Stuttgart, Urt. v. 22.7.2010 - 17 O 136/10

UWG §§ 4 Nr. 11, 8 Abs. 4; BGB § 242

Das Problem:

Die Parteien vertreiben über das Internet Ersatz- und Zubehörteile für geländegängige Kraftfahrzeuge. Die eine Partei macht dies über ihren Webshop unter der Domain „4x4.de” und die andere Partei über ihren Webshop unter der Domain „4x4.info”. Der Inhaber der Domain „4x4.de” mahnte den Inhaber der Domain „4x4.info” wegen seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab. Der Abgemahnte gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, wobei er sich bereit erklärte, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe i.H.v. 5.100 € zu zahlen. Nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung verwendete der Abgemahnte auf einer Rechnung/Lieferschein sowie in seinem Webauftritt die in der Unterwerfungserklärung aufgeführten verbotenen Klauseln erneut. Der Abmahnende hat daraufhin den Abgemahnten auf Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 10.200 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das LG und das OLG haben der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der BGH hat die Revision des Abgemahnten zurückgewiesen und festgestellt, dass dieser grundsätzlich zur Zahlung der Vertragsstrafe i.H.v. 10.200 € verpflichtet ist.

Keine vertragsbezogene Rechtsmissbräuchlichkeit der Einforderung der Vertragsstrafe: Zwischen den Parteien sei ein wirksamer Unterwerfungsvertrag zustande gekommen und der Inhaber der Domain „4x4.info” habe zweimal gegen das im Unterwerfungsvertrag enthaltene Unterlassungsgebot verstoßen, und zwar durch die Verwendung einer rechtswidrigen Klausel in einem Rechnungs-/Lieferscheinschreiben an einen Kunden sowie seiner im Internet bereitgestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Rechtsmissbräuchlichkeit liege daher nicht vor.

Keine Unzulässigkeit des Vertragsstrafe-Anspruches nach § 8 Abs. 4 UWG: Der Anwendungsbereich von § 8 Abs. 4 UWG sei auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG beschränkt. Auf vertragliche Ansprüche, insbesondere Zahlungsansprüche, sei die Vorschrift weder direkt noch entsprechend anwendbar. Wesentliche Funktion des § 8 Abs. 4 UWG sei es, als Korrektiv der weitgefassten Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG zu wirken. Die nach § 8 Abs. 3 UWG mögliche Gläubigermehrheit bestehe aber nicht, wenn sich ein Wettbewerber gegenüber einem bestimmten Mitbewerber zu einer strafbewehrten Unterlassung verpflichtet habe. Es stelle daher keine Regelungslücke dar, wenn die Erhebung derartiger Ansprüche nur durch die allgemeinen Grenzen des § 242 BGB beschränkt sei.

Keine Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 242 BGB: Die Frage, ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe aufgrund einer Unterlassungserklärung eines Mitbewerbers rechtsmissbräuchlich sei, beurteile sich somit nach den allgemeinen Grundsätzen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB). Das Berufungsgericht habe den Einwand des Rechtmissbrauchs zurückgewiesen. Die Forderung der Vertragsstrafen sei auch unter dem Blickwinkel der rechtswidrigen Mehrfachverfolgung, der Forderung unverhältnismäßig hoher Vertragsstrafen oder der Annahme unverhältnismäßig hoher Streitwerte berechtigt gewesen. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der Inhaber der Domain „4x4.de” erst nach Beginn der Auseinandersetzung um den Domainnamen sich dazu entschlossen habe, den Internetauftritt des Inhabers der Domain „4x4.info” auf Wettbewerbsverstöße zu prüfen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Abmahnungen überwiegend dem Ziel gedient hätten, den Inhaber der Domain „4x4.info” durch Aufbau finanziellen Drucks zur Übertragung des Domainnamens zu zwingen. Ebenso sei eine Gegenabmahnung auf eine Abmahnung hin nicht per se rechtsmissbräuchlich. Gäbe der Abgemahnte in Kenntnis aller Umstände eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, müsse er sich auch die daraus resultierenden Vertragsstrafen bei einem entsprechenden Verstoß entgegenhalten lassen. Ob die Abmahnung berechtigt gewesen sei und der Abmahnende Abmahnkosten verlangen könne, sei eine andere Frage.


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