Zu spät wegen Schnee und Glätte: Was Arbeitnehmer unbedingt beachten müssen

17.01.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Schnee,Glätte,Autos,Straße,Stau Was Arbeitnehmer bei Schnee und Eisglätte beachten müssen © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Arbeitspflicht: Auch bei Schnee und Eisglätte ist der Arbeitnehmer grundsätzlich dazu verpflichtet, pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen.

2. Anruf beim Chef: Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgeber unverzüglich informieren, wenn sie z.B. wegen Glätte oder Schnee nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen können.

3. Lohn trotz Ausfallzeit: Ohne Arbeit gibt es grundsätzlich keinen Lohn. Ist der Arbeitnehmer aber durch einen in seiner Person liegenden Grund vorübergehend daran gehindert, an der Arbeit zu erscheinen, muss der Chef trotzdem zahlen.

4. Abmahnung / Kündigung: Kommt ein Arbeitnehmer wegen Schnee oder Glätte mehrfach zu spät zur Arbeit, droht eine Abmahnung vom Chef. Im schlimmsten Fall flattert sogar die Kündigung ins Haus.
Blockieren Schnee und Eis die Straßen, ist kein schnelles Durchkommen möglich. Im Winter kommen viele Arbeitnehmer deswegen zu spät zur Arbeit. In schneereichen Bundesländern wie Bayern kann es sogar passieren, dass ein Arbeitnehmer für ein paar Tage ausfällt, da er in seinem Dorf eingeschneit ist. Was sind nun die Folgen für das Arbeitsverhältnis? Darf der Chef den Lohn kürzen – oder wegen der Verspätung eine Abmahnung aussprechen?

Welche Folgen haben Schnee und Glätte für die Arbeitspflicht?


Ein Winterbruch ändert an den Pflichten aus dem Arbeitsvertrag zunächst einmal gar nichts: Arbeitnehmer haben bei jedem Wetter pünktlich zur Arbeit zu kommen, also auch bei Schnee und Glätte. Wenn notwendig, müssen sie eben früher aufbrechen oder ein anderes Verkehrsmittel nutzen. Denn: Das "Wegerisiko" liegt beim Arbeitnehmer.
Allerdings gibt es auch Grenzen des Zumutbaren. So kann kein Arbeitgeber von seinen Angestellten verlangen, sich schon am Vorabend auf den Weg zu machen, um am nächsten Morgen pünktlich im Betrieb zu sein.

Schnee und Glätte: Muss der Arbeitgeber trotzdem den Lohn zahlen?


Der Arbeitgeber muss grundsätzlich die vereinbarte Vergütung nur bezahlen, wenn der Arbeitnehmer auch seine Arbeitsleistung erbracht hat. Es gilt der Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn.
Es gibt allerdings eine - einzige - Ausnahme: Der Lohn ist trotzdem zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet durch einen "in seiner Person liegenden Grund" für eine verhältnismäßig geringe Zeit vorübergehend daran gehindert ist, zur Arbeit zu erscheinen. Dies geht aus § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hervor. Solche anerkannten Gründe sind zum Beispiel:

- eine Erkrankung,
- ein während der Arbeitszeit notwendiger Arztbesuch,
- ein Umzug (unter bestimmten Umständen),
- eine gerichtliche Vorladung etwa als Zeuge (nicht, wenn der Arbeitnehmer selbst als Kläger in einem Zivilprozess auftritt),
- eine wichtige familiäre Angelegenheit (Geburt, Hochzeit, Beerdigung),
- die Betreuung der Kinder, wenn die Kita schließt oder die Schule Fernunterricht macht,

"In seiner Person liegend" bedeutet, dass es um etwas gehen muss, was den Arbeitnehmer persönlich betrifft, jedoch nicht die Allgemeinheit oder die gesamte Stadt. Wenn also etwa durch einen Schneesturm oder Eisglätte der komplette öffentliche Nahverkehr ausfällt oder die Straßen per Auto nur noch im Schritttempo passierbar sind, betrifft dies die Allgemeinheit: Alle haben das gleiche Problem. Der Grund für die Verspätung stammt also nicht aus dem persönlichen Bereich des Mitarbeiters.

Die Folge ist: Der Arbeitgeber muss für Zeiten, in denen seine Beschäftigten schnee- oder glättebedingt ausfallen, keinen Lohn zahlen – außer, diese arbeiten die entsprechenden Zeiten nach.

Sonderregelungen dazu sind jedoch möglich und können in einer Betriebsvereinbarung, einem Tarifvertrag und auch im Arbeitsvertrag vereinbart werden.

Können auch Schnee und Eisglätte eine solche Ausnahme begründen?


In manchen Fällen kann jedoch das Winterwetter durchaus einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Verspätungsgrund verursachen. Dies ist etwa bei einem unverschuldeten Unfall der Fall. Wenn der PKW eines Arbeitnehmers auf der Fahrt in die Arbeit bei Schnee oder Glatteis von einem anderen Verkehrsteilnehmer gerammt wird, ohne dass der Arbeitnehmer daran eine Schuld trägt, stellt dies einen persönlichen Verhinderungsgrund dar. Der Beschäftigte hat dann Anspruch auf Lohnzahlung für die Verspätungszeit. Ebenso, wenn die Kita wegen des Winterwetters schließt, oder die Schule auf Fernunterricht umstellt und die Kinder zuhause betreut werden müssen.

Sind Arbeitnehmer zum Nacharbeiten von Ausfallzeiten verpflichtet?


Ob Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmern verlangen können, die wegen Schnee oder Eisglätte ausgefallene Arbeitszeit nachzuholen, ist nicht eindeutig festgelegt. Dies hängt von mehreren Faktoren ab. Beispielsweise muss eine derartige Nacharbeit überhaupt möglich und sinnvoll sein. Schließlich bringt es gar nichts, wenn ein einzelner Fabrikarbeiter abends allein in der Werkhalle steht. Zusätzlich muss sich alles noch in zumutbarem Rahmen abspielen. Dies wird in der Regel bei einer Gleitzeitvereinbarung der Fall sein. In anderen Fällen ist Nacharbeiten jedoch nicht zumutbar. Arbeitet zum Beispiel eine Mutter in Teilzeit, weil sie ihr Kind immer zu einer bestimmten Zeit aus der Kita abholen muss, kann der Chef von ihr nicht verlangen, länger zu bleiben.

Was gilt für durch Schnee und Glätte bedingte Betriebsstörungen?


Kann im Betrieb deshalb nicht gearbeitet werden, weil das Winterwetter technische Probleme verursacht, behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Lohnzahlung. Schließlich hat er seine Arbeitsleistung dem Arbeitgeber angeboten und konnte diese nicht erbringen. Eine solche wetterbedingte Situation wegen Schnee und Glätte fällt unter das Betriebsrisiko. Dieses liegt beim Arbeitgeber.

Wann gibt es eine Abmahnung wegen Zuspätkommens?


Abgemahnt kann ein Arbeitnehmer werden, wenn er gegen die Pflichten aus seinem Arbeitsvertrag verstoßen hat. Es muss sich jedoch um einen schuldhaften (also vorsätzlichen oder fahrlässigen) Verstoß handeln. Hier kommt es stark auf den Einzelfall an: Kommt es zu einer Verspätung allein durch Schnee oder Glätte, ist im Normalfall noch keine Abmahnung gerechtfertigt. Hält das Winterwetter einige Tage an, muss sich der Arbeitnehmer jedoch darauf einstellen, früher losfahren oder ein anderes Verkehrsmittel wählen. Nutzt er vorhandene Möglichkeiten nicht, um pünktlich zur Arbeit zu kommen, oder bleibt er gar wegen Schnee und Eisglätte gleich ganz im Bett, kann eine Abmahnung gerechtfertigt sein. Denn, wie erwähnt: Das Wegerisiko liegt beim Arbeitnehmer.

Verspätung wegen Schnee und Eis: Ist sogar eine Kündigung möglich?


Wiederholte Verspätungen können sogar ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung sein. Zuvor ist allerdings eine Abmahnung erforderlich. Nach dem Bundesarbeitsgericht gilt: Bei unentschuldigtem Fernbleiben des Arbeitnehmers braucht der Arbeitgeber für eine verhaltensbedingte (fristlose) Kündigung nicht nachzuweisen, dass der Betriebsablauf gestört wurde. Er darf jedoch erst nach einer erfolglosen Abmahnung kündigen (Urteil vom 15.3.2001, Az. 2 AZR 147/00). Nähere Informationen zur Abmahnung finden Sie hier:
Arbeitsrecht: Wann darf der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen?

Praxistipp zum Verhalten bei Schnee und Glätte


Bei Verspätungen infolge winterlicher Straßenverhältnisse bieten viele Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern an, die versäumte Arbeitszeit nachzuarbeiten oder als Urlaub zu verbuchen. So können Lohnkürzungen vermieden werden. Arbeitnehmer sollten ihrem Chef auf jeden Fall unverzüglich Bescheid geben, wenn sie wegen Schnee oder Eisglätte zu spät zur Arbeit kommen. Gibt es Streit mit dem Arbeitgeber über den Grund einer Verspätung oder wird diese als Kündigungsgrund genutzt, hilft ein Fachanwalt für Arbeitsrecht.

(Bu)


 Stephan Buch
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