Rückforderung überzahlten Unterhalts bei abredewidriger Einzelveranlagung

Autor: RA Wolfgang Stieghorst, FAFamR, Halle (Westf.)
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2013
Haben die Eheleute im Hinblick auf einen möglichen Versöhnungsversuch im Jahr nach der Trennung es bei der Steuerklasse III für den Ehemann und der Steuerklasse V für die Ehefrau belassen, steht dem Ehemann ein Anspruch auf Rückzahlung von überzahltem Unterhalt zu, wenn die Ehefrau abredewidrig im Folgejahr die Einzelveranlagung wählt.

OLG Hamm, Beschl. v. 27.11.2012 - II-1 WF 261/12

Vorinstanz: AG Halle [Westf.], Beschl. v. 2.10.2012 - 5a F 227/12

BGB §§ 812, 814, 819

Das Problem:

Die Eheleute hatten gemeinsam mit ihren Anwälten vereinbart, für das auf die Trennung folgende Kalenderjahr 2009 es für den Ehemann bei der Steuerklasse III und für die Ehefrau bei der Steuerklasse V zu belassen, weil man einen Versöhnungsversuch nicht ausschließen wollte und konnte. Im Januar 2009 unterzeichnete die Ehefrau den „vereinfachten Antrag auf Lohnsteuerermäßigung” des Ehemanns. Auf der Grundlage der sich so ergebenden Einkommensverhältnisse zahlte der Ehemann Kindes- und Ehegattentrennungsunterhalt. Im Folgejahr (2010) reichte die Ehefrau abredewidrig eine Steuererklärung zur Einzelveranlagung beim Finanzamt ein und weigerte sich, an einer Steuererklärung zur gemeinsamen Veranlagung mitzuwirken. Nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe ermittelte der Ehemann aufgrund der neuen steuerlichen Verhältnisse den Unterhaltsanspruch der Ehefrau auf Trennungsunterhalt für das Jahr 2009 neu und machte die sich daraus ergebende Überzahlung gerichtlich geltend. Das AG verweigerte die beantragte Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung, der Forderung stehe § 814 BGB entgegen. Der Antragsteller habe gewusst, dass er zur Leistung in der erfolgten Höhe nicht verpflichtet gewesen sei. Wegen der Trennung im Jahre 2008 sei die getrennte Veranlagung im Jahre 2009 steuerlich zwingend erforderlich gewesen, so dass ihm die Überzahlung bekannt gewesen sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG gewährte für den Antrag auf Geltendmachung des überzahlten Unterhalts Verfahrenskostenhilfe. Mit ihrer Unterschrift unter dem vereinfachten Antrag auf Lohnsteuerermäßigung im Januar 2009 habe die Antragsgegnerin bestätigt, dass sich die Verhältnisse gegenüber 2008 nicht wesentlich verändert hätten. Darüber hinaus habe sie signalisiert, damit an einer Schaffung der Voraussetzung für die weitere Zusammenveranlagung mitwirken zu wollen. Nach § 26 EStG reiche es für die gemeinsame Veranlagung aus, wenn die Eheleute mindestens einen Tag zusammenleben würden. Solange noch die Möglichkeit bestand, dass sich dieses Zusammenleben realisierte, waren die steuerlichen Möglichkeiten der Zusammenveranlagung gegeben. Bei sämtlichen Unterhaltszahlungen des Antragstellers im Jahre 2009 bestand noch die Möglichkeit, dass die Beteiligten wieder zusammenziehen. Auch bei der Dezember-Zahlung stand noch nicht fest, dass die Versöhnung scheitern würde. Die Beteiligten hätten bis zum 30.12. noch die Möglichkeit gehabt, die steuerlichen Voraussetzungen herbeizuführen. Den Einwand der Antragsgegnerin, sie habe nicht gewusst, welche Bedeutung der vereinfachte Antrag auf Lohnsteuerermäßigung gehabt habe, wurde vom Gericht nicht akzeptiert. Die steuerlichen Implikationen seien unter Einbeziehung der Anwälte im Sommer 2008 ausführlich erörtert worden, so dass die behauptete Unkenntnis schlicht unglaubhaft sei.

Für den Antragsteller streite zudem die Rechtswirkung des § 819 Abs. 1 BGB. Das Behaltendürfen des nach der Steuerklasse III errechneten Unterhalts sei von Anfang an auflösend bedingt gewesen durch den in Aussicht genommenen Versöhnungsversuch.


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