Schriftform: Beurkundungsbedürftigkeit eines einseitigen Kündigungsverzichts
Autor: RA Dr. Rainer Burbulla, Grooterhorst & Partner Rechtsanwälte mbB, Düsseldorf
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 06/2016
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 06/2016
Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts für mehr als ein Jahr bedarf der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB.
OLG München, Urt. v. 7.4.2016 - 23 U 3162/15
Vorinstanz: LG München II - 4 HKO 165/15
BGB §§ 550 Satz 1, 126, 242
Die Vereinbarung eines Kündigungsverzichts habe die Mieterin zunächst nicht nachgewiesen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Vermieterin einen Kündigungsverzicht für die Dauer von 5 Jahren gegenüber der Mieterin erklärt hätte, wäre dieser allerdings auch wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis gem. §§ 550 Satz 1, 126 BGB unwirksam. Ein über mehrere Jahre wirkender Kündigungsausschluss stelle einen wesentlichen Vertragsinhalt dar, der den Kernbereich des Mietvertrages betreffe. Dies gelte auch für eine einseitige Kündigungsverzichtserklärung des Vermieters. Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts für mehr als ein Jahr bedürfe daher der Schriftform (Hinweis auf BGH v. 8.12.1959 – VIII ZR 164/58, MDR 1960, 221 = NJW 1960, 475). Auf die im Mietvertrag vereinbarte doppelte Schriftformklausel komme es daher nicht an. Diese halte zudem einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand und sei daher unwirksam.
Die Kündigung sei auch nicht treuwidrig gem. § 242 BGB. Nur in Ausnahmefällen und beim Vorliegen besonderer Umstände könne eine rechtsmissbräuchliche Berufung auf einen Schriftformverstoß bejaht werden. Dies wäre der Fall, wenn der eine Vertragsteil den anderen arglistig oder sonst schuldhaft von der Beobachtung der Formvorschrift abgehalten oder sich anderweitig einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hätte oder wenn bei Formnichtigkeit des Vertrages die Existenz des Vertragspartners bedroht wäre (Hinweis auf BGH v. 24.1.1990 – VIII ZR 296/88, MDR 1990, 711 = NJW-RR 1990, 518). Derartige Umstände lägen nicht vor. Ein Auszug hätte zwar für die Mieterin berufliche, familiäre und schulische Nachteile zur Folge. Eine Existenzgefährdung sei hiermit aber nicht verbunden. Daraus, dass die Mieterin bereits Investitionen i.H.v. 200.000 € getätigt habe, ergebe sich nichts anderes. Denn das Risiko, dass sich Aufwendungen im Falle einer berechtigten Kündigung durch den Vermieter ganz oder teilweise als wirtschaftlich sinnlos erweisen, trage die Mieterin (Hinweis auf OLG Köln v. 12.6.2001 – 3 U 172/00, ZMR 2001, 963).
OLG München, Urt. v. 7.4.2016 - 23 U 3162/15
Vorinstanz: LG München II - 4 HKO 165/15
BGB §§ 550 Satz 1, 126, 242
Das Problem
Die Vermieterin vermietete an die Mieterin Geschäftsräume. Im Mietvertrag ist als Mietbeginn der 15.1.2014 eingetragen. Unter § 4 „Mietzeit” sind folgende Rubriken handschriftlich angekreuzt: „wird auf unbestimmte Zeit geschlossen (unbefristet)”, „Die ordentliche Kündigung ist jederzeit” sowie „mit einer Frist von ... möglich”. Handschriftlich eingefügt ist zwischen „von” und „möglich”: „drei Monaten von Seiten des Mieters”. Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis ordentlich. Die Mieterin beruft sich darauf, dass sich die Parteien (mündlich) auf einen Kündigungsverzicht der Vermieterin von 5 Jahren geeinigt hätten. Weiterhin sei die Kündigung treuwidrig. Die Vermieterin beruft sich u.a. auf die im Mietvertrag enthaltene doppelte Schriftformklausel. Sie verlangt mit ihrer Klage Räumung und Herausgabe.Die Entscheidung des Gerichts
Der Senat bejaht einen Räumungs- und Herausgabeanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB. Die (ordentliche) Kündigung habe den unbefristeten Mietvertrag beendet.Die Vereinbarung eines Kündigungsverzichts habe die Mieterin zunächst nicht nachgewiesen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Vermieterin einen Kündigungsverzicht für die Dauer von 5 Jahren gegenüber der Mieterin erklärt hätte, wäre dieser allerdings auch wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis gem. §§ 550 Satz 1, 126 BGB unwirksam. Ein über mehrere Jahre wirkender Kündigungsausschluss stelle einen wesentlichen Vertragsinhalt dar, der den Kernbereich des Mietvertrages betreffe. Dies gelte auch für eine einseitige Kündigungsverzichtserklärung des Vermieters. Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts für mehr als ein Jahr bedürfe daher der Schriftform (Hinweis auf BGH v. 8.12.1959 – VIII ZR 164/58, MDR 1960, 221 = NJW 1960, 475). Auf die im Mietvertrag vereinbarte doppelte Schriftformklausel komme es daher nicht an. Diese halte zudem einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand und sei daher unwirksam.
Die Kündigung sei auch nicht treuwidrig gem. § 242 BGB. Nur in Ausnahmefällen und beim Vorliegen besonderer Umstände könne eine rechtsmissbräuchliche Berufung auf einen Schriftformverstoß bejaht werden. Dies wäre der Fall, wenn der eine Vertragsteil den anderen arglistig oder sonst schuldhaft von der Beobachtung der Formvorschrift abgehalten oder sich anderweitig einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hätte oder wenn bei Formnichtigkeit des Vertrages die Existenz des Vertragspartners bedroht wäre (Hinweis auf BGH v. 24.1.1990 – VIII ZR 296/88, MDR 1990, 711 = NJW-RR 1990, 518). Derartige Umstände lägen nicht vor. Ein Auszug hätte zwar für die Mieterin berufliche, familiäre und schulische Nachteile zur Folge. Eine Existenzgefährdung sei hiermit aber nicht verbunden. Daraus, dass die Mieterin bereits Investitionen i.H.v. 200.000 € getätigt habe, ergebe sich nichts anderes. Denn das Risiko, dass sich Aufwendungen im Falle einer berechtigten Kündigung durch den Vermieter ganz oder teilweise als wirtschaftlich sinnlos erweisen, trage die Mieterin (Hinweis auf OLG Köln v. 12.6.2001 – 3 U 172/00, ZMR 2001, 963).