Widerruf und Reichweite der Einwilligung nach § 22 KUG

Autor: RA Prof. Dr. Elmar Schuhmacher, Lungerich Lenz Schuhmacher, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2011
Wer einem Fernsehsender ein Interview gewährt, muss damit rechnen, dass der Filmbeitrag mit dem Interview auch im Internet verbreitet wird. Die Weiterverbreitung eines solchen Interviews im Rahmen eines neuen Beitrags stellt keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, wenn die Filmaufnahmen im Zusammenhang mit den Themen des Interviews verwendet werden. Der Widerruf einer nach § 22 KUG erteilten Einwilligung kommt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes bzw. „gewichtige Gründe” oder bei Änderung der inneren Einstellung des Betroffenen in Betracht.

OLG Frankfurt, Urt. v. 24.2.2011 - 16 U 172/10 (rkr.)

Vorinstanz: LG Frankfurt/M., Urt. v. 3.9.2010 - 2-03 O 138/10

GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1; BGB §§ 823 Abs. 1, 2 i.V.m. 1004 Abs. 1, 2 analog; KUG §§ 22, 23

Das Problem:

Ein Rechtsanwalt hat auf entsprechende Anfrage für ein Fernsehmagazin ein Interview gegeben, welches sich zu einem konkreten Fall einer abgemahnten Urheberrechtsverletzung verhielt. Daneben befassen sich seine Äußerungen auch allgemein mit der Beweislage für Urheberrechtsverletzungen von Abgemahnten. Das Interview wurde später auch für einen weiteren Fernsehbericht genutzt, der sich kritisch mit dem Thema „Abmahnindustrie” beschäftigte und der auch im Internet verbreitet wurde. Daraufhin erklärte der Rechtsanwalt den Widerruf seiner konkludent erteilten Einwilligung und verlangte im Wege der einstweiligen Verfügung u.a. die Unterlassung der weiteren Verbreitung der Filmaufnahmen mit seinem Bildnis im Rahmen des neuen Beitrags.

Nachdem das erstinstanzliche Gericht die insoweit zunächst ergangene einstweilige Verfügung wieder aufgehoben und den Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen hatte, legte der Rechtsanwalt hiergegen Berufung ein.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG wies die Berufung des Rechtsanwalts zurück.

Konkludente Einwilligung nicht auf Ausstrahlung im Fernsehen beschränkt: Die Einwilligung in das Interview sei zunächst als konkludente Einwilligung auch in die Verbreitung des Interviews anzusehen. Diese sei auch nicht beschränkt auf eine Ausstrahlung im Fernsehen gewesen. Gerade bei Sendungen, die sich an computer- und technikinteressierte Zuschauer wenden, sei von deren Erwartung auszugehen, dass Filmbeiträge auch im Internet zur Verfügung gestellt werden. Eine Person, die einem Fernsehsender ein Interview gewährt, müsse daher damit rechnen, dass der Filmbeitrag mit dem Interview auch im Internet verbreitet wird. Auch sei die Einwilligung nicht dahingehend beschränkt gewesen, die Interviewaufnahmen nur im Zusammenhang mit dem konkreten Fall zu verwenden, da sich die Äußerungen auch allgemein mit den Beweisen für Urheberrechtsverletzungen der Abgemahnten befasst hätten. Letzteres hätte nur so aufgefasst werden können, dass das Interview im Zusammenhang mit den Fragestellungen veröffentlicht werden dürfe, zu denen sich vor der Kamera geäußert worden sei.

Widerruf nicht wirksam erfolgt: Unabhängig vom Streit um den Rechtscharakter der Einwilligung (rechtsgeschäftliche bzw. rechtsgeschäftsähnliche Erklärung oder Realakt) sei ein Widerruf vorliegend nicht wirksam erfolgt. Dieser käme jedenfalls nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes bzw. „gewichtige Gründe” oder bei einer Änderung der inneren Einstellung des Betroffenen in Betracht. Diese Voraussetzungen seien hier aber nicht gegeben. Der eigentliche Grund des Widerrufs, mit dem kritischen Inhalt des Fernsehberichts nicht einverstanden zu sein, rechtfertige den Widerruf der Einwilligung nicht, da nach der Rspr. des BVerfG, des BGH und des Gerichts niemand einen Anspruch darauf habe, von anderen so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder gesehen werden möchte.


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