Stärkere Rechte für Diskriminierungskläger

Autor: RA FAArbR Dr. Detlef Grimm, RA Dr. Jonas Kühne,Loschelder Rechtsanwälte, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 11/2016
Die „objektive Eignung” des Bewerbers ist nicht mehr Voraussetzung für einen Anspruch nach § 15 AGG.

BAG, Urt. v. 19.5.2016 - 8 AZR 470/14

Vorinstanz: LAG Hamburg - 2 Sa 50/13

AGG §§ 3, 11, 15, 22

Das Problem

Der Kläger – ein aus der Presse bekannter Diskriminierungskläger – macht Entschädigungsansprüche wegen Altersdiskriminierung geltend, nachdem die beklagte Rechtsanwaltskanzlei seine Bewerbung ohne Einladung zum Vorstellungsgespräch abgelehnt hatte.

Die Beklagte hatte aufgrund einer Stellenanzeige Rechtsanwälte mit „0 – 2 Jahren Berufserfahrung” für ihr „junges und dynamisches Team” gesucht, die in den Rechtsgebieten Immobilienwirtschaftsrecht und öffentliches Wirtschaftsrecht arbeiten sollten. Einstellungsvoraussetzungen waren zwei Prädikatsexamina. Der 1953 geborene und seit 1988 als Rechtsanwalt zugelassene Kläger hatte seine Examina lediglich mit je 7 Punkten abgeschossen und sich mit keinem der Rechtsgebiete schwerpunktmäßig befasst. In seinem formelhaften Bewerbungsschreiben begründete er ein Interesse an den Rechtsgebieten auch nicht näher. Das LAG Hamburg hatte die Berufung gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts mangels objektiver Eignung des Klägers für die ausgeschriebene Stelle und wegen Rechtsmissbrauchs zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG hob das Urteil des LAG auf und wies die Sache zurück. Dabei gab es seine bisherige Rechtsprechung, nach der die „objektive Eignung” eines Bewerbers für die ausgeschriebene Stelle Voraussetzung von Entschädigungsansprüchen war (z.B. BAG, Urt. v. 14.11.2013 – 8 AZR 997/12, ArbRB online), nun ausdrücklich auf. Diese Voraussetzung würde die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen übermäßig erschweren und müsse nicht mehr erfüllt sein.

In der Bewerbung sah das BAG auch keinen Rechtsmissbrauch, da an diesen Einwand besonders strenge Anforderungen zu stellen seien. Weder das formelhafte Bewerbungsschreiben noch der Umstand, dass der Kläger in einem Jahr 16 Entschädigungsklagen erhoben habe, würden angesichts dieser strengen Anforderungen ausreichend indizieren, dass die Bewerbung mit dem ausschließlichen Ziel erfolgt sei, Entschädigungsansprüche geltend zu machen.

Für den Fall, dass das LAG nach der Zurückverweisung einen Verstoß der Stellenausschreibung gegen § 11 AGG feststelle, der zu einer Vermutung der Altersdiskriminierung führe, macht das BAG vorab deutlich, dass hohe Anforderungen an deren Widerlegung zu stellen sein. Die Beklagte könne zwar darlegen, dass sie in einem vorgelagerten Verfahrensschritt Bewerbungen ausnahmslos nach bestimmten zulässigen Anforderungen aussortiert habe. Sie müsse dazu allerdings im Einzelnen dartun, wie viele Bewerbungen eingegangen und aus welchen Gründen einzelne Bewerber aus dem Auswahlverfahren ausgenommen worden seien.


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