Rücktritt vom Prozessvergleich?

Autor: RAin FAinArbR Annegret Müller-Mundt, Norton Rose Fulbright LLP, München
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 05/2015
Ein Rücktritt von einem Prozessvergleich kommt nur in Betracht, wenn es sich dabei um einen gegenseitigen Vertrag handelt. Dies setzt voraus, dass der Vergleich sich nicht auf die Feststellung einzelner Inhalte eines insoweit streitigen Rechtsverhältnisses beschränkt, sondern zusätzlich eine Leistung oder Verpflichtung zum Inhalt hat, die synallagmatisch mit der des anderen Teils verknüpft ist.

BAG, Urt. v. 27.8.2014 - 4 AZR 999/12

Vorinstanz: LAG Mecklenburg-Vorpommern - 5 Sa 253/11

BGB §§ 323 Abs. 1, 779 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1

Das Problem

Die Parteien streiten über die Beendigung eines zwischen ihnen geführten Rechtsstreits durch Vergleich sowie über die Wirksamkeit eines von der Klägerin erklärten Rücktritts von diesem Vergleich.

Die Klägerin hatte Vergütungsansprüche eingeklagt. In diesem Rechtsstreit verglichen sich die Parteien vor dem LAG, wobei sich die Beklagte zur Zahlung von 3.000 € brutto verpflichtete und die Parteien die zukünftige Eingruppierung, Arbeitszeit und Vergütung der Klägerin festlegten. Die Klägerin hat diesen Vergleich nicht widerrufen. Nachdem die Beklagte eine zur Erfüllung von Nachforderungen gesetzte Frist hatte verstreichen lassen, erklärte die Klägerin „den Rücktritt vom Vergleich” und beantragte die Fortsetzung des Verfahrens vor dem LAG.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Rechtsstreit zwischen den Parteien wurde durch den geschlossenen Vergleich beendet. Die Klägerin konnte nicht wirksam von dem Vergleich zurücktreten, da es sich bei diesem nicht um einen gegenseitigen Vertrag i.S.v. § 323 Abs. 1 BGB handelte. Der erklärte Rücktritt hatte daher auf den Bestand des Vergleichs und die damit verbundene Wirkung der Prozessbeendigung keinen Einfluss.

Ein gegenseitiger Vertrag i.S.v. § 323 Abs. 1 BGB liegt nicht schon deshalb vor, weil eine vergleichsweise Einigung nach § 779 Abs. 1 BGB „im Wege gegenseitigen Nachgebens” erfolgt. Das gegenseitige Nachgeben erzeugt keine wechselseitig voneinander abhängigen Leistungspflichten, sondern betrifft als Mittel zur Beseitigung von Streit oder Ungewissheit allein das Zustandekommen des Vertrags.

Beschränkt sich der Vergleich auf die Regelung einzelner zwischen den Parteien strittiger Punkte des Ausgangsrechtsverhältnisses ohne weitere, darüber hinausgehende Leistungspflichten zu begründen, fehlt es regelmäßig an einem gegenseitigen Vertrag i.S.v. § 323 BGB. Das gilt namentlich dann, wenn sich der Vergleich auf die Feststellung einer in Streit geratenen Leistungspflicht einer der beiden Parteien beschränkt.

Hier beschränkte sich der Vergleich auf die Feststellung der in Streit geratenen Vergütungspflicht der Beklagten. Selbst wenn man davon ausgehen würde, die Klägerin habe auf einen ggf. bestehenden höheren Entgeltanspruch verzichtet, und darin eine mögliche Leistungsverpflichtung i.S.v. § 323 Abs. 1 BGB sehen würde, würde es an einer neu begründeten Leistungspflicht der Beklagten fehlen, die diese mit Rücksicht auf eine etwaige Verpflichtung der Klägerin übernommen hätte.


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