„Rotes Bild mit Pferden”
Autor: RA Béla von Raggamby, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Heller & Partner Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2013
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2013
Ein Auktionshaus ist verpflichtet, im Auktionskatalog zutreffende Angaben auf gesicherter Grundlage zu machen.
LG Köln, Urt. v. 28.9.2012 - 2 O 457/08
BGB §§ 123, 124, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1
Schadensersatzanspruch: Das Unternehmen habe ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das Auktionshaus habe im Auktionskatalog Angaben gemacht, die den Eindruck vermittelten, die Zuschreibung des Gemäldes zu Heinrich Campendonk sei sicher, ohne dafür eine hinreichende Tatsachengrundlage gehabt zu haben. Der geschlossene Kaufvertrag sei gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen, so dass Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen in Betracht kämen.
Anfechtung: Das Unternehmen habe ihre auf Abschluss des Vertrages mit dem Auktionshaus gerichtete Erklärung wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Täuschung sei durch die Einlieferin erfolgt, die das gutgläubig handelnde Auktionshaus arglistig als Werkzeug eingesetzt habe. Für die Person des arglistig Täuschenden komme es nicht darauf an, wer die Täuschungserklärung gegenüber dem Getäuschten ausspreche, sondern wer sie veranlasst habe. Die Gutgläubigkeit des Übermittelnden beseitige die arglistige Täuschung nicht (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 197/87). Arglist der Einlieferin sei insbesondere im Hinblick die Herkunft des Gemäldes gegeben.
Kein Dritter: Das Unternehmen könne seine Anfechtung gegenüber dem Auktionshaus auch auf die Täuschung durch die Einlieferin stützen, da es sich bei dieser nicht um eine Dritte i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB handele. Die gebotene funktionelle Betrachtungsweise führe zu dem Ergebnis, dass die Einlieferin auf Seiten des Auktionshauses stehe; zudem handele es sich bei dem Ausführungsgeschäft in wirtschaftlicher Hinsicht um ein Geschäft der Einlieferin, da der Kaufpreis abzgl. Abgeld an sie ausgekehrt werde.
Pflichtverletzung: Das Auktionshaus treffe gem. § 241 Abs. 2 BGB mit Beginn der Vertragsverhandlungen durch Übergabe des Auktionskataloges die Pflicht, auf Rechtsgüter des Unternehmens Rücksicht zu nehmen. Die Pflicht konkretisiere sich darin, im Katalog zutreffende Angaben auf gesicherter Grundlage zu machen. Diese Pflicht habe das Auktionshaus verletzt, da die Angaben im Katalog den Gesamteindruck vermittelten, die Zuschreibung des Bildes sei sicher obwohl es für eine sichere Zuschreibung an einer hinreichend tragfähigen Grundlage fehle. Insbesondere enthalte der Katalog der Flechtheim-Ausstellung aus dem Jahr 1920 – wie das Auktionshaus unrichtig angab – keine Abbildung des Gemäldes; auch gebe es über das Gemälde keine gesicherten Angaben, die das Bild über seinen Titel hinaus individualisieren könnten. Eine hinreichende Grundlage für eine sichere Zuschreibung des Gemäldes könne auch nicht die kunsthistorische Begutachtung durch eigene – ohnehin nicht gänzlich unabhängige – Experten sein, da eine solche, naturgemäß subjektive, weil wertenden Begutachtung nur begrenzten Erkenntniswert habe. Fahrlässigkeit: Das Auktionshaus habe auch fahrlässig gehandelt, da es die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ (§ 276 Abs. 2 BGB).Abzustellen sei insoweit auf die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§§ 347 Abs. 1, 384 Abs. 1 HGB). Welche Maßnahmen ein Auktionator ergreifen müsse, um von der Echtheit eines Gemäldes ausgehen zu dürfen, hänge von den Umständen des Einzelfalls insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung des Werkes ab. Entscheidend wirke sich aus, dass das Auktionshaus im Katalog vorbehaltlos und ohne jede Einschränkung die Urheberschaft Heinrich Campendonks behauptet habe. Das Auktionshaus hätte vor Veröffentlichung des Katalogs ein naturwissenschaftliches Gutachten hinsichtlich des vermeintlichen Campendonk-Gemäldes einholen müssen, da das Gemälde als Original ein Rekordfund gewesen wäre. Für einen Echtheitsbeweis genüge es nicht, dass Fälschungsindizien fehlten, solange die Prüfung nicht umfassend gewesen sei; dies besonders bei einem Werk, über das es kaum gesicherte Erkenntnisse gebe. Das Auktionshaus könne auch nicht einwenden, das eine naturwissenschaftliche Untersuchung nicht marküblichen Usancen entspreche und von potentiellen Erwerbern nicht erwartet werde. Der Ersteigerer könne darauf vertrauen, dass der Auktionator, der die Stellung eines Sachkenners einnehme, die Möglichkeit habe, die Vertrauenswürdigkeit der Einlieferer zu prüfen und zu entscheiden, welche Werke er zur Auktion annehme; dieses Vertrauen sei auch nach Auffassung des BGH schutzwürdig (BGH, Urt. v. 13.2.1980 – VIII ZR 26/79 – Bodensee-Entscheidung, NJW 1980, 1619).
LG Köln, Urt. v. 28.9.2012 - 2 O 457/08
BGB §§ 123, 124, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1
Das Problem:
Ein maltesisches Unternehmen erwarb in einem renommierten Auktionshaus in Köln im Jahr 2006 ein Ölgemälde mit dem Titel „Rotes Bild mit Pferden”, das mit „Campendonk 1914” signiert ist. Die Einlieferin des Gemäldes und Streithelferin erklärte bei Einlieferung, dass das Gemälde aus der „Sammlung Werner Jägers” stamme; sie wusste dabei, dass es eine solche Sammlung nie gegeben hat. Ebenso wusste sie, dass das Gemälde nicht von dem Maler Heinrich Campendonk stammt, sondern von ihrem Schwager hergestellt worden war. Das Gemälde „Rotes Bild mit Pferden” trägt auf der Rückseite des Rahmens u.a. den der Fachwelt bekannten, jedoch nicht belegten, Aufkleber mit dem Schriftzug „Sammlung Flechtheim”. Das ursprüngliche Gemälde ist im Jahr 1920 in Düsseldorf ausgestellt worden; der hierzu existierende Ausstellungskatalog der Galerie Flechtheim enthält weder eine Abbildung noch weitere individualisierende Angaben. Das Auktionshaus prüfte die Echtheit des Gemäldes kunsthistorisch durch eigene Mitarbeiter. Eine Überprüfung der Angaben der Einlieferin zur Provenienz und eine naturwissenschaftliche Untersuchung fanden jedoch nicht statt. Das Auktionshaus ordnete das streitgegenständliche Gemälde Heinrich Campendonk zu und führte im Auktionskatalog u.a. aus, dass es sich bei diesem um das lange verschollene Gemälde „Rotes Bild mit Pferden” handelt. Das Unternehmen ließ nach Erwerb des Gemäldes im Rahmen der Abwicklung des Geschäfts (im Jahr 2008) u.a. auch eine naturwissenschaftliche Untersuchung des Gemäldes vornehmen, die zu dem Ergebnis kam, dass Zweifel an der Echtheit bestehen, da das Bild Titanweiß in Form des Rutils enthalte; dieses Pigment sei jedoch vor 1916 lediglich experimentell eingesetzt worden. Das Unternehmen erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag. In seinen Versteigerungsbedingungen regelt das Auktionshaus, dass bei „erwiesener Unechtheit” eine Rückzahlung der Kommission erfolgt und ansonsten die Haftung wegen Mängeln ausgeschlossen ist. Im Jahr 2010 stellte sich auch aufgrund einer Strafanzeige des Unternehmens heraus, dass der Großvater der Einlieferin Werner Jägers nie eine Kunstsammlung besessen hatte. Das Unternehmen erklärte daraufhin die Anfechtung ihrer auf Kauf des streitgegenständlichen Gemäldes gerichteten Erklärung aus 2006 und bot die jederzeitige Rückgabe des Gemäldes an. Die Parteien haben den Rechtsstreit in Höhe des vom Auktionshaus an das Unternehmen im Laufe des Rechtstreits gezahlten Aufgelds und des laut den Versteigerungsbedingungen einbehaltenen Abgelds in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.Die Entscheidung des Gerichts:
Das LG gibt der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen statt und verurteilt das Auktionshaus zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe des Kaufpreises von 2.086.080 € nebst Zinsen und Zug um Zug gegen Rückgabe des als Werk Heinrich Campendonks verkauften Gemäldes „Rotes Bild mit Pferden”.Schadensersatzanspruch: Das Unternehmen habe ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das Auktionshaus habe im Auktionskatalog Angaben gemacht, die den Eindruck vermittelten, die Zuschreibung des Gemäldes zu Heinrich Campendonk sei sicher, ohne dafür eine hinreichende Tatsachengrundlage gehabt zu haben. Der geschlossene Kaufvertrag sei gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen, so dass Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen in Betracht kämen.
Anfechtung: Das Unternehmen habe ihre auf Abschluss des Vertrages mit dem Auktionshaus gerichtete Erklärung wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Täuschung sei durch die Einlieferin erfolgt, die das gutgläubig handelnde Auktionshaus arglistig als Werkzeug eingesetzt habe. Für die Person des arglistig Täuschenden komme es nicht darauf an, wer die Täuschungserklärung gegenüber dem Getäuschten ausspreche, sondern wer sie veranlasst habe. Die Gutgläubigkeit des Übermittelnden beseitige die arglistige Täuschung nicht (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 197/87). Arglist der Einlieferin sei insbesondere im Hinblick die Herkunft des Gemäldes gegeben.
Kein Dritter: Das Unternehmen könne seine Anfechtung gegenüber dem Auktionshaus auch auf die Täuschung durch die Einlieferin stützen, da es sich bei dieser nicht um eine Dritte i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB handele. Die gebotene funktionelle Betrachtungsweise führe zu dem Ergebnis, dass die Einlieferin auf Seiten des Auktionshauses stehe; zudem handele es sich bei dem Ausführungsgeschäft in wirtschaftlicher Hinsicht um ein Geschäft der Einlieferin, da der Kaufpreis abzgl. Abgeld an sie ausgekehrt werde.
Pflichtverletzung: Das Auktionshaus treffe gem. § 241 Abs. 2 BGB mit Beginn der Vertragsverhandlungen durch Übergabe des Auktionskataloges die Pflicht, auf Rechtsgüter des Unternehmens Rücksicht zu nehmen. Die Pflicht konkretisiere sich darin, im Katalog zutreffende Angaben auf gesicherter Grundlage zu machen. Diese Pflicht habe das Auktionshaus verletzt, da die Angaben im Katalog den Gesamteindruck vermittelten, die Zuschreibung des Bildes sei sicher obwohl es für eine sichere Zuschreibung an einer hinreichend tragfähigen Grundlage fehle. Insbesondere enthalte der Katalog der Flechtheim-Ausstellung aus dem Jahr 1920 – wie das Auktionshaus unrichtig angab – keine Abbildung des Gemäldes; auch gebe es über das Gemälde keine gesicherten Angaben, die das Bild über seinen Titel hinaus individualisieren könnten. Eine hinreichende Grundlage für eine sichere Zuschreibung des Gemäldes könne auch nicht die kunsthistorische Begutachtung durch eigene – ohnehin nicht gänzlich unabhängige – Experten sein, da eine solche, naturgemäß subjektive, weil wertenden Begutachtung nur begrenzten Erkenntniswert habe. Fahrlässigkeit: Das Auktionshaus habe auch fahrlässig gehandelt, da es die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ (§ 276 Abs. 2 BGB).Abzustellen sei insoweit auf die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§§ 347 Abs. 1, 384 Abs. 1 HGB). Welche Maßnahmen ein Auktionator ergreifen müsse, um von der Echtheit eines Gemäldes ausgehen zu dürfen, hänge von den Umständen des Einzelfalls insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung des Werkes ab. Entscheidend wirke sich aus, dass das Auktionshaus im Katalog vorbehaltlos und ohne jede Einschränkung die Urheberschaft Heinrich Campendonks behauptet habe. Das Auktionshaus hätte vor Veröffentlichung des Katalogs ein naturwissenschaftliches Gutachten hinsichtlich des vermeintlichen Campendonk-Gemäldes einholen müssen, da das Gemälde als Original ein Rekordfund gewesen wäre. Für einen Echtheitsbeweis genüge es nicht, dass Fälschungsindizien fehlten, solange die Prüfung nicht umfassend gewesen sei; dies besonders bei einem Werk, über das es kaum gesicherte Erkenntnisse gebe. Das Auktionshaus könne auch nicht einwenden, das eine naturwissenschaftliche Untersuchung nicht marküblichen Usancen entspreche und von potentiellen Erwerbern nicht erwartet werde. Der Ersteigerer könne darauf vertrauen, dass der Auktionator, der die Stellung eines Sachkenners einnehme, die Möglichkeit habe, die Vertrauenswürdigkeit der Einlieferer zu prüfen und zu entscheiden, welche Werke er zur Auktion annehme; dieses Vertrauen sei auch nach Auffassung des BGH schutzwürdig (BGH, Urt. v. 13.2.1980 – VIII ZR 26/79 – Bodensee-Entscheidung, NJW 1980, 1619).