Scheidungsgegenantrag nur während Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags
Autor: Dr. Rainer Kemper, Universität Münster/Hochschule Osnabrück
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 08/2011
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 08/2011
Ein Antrag auf Scheidung der Ehe kann als Widerantrag nur während der Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags gestellt werden. Der Scheidungsantrag muss Ausführungen zum Scheidungsgrund enthalten.
KG, Beschl. v. 9.11.2010 - 18 UF 185/09
Vorinstanz: AG Pankow/Weißensee - 18 F 2683/06
ZPO §§ 33, 253, 269 Abs. 1, 622
Der Antrag des Ehemanns, die Ehe zu scheiden, könne zwar als nicht gegenläufiger Widerklageantrag i.S.d. § 33 ZPO verstanden werden. Ihm käme als Widerantrag aber nur dann eine den Rechtsstreit fortführende, d.h. die Rechtshängigkeit verlängernde, Bedeutung zu, wenn der Scheidungsantrag der Antragstellerin bei Erhebung, d.h. Zustellung des Gegenantrags, noch rechtshängig gewesen wäre. Sei der Scheidungsantrag – wie hier – dagegen schon vor der Zustellung des Gegenantrags wirksam zurückgenommen worden, fehle es an der Rechtshängigkeit der Klage als besonderer Prozessvoraussetzung für die Widerklage.
Der Schriftsatz des Ehemanns könne auch nicht als neuer eigenständiger Scheidungsantrag i.S.d. §§ 622, 253 ZPO angesehen werden, weil er die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht erfüllt habe. Insbesondere habe es an einer genauen Bezeichnung der Parteien und an Darlegungen zum Grund des Scheidungsantrags gefehlt. Inhalts- und Formerfordernisse der Antragsschrift sollten aber nicht nur Interessen der Parteien des Eherechtsstreits schützen, sondern bestünden auch im öffentlichen Interesse. Das stehe der Möglichkeit entgegen, das Fehlen einer ordnungsgemäßen Antragsschrift prozessual zu ersetzen. Für einen Scheidungsantrag könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass in dem Scheidungsantrag „stillschweigend” auf den ursprünglichen Scheidungsantrag der Antragsgegnerin Bezug genommen sei. Der Mangel der Antragsschrift des Ehemanns sei auch nicht gem. § 295 ZPO durch rügeloses Verhandeln der Parteien geheilt worden, weil zum Scheidungsantrag nicht streitig verhandelt worden sei.
KG, Beschl. v. 9.11.2010 - 18 UF 185/09
Vorinstanz: AG Pankow/Weißensee - 18 F 2683/06
ZPO §§ 33, 253, 269 Abs. 1, 622
Das Problem:
Der Ehemann begehrt die Scheidung seiner 1992 geschlossenen Ehe. Die Parteien leben zumindest seit Mai 2005 getrennt. Am 10.5.2006 hatte die Ehefrau zunächst Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt, der am 8.6.2006 zugestellt wurde. Diesen Antrag hat sie aber vor der mündlichen Verhandlung vor dem AG am 12.11.2008 zurückgenommen. Der Ehemann hat mit Schriftsatz vom 29.1.2007 ebenfalls die Scheidung beantragt. Dieser Antrag ist der Antragstellerin vor der Rücknahme ihres Scheidungsantrags nicht zugestellt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.1.2009 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Ehemanns dann diesen Scheidungsantrag gestellt. Die Ehefrau hat hierzu keinen Antrag gestellt und auch im Folgetermin am 14.9.2009 zu dem Scheidungsantrag keine Stellungnahme abgegeben, keinen Antrag gestellt und auch keine Zustimmung erklärt. In dem Termin wurde weiter die Folgesache Versorgungsausgleich erörtert sowie zum nachehelichen Unterhalt mit Antragstellung verhandelt. Das AG hat die Ehe der Parteien geschieden. Dagegen richtet sich die Berufung der Ehefrau.Die Entscheidung des Gerichts:
Die Berufung hatte Erfolg. Das KG hat die Entscheidung des AG aufgehoben, weil kein wirksamer Scheidungsantrag vorlag. Dabei wendet es auf den Fall das bis zum 1.9.2009 geltende Verfahrensrecht an, weil das Verfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurde (Art. 111 Abs. 1 FGG-RG). Die Ehefrau habe zwar zunächst einen wirksamen Scheidungsantrag gestellt, so dass die Scheidung mit seiner Zustellung an den Antragsgegner am 15.7.2006 rechtshängig geworden sei. Dieser Antrag sei jedoch wirksam noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 12.11.2008 zurückgenommen worden. Dazu sei die Einwilligung des Antragsgegners nicht notwendig gewesen, weil über den Antrag noch nicht mündlich verhandelt worden war (§ 622 Abs. 1, 269 Abs. 1 ZPO).Der Antrag des Ehemanns, die Ehe zu scheiden, könne zwar als nicht gegenläufiger Widerklageantrag i.S.d. § 33 ZPO verstanden werden. Ihm käme als Widerantrag aber nur dann eine den Rechtsstreit fortführende, d.h. die Rechtshängigkeit verlängernde, Bedeutung zu, wenn der Scheidungsantrag der Antragstellerin bei Erhebung, d.h. Zustellung des Gegenantrags, noch rechtshängig gewesen wäre. Sei der Scheidungsantrag – wie hier – dagegen schon vor der Zustellung des Gegenantrags wirksam zurückgenommen worden, fehle es an der Rechtshängigkeit der Klage als besonderer Prozessvoraussetzung für die Widerklage.
Der Schriftsatz des Ehemanns könne auch nicht als neuer eigenständiger Scheidungsantrag i.S.d. §§ 622, 253 ZPO angesehen werden, weil er die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht erfüllt habe. Insbesondere habe es an einer genauen Bezeichnung der Parteien und an Darlegungen zum Grund des Scheidungsantrags gefehlt. Inhalts- und Formerfordernisse der Antragsschrift sollten aber nicht nur Interessen der Parteien des Eherechtsstreits schützen, sondern bestünden auch im öffentlichen Interesse. Das stehe der Möglichkeit entgegen, das Fehlen einer ordnungsgemäßen Antragsschrift prozessual zu ersetzen. Für einen Scheidungsantrag könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass in dem Scheidungsantrag „stillschweigend” auf den ursprünglichen Scheidungsantrag der Antragsgegnerin Bezug genommen sei. Der Mangel der Antragsschrift des Ehemanns sei auch nicht gem. § 295 ZPO durch rügeloses Verhandeln der Parteien geheilt worden, weil zum Scheidungsantrag nicht streitig verhandelt worden sei.