Unwirksamkeit einer pauschalen Abgeltung von Überstundenvergütung

Autor: RA FAArbR Dr. Henning Hülbach, Rechtsanwälte Verweyen Lenz-Voß Boisserée, Köln, Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht (FH Köln)
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 08/2012
Eine Klausel in AGB, wonach der Arbeitnehmer bei betrieblichem Erfordernis ohne zusätzliche Vergütung zur Leistung von Überstunden verpflichtet ist, ist unwirksam. Ob dann eine Vergütung geschuldet ist, hängt entsprechend § 612 Abs. 1 BGB davon ab, ob die Überstunden nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind.Arbeitnehmer, deren Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigt, können sich regelmäßig auf eine solche objektive Vergütungserwartung nicht berufen.

BAG, Urt. v. 22.2.2012 - 5 AZR 765/10

Vorinstanz: LAG Sachsen-Anhalt - 6 Sa 63/10

BGB §§ 307 Abs. 1 Satz 2, 612 Abs. 1

Das Problem:

In dem von der Beklagten formulierten Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise:

4.3 Der Arbeitnehmer ist bei betrieblichem Erfordernis auch zur Mehrarbeit sowie Sonntags- und Feiertagsarbeit verpflichtet.

4.4. Der Arbeitnehmer erhält für die Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung.

Im April 2009 machte der Kläger Vergütung für 968 zwischen 2006 und 2008 geleistete Überstunden geltend. Das LAG hatte der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das BAG weist die Revision zurück. Entsprechend § 612 Abs. 1 BGB könne der Kläger für die geleisteten Überstunden Vergütung beanspruchen.

Es fehle an einer Vergütungsabrede. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Regelung sei gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da sie nicht klar und verständlich sei. Das geltende Transparenzgebot erfordere, dass sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebe, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang erfasst werden sollten. Die streitgegenständliche Klausel erfülle diese Anforderungen in mehrfacher Hinsicht nicht: Es sei sowohl unklar, welche zeitliche Höchstgrenze in Bezug auf zu leistende Überstunden gelten solle, als auch, ob auch das Arbeitszeitgesetz überschreitende Zeiten erfasst würden. Zudem seien die Voraussetzungen der Verpflichtung zur Leistung von Überstunden („bei betrieblichem Erfordernis”) zu vage.

Es gebe allerdings keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit, die über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehe, zu vergüten sei. Daher sei zu ermitteln, ob eine Vergütungserwartung i.S.v. § 612 Abs. 1 BGB bestehe. Maßgeblich hierfür sei ein objektiver Maßstab unter Berücksichtigung
  • der Verkehrssitte,
  • der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie
  • der Stellung der Beteiligten zueinander.
Insbesondere da, wo Dienste höherer Art geschuldet seien oder eine deutlich hervorgehobene Vergütung gezahlt werde, sei diese Erwartungshaltung im Regelfall nicht gegeben. Letzteres gelte insbesondere dann, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreite. Im Streitfall bestehe aber bei Anwendung eines objektiven Beurteilungsmaßstabs die entsprechend § 612 Abs. 1 BGB erforderliche Vergütungserwartung.


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