Saarl. OLG, Beschl. 25.1.2023 - 5 W 87/22

Nachforschungspflichten des Grundbuchamts hinsichtlich Verfügung über Vermögen im Ganzen

Autor: RA Ernst Sarres, FAErbR, FAFamR, Düsseldorf
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 06/2023
Nur wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB gegeben sind, darf das Grundbuchamt die Zustimmung des anderen Ehegatten oder den Nachweis weiteren Vermögens verlangen. Demgegenüber begründen bloße Zweifel oder abstrakte Vermutungen hinsichtlich des Umfangs des Vermögens und/oder der Kenntnis des Vertragspartners kein Recht und keine Pflicht des Grundbuchamts zu Nachforschungen von Amts wegen oder zur „vorbeugenden“ Anforderung einer Zustimmung des Ehegatten.

BGB § 1365 Abs. 1; GBO § 19

Das Problem

Die Antragstellerin ist als Eigentümerin des unbebauten Grundstücks Flur, Nr./1 in das Grundbuch von N. eingetragen. Sie ist im gesetzlichen Güterstand mit Herrn M. verheiratet. Durch notarielle Urkunde vom 6.7.2022 bestellte die Antragstellerin zur Absicherung eines Darlehens eine Grundschuld nebst Übernahme der persönlichen Haftung i.H.v. 74.000 € nebst Zinsen i.H.v. 12 v.H. jährlich zugunsten der S. Am 7.7.2022 beantragte sie zudem u.a. die Eintragung des Grundpfandrechts in das Grundbuch.

Das Grundbuchamt ermittelte den Wert des Grundstücks anhand des Bodenrichtwerts mit ca. 58.045 €. Da nach den Ermittlungen des Grundbuchamts im Grundbuch kein weiteres Grundeigentum der Antragstellerin eingetragen ist, ging das Grundbuchamt davon aus, dass die Antragstellerin über ihr wesentliches Vermögen verfüge und die Grundschuldbestellung daher einer Genehmigung des Ehegatten bedürfe. Mit Verfügung vom 28.7.2022 sowie angegangener Zwischenverfügung vom 5.8.2022 wurde die Eintragung der Grundschuld daher von der Vorlage einer Einwilligungserklärung des Ehemanns oder der Erklärung abhängig gemacht, dass die Antragstellerin über weiteres Vermögen verfüge.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat dagegen am 7.9.2022 bei dem Grundbuchamt Beschwerde eingelegt. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG erachtet die Beschwerde für begründet und hebt die Zwischenverfügung des AG – Grundbuchamt – Saarbrücken vom 5.8.2022 auf.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet allein das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis, auf das sich die angefochtene Verfügung bezieht. Die Beschwerde ist begründet, weil das in der angefochtenen Zwischenverfügung vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis nicht besteht. Das Grundbuchamt durfte deshalb den Eintragungsantrag der Antragstellerin nicht aus den Gründen der Zwischenverfügung ablehnen. Nach dem im Grundbuchverfahren geltenden formellen Konsensprinzip (§ 19 GBO) erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Andererseits darf das Grundbuchamt nicht bewusst dabei mitwirken, das Grundbuch unrichtig zu machen. Wenn es auf Grund feststehender Tatsachen weiß, dass durch die bewilligte Eintragung das Grundbuch unrichtig würde, darf es die Eintragung nicht vornehmen. Da sich die verfahrensrechtliche Bewilligungsbefugnis von der Befugnis zur sachenrechtlichen Verfügung über das Recht bzw. über das Eigentum ableitet, hat das Grundbuchamt von Amts wegen zu prüfen, ob der Bewilligende Verfügungsbeschränkungen unterliegt. Eine solche Beschränkung enthält die Vorschrift des § 1365 Abs. 1 BGB. In derartigen Fällen kommt es trotz § 19 GBO ausnahmsweise zu einem Durchgriff auf das materielle Recht. Nach § 1365 Abs. 1 BGB kann sich ein im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebender Ehegatte nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen. Hat er sich ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichtet, so kann er diese Verpflichtung nur erfüllen, wenn der andere Ehegatte einwilligt. Zustimmungsbedürftig sind nicht nur Rechtsgeschäfte über das Gesamtvermögen als solches. Vielmehr können auch Rechtsgeschäfte über einen einzelnen Gegenstand § 1365 BGB unterfallen, wenn dieser Gegenstand das ganze oder nahezu das ganze Vermögen ausmacht. Letzteres ist bei größeren Vermögen in der Regel anzunehmen, wenn dem verfügenden Ehegatten Werte von weniger als 10 % seines ursprünglichen Gesamtvermögens verbleiben. Bei kleineren Vermögen (bis ca. 250.000 €) ist der Tatbestand des § 1365 BGB grundsätzlich nicht erfüllt, wenn dem verfügenden Ehegatten Werte von 15 % seines ursprünglichen Gesamtvermögens verbleiben.

Weitere Voraussetzung für die Zustimmungsbedürftigkeit ist, dass der Vertragspartner positiv weiß, dass es sich bei dem in Frage stehenden Gegenstand um das ganze oder nahezu ganze Vermögen des Ehegatten handelt, oder wenn der Erwerber zumindest die Verhältnisse kennt, aus denen sich dies ergibt. Da das Zustimmungserfordernis eine Ausnahme von der freien Verfügungsbefugnis des Ehegatten (§ 1364 BGB) darstellt, kann das Grundbuchamt grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Rechtsgeschäft über ein Grundstück auch bei im gesetzlichen Güterstand lebenden Eheleuten nicht eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen darstellt, dass also der Ausnahmefall des § 1365 Abs. 1 BGB nicht vorliegt. In solchen Fällen ist von der (Allein-)Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers auszugehen, es sei denn, das Grundbuchamt hat Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB oder aus den Eintragungsunterlagen bzw. aufgrund bekannter oder nach der Lebenserfahrung naheliegender Umstände besteht begründeter Anlass zu einer solchen Annahme. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte sowohl für das Vorliegen des objektiven als auch für das Vorliegen des subjektiven Tatbestands des § 1365 Abs. 1 BGB gegeben sind, darf das Grundbuchamt die Zustimmung des anderen Ehegatten oder den Nachweis weiteren Vermögens verlangen. Demgegenüber begründen bloße Zweifel oder abstrakte Vermutungen hinsichtlich des Umfangs des Vermögens und/oder der Kenntnis des Vertragspartners kein Recht und keine Pflicht des Grundbuchamts zu Nachforschungen von Amts wegen oder zur „vorbeugenden“ Anforderung einer Zustimmung des Ehegatten.

Solche konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 1365 Abs. 1 BGB, auf Grund derer das Grundbuchamt von der Antragstellerin durch Zwischenverfügung die Vorlage einer Genehmigung des Ehegatten oder einen Nachweis über weiteres Vermögen in der Form des § 29 GBO fordern durfte, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Weder die dem Grundbuchamt vorgelegte notarielle Urkunde über die Grundbuchbestellung vom 6.7.2022 noch sonstige Umstände gaben begründeten Anlass, die Verfügungsbefugnis der Antragstellerin in Zweifel zu ziehen und von Amts wegen Nachforschungen über weiteren Grundbesitz anzustellen. Der vorgelegten notariellen Urkunde lassen sich Anhaltspunkte für das Vorliegen der – objektiven und subjektiven – Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB nicht entnehmen. Vielmehr beruhen die von dem Grundbuchamt geäußerten Zweifel auf den Ergebnissen der von dort angestellten Ermittlungen. Insoweit hat das Grundbuchamt auf Basis des Bodenrichtwerts den Wert des nicht bebauten Grundstücks mit ca. 58.045 € ermittelt und ist danach zu der Auffassung gelangt, die Belastung mit dem Grundpfandrecht über 74.000 € übersteige den Verkehrswert des Grundstücks. Dies ist für sich genommen allerdings nicht geeignet, Zweifel an der Verfügungsbefugnis der Antragstellerin zu begründen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man das Ergebnis der – hier nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht gebotenen – weiteren Ermittlungen des Grundbuchamts hinzunimmt, wonach auf die Antragstellerin im Saarland kein weiterer Grundbesitz eingetragen war. Diese Umstände sind schon nicht geeignet, die Annahme zu begründen, die Antragstellerin verfüge über ihr Vermögen im Ganzen. Die gegenteilige Annahme des Grundbuchamts lässt insbesondere außer Acht, dass die Antragstellerin über weiteres Vermögen in Form von Sparvermögen, Grundstücken außerhalb des Saarlands oder sonstigen Vermögenswerten verfügen könnte. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin kein weiteres Vermögen in ausreichender Höhe besitzt, sind nicht ersichtlich und sind insbesondere auch nicht nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben.

Waren mithin schon keine Anhaltspunkte für das Vorliegen des objektiven Tatbestands des § 1365 Abs. 1 BGB gegeben, kommt es nicht mehr darauf an, ob das Grundbuchamt vorliegend von den Voraussetzungen des subjektiven Tatbestands des § 1365 Abs. 1 BGB ausgehen durfte, insbesondere ob auch ohne konkrete Anhaltspunkte generell angenommen werden kann, dass die Bank als Kreditgeberin stets umfassende Kenntnis von den Vermögensverhältnissen des Kreditnehmers – hier der Antragstellerin – haben müsse.


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