Werbung gegenüber (Einser-)Schülern muss nicht unzulässig sein
Autor: Dr. Stephan Bahner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Osborne Clarke, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2015
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2015
Eine unmittelbare Aufforderung zum Kauf gem. Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG liegt nicht vor, wenn in der Werbung kein konkretes Produkt genannt, sondern das gesamte Warensortiment beworben wird. Die im Rahmen einer „Zeugnisaktion” an Schulkinder gerichtete Werbung mit einem Preisnachlass für jede Eins im Zeugnis verstößt nicht gegen § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG, wenn aufgrund der Werbung der Umfang der Preisermäßigung klar erkennbar ist.
BGH, Urt. v. 3.4.2014 - I ZR 96/13 „Zeugnisaktion”
Vorinstanz: OLG München, Urt. v. 6.12.2012 - 6 U 3496/12
Vorinstanz: LG Passau, Urt. v. 26.7.2012 - 3 O 843/11
UWG § 3 Abs. 3 Anh. Nr. 28, § 4 Nr. 1, 2
Mit jedem Einser [...] kannst du bares Geld sparen! Komm damit zu [...] und kassier beim Kauf eines Produktes deiner Wahl für jede Eins € 2.
Der Dachverband der Verbraucherzentralenhält diese Werbung für wettbewerbswidrig, weil sie die unmittelbare Aufforderung an Kinder enthalte, selbst die beworbene Ware zu erwerben (Nr. 28 Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG). Weiter liege ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG vor.
Kein hinreichender Produktbezug, Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG: Der BGH bejaht zwar eine auch an Kinder gerichtete Werbung und sogar einen an sie gerichteten Kaufappell, weil alle Schüler angesprochen würden, die gerade ihr Sommerzeugnis bekommen haben. Auch die Schüler im Kindesalter seien potentielle Kunden der Elektromarktbetreiberin. Allerdings fehle es an einem hinreichenden Produktbezug der Aufforderung, weil das gesamte Warensortiment der Betreiberin beworben werde. Nach dem Wortlaut der Bestimmung müsse sich der Kaufappell dagegen auf ein oder mehrere konkrete Produkte richten.
Keine unzulässige Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit, § 4 Nr. 1 UWG: Es werde kein unangemessener Druck auf die Schulkinder ausgeübt, weil die Aktion auf zwei Tage befristet war. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass Kinder durch Werbung leichter zu beeinflussen seien als Erwachsene, habe auch die versprochene Preisreduzierung keinen hinreichenden Einfluss auf die Rationalität der Nachfrageentscheidung der angesprochenen Kinder. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die Betreiberin mit ihrer Werbung den Stolz und Ehrgeiz der Adressaten ausnutze. Hierbei handele es sich nicht um solche aggressiven Geschäftspraktiken, die von Art. 8 und 9 der UGP-Richtlinie umfasst seien.
Keine Ausnutzung der Unerfahrenheit, § 4 Nr. 2 UWG: Die Werbung lasse das angesprochene Schulkind nicht im Unklaren, welche Ermäßigungen es aufgrund seines Zeugnisses erlangen kann. Es sei auch sonst nicht ersichtlich, dass die Preisreduzierung von 2 € für jede Eins die Entscheidungsfreiheit eines Schulkindes derart beeinflusst, dass bei der Kaufentscheidung rationale Kriterien wie Bedarf, finanzielle Belastung, Qualität und Preiswürdigkeit des Angebots vollständig in den Hintergrund treten.
BGH, Urt. v. 3.4.2014 - I ZR 96/13 „Zeugnisaktion”
Vorinstanz: OLG München, Urt. v. 6.12.2012 - 6 U 3496/12
Vorinstanz: LG Passau, Urt. v. 26.7.2012 - 3 O 843/11
UWG § 3 Abs. 3 Anh. Nr. 28, § 4 Nr. 1, 2
Das Problem
Die Betreiberin einer großen Elektro-Fachmarktkette in Passau bewarb in einem Wochenblatt eine „Zeugnisaktion am 29./30. Juli”. In der Anzeige hieß es u.a.:Mit jedem Einser [...] kannst du bares Geld sparen! Komm damit zu [...] und kassier beim Kauf eines Produktes deiner Wahl für jede Eins € 2.
Der Dachverband der Verbraucherzentralenhält diese Werbung für wettbewerbswidrig, weil sie die unmittelbare Aufforderung an Kinder enthalte, selbst die beworbene Ware zu erwerben (Nr. 28 Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG). Weiter liege ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG vor.
Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH folgt den Vorinstanzen und weist die Klage ab.Kein hinreichender Produktbezug, Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG: Der BGH bejaht zwar eine auch an Kinder gerichtete Werbung und sogar einen an sie gerichteten Kaufappell, weil alle Schüler angesprochen würden, die gerade ihr Sommerzeugnis bekommen haben. Auch die Schüler im Kindesalter seien potentielle Kunden der Elektromarktbetreiberin. Allerdings fehle es an einem hinreichenden Produktbezug der Aufforderung, weil das gesamte Warensortiment der Betreiberin beworben werde. Nach dem Wortlaut der Bestimmung müsse sich der Kaufappell dagegen auf ein oder mehrere konkrete Produkte richten.
Keine unzulässige Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit, § 4 Nr. 1 UWG: Es werde kein unangemessener Druck auf die Schulkinder ausgeübt, weil die Aktion auf zwei Tage befristet war. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass Kinder durch Werbung leichter zu beeinflussen seien als Erwachsene, habe auch die versprochene Preisreduzierung keinen hinreichenden Einfluss auf die Rationalität der Nachfrageentscheidung der angesprochenen Kinder. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die Betreiberin mit ihrer Werbung den Stolz und Ehrgeiz der Adressaten ausnutze. Hierbei handele es sich nicht um solche aggressiven Geschäftspraktiken, die von Art. 8 und 9 der UGP-Richtlinie umfasst seien.
Keine Ausnutzung der Unerfahrenheit, § 4 Nr. 2 UWG: Die Werbung lasse das angesprochene Schulkind nicht im Unklaren, welche Ermäßigungen es aufgrund seines Zeugnisses erlangen kann. Es sei auch sonst nicht ersichtlich, dass die Preisreduzierung von 2 € für jede Eins die Entscheidungsfreiheit eines Schulkindes derart beeinflusst, dass bei der Kaufentscheidung rationale Kriterien wie Bedarf, finanzielle Belastung, Qualität und Preiswürdigkeit des Angebots vollständig in den Hintergrund treten.