Schadensersatz bei Arbeitsunfall – Asbestbelastung
Autor: RAin FAinArbR Daniela Range-Ditz, Dr. Ditz und Partner, Rastatt
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2011
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2011
Hat ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz einen Personenschaden erlitten, haftet der Arbeitgeber nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Arbeitsunfalls. Der Arbeitgeber muss sich das vorsätzliche Handeln eines Erfüllungsgehilfen wie eigenes schuldhaftes Handeln zurechnen lassen, sofern dieses in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Aufgabenstellung steht.
BAG, Urt. v. 28.4.2011 - 8 AZR 769/09
Vorinstanz: LAG Sachsen-Anhalt - 9 Sa 348/08
BGB §§ 278, 618; ZPO §§ 233, 256; SGB VII §§ 104, 105; RVO u. Berufskrankheitenverordnung
Der Kläger erfuhr anlässlich einer ca. zehn Jahre später aufgetretenen Erkrankung, die jedoch nicht auf die Asbestbelastung zurückzuführen war, dass es durchschnittlich ca. 34,5 Jahre dauert, bis nach einer Asbestbelastung ein Tumor entsteht. Der Kläger begehrte daraufhin Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der Anweisung, an asbestfaserhaltigen Bauteilen tätig zu werden, zu ersetzen. Zu Recht?
Der Antrag sei auch begründet. Hier gelte nicht der erst 1997 in Kraft getretene § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, sondern noch § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO. Danach hafte der Arbeitgeber nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Arbeitsunfalls, um langwierige Auseinandersetzungen der Schadensregulierung zu verhindern und den Betriebsfrieden zu wahren. Der Arbeitgeber hafte gem. § 278 Satz 1 BGB allerdings auch für vorsätzliche Rechtsverletzungen der von ihm als Erfüllungsgehilfen eingesetzten Mitarbeiter. Voraussetzung hierfür sei, dass die schuldhafte Handlung des Erfüllungsgehilfen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben stehe, die der Arbeitgeber ihm zugewiesen habe.
Aus § 618 Abs. 1 BGB folge für die Beklagte die Pflicht, den Kläger nicht mit Tätigkeiten zu beauftragen, bei denen er einer Gesundheitsgefahr ausgesetzt sei. Durch die Anweisung des Abteilungsleiters, die Sanierungsarbeiten trotz der Asbestbelastung fortzusetzen, sei diese Pflicht vorsätzlich verletzt worden. Dieses Verschulden bei der Verletzungshandlung müsse sich die Beklagte wie eigenes zurechnen lassen. Allerdings stehe damit noch nicht der Vorsatz bzgl. des Verletzungserfolgs in Form der Herbeiführung eines möglichen Arbeitsunfalls fest. Insoweit müsse das LAG den Sachverhalt noch weiter aufklären.
BAG, Urt. v. 28.4.2011 - 8 AZR 769/09
Vorinstanz: LAG Sachsen-Anhalt - 9 Sa 348/08
BGB §§ 278, 618; ZPO §§ 233, 256; SGB VII §§ 104, 105; RVO u. Berufskrankheitenverordnung
Das Problem:
Die Beklagte hatte den Kläger bei der Sanierung eines asbestkontaminierten Gebäudes eingesetzt. Eine besondere Aufklärung über die Art und Weise der durchzuführenden Tätigkeiten unterblieb. Die Beklagte wies den Kläger auch nicht an, Schutzbekleidung und Atemschutzgeräte zu tragen. Nach mehrmonatiger Tätigkeit wurde bekannt, dass bei den Sanierungsarbeiten asbesthaltiger Staub freigesetzt worden ist und derartige Arbeiten nur von spezialisierten Unternehmen ausgeführt werden dürfen. Dennoch drängte der Vorgesetzte auf Fortsetzung der Arbeiten, bis das Gewerbeaufsichtsamt nach Auswertung von Proben die sofortige Einstellung der Arbeiten verfügte.Der Kläger erfuhr anlässlich einer ca. zehn Jahre später aufgetretenen Erkrankung, die jedoch nicht auf die Asbestbelastung zurückzuführen war, dass es durchschnittlich ca. 34,5 Jahre dauert, bis nach einer Asbestbelastung ein Tumor entsteht. Der Kläger begehrte daraufhin Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der Anweisung, an asbestfaserhaltigen Bauteilen tätig zu werden, zu ersetzen. Zu Recht?
Die Entscheidung des Gerichts:
Das BAG hat die Entscheidung zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen. Für das besondere Feststellungsinteresse sei nicht erforderlich, dass schon aktuell eine Gesundheitsverletzung des Klägers vorliege. Nachweislich habe der Kläger Asbest eingeatmet, so dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Gesundheitsschädigung bestehe.Der Antrag sei auch begründet. Hier gelte nicht der erst 1997 in Kraft getretene § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, sondern noch § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO. Danach hafte der Arbeitgeber nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Arbeitsunfalls, um langwierige Auseinandersetzungen der Schadensregulierung zu verhindern und den Betriebsfrieden zu wahren. Der Arbeitgeber hafte gem. § 278 Satz 1 BGB allerdings auch für vorsätzliche Rechtsverletzungen der von ihm als Erfüllungsgehilfen eingesetzten Mitarbeiter. Voraussetzung hierfür sei, dass die schuldhafte Handlung des Erfüllungsgehilfen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben stehe, die der Arbeitgeber ihm zugewiesen habe.
Aus § 618 Abs. 1 BGB folge für die Beklagte die Pflicht, den Kläger nicht mit Tätigkeiten zu beauftragen, bei denen er einer Gesundheitsgefahr ausgesetzt sei. Durch die Anweisung des Abteilungsleiters, die Sanierungsarbeiten trotz der Asbestbelastung fortzusetzen, sei diese Pflicht vorsätzlich verletzt worden. Dieses Verschulden bei der Verletzungshandlung müsse sich die Beklagte wie eigenes zurechnen lassen. Allerdings stehe damit noch nicht der Vorsatz bzgl. des Verletzungserfolgs in Form der Herbeiführung eines möglichen Arbeitsunfalls fest. Insoweit müsse das LAG den Sachverhalt noch weiter aufklären.