Wucherähnliches eBay-Gebot

Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Carsten Intveen, Höcker Rechtsanwälte, Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 08/2012
Aus dem geringen Startpreis bei einer Internetauktion ergeben sich keine Rückschlüsse auf den Wert des Versteigerungsobjekts. Auch bei einer Internetauktion kann aufgrund der Angebotsbeschreibung eine Beschaffenheitsvereinbarung zustande kommen, was im Einzelfall zu beurteilen ist.

BGH, Urt. v. 28.3.2012 - VIII ZR 244/10

Vorinstanz: OLG Saarbrücken, Urt. v. 26.8.2010 - 8 U 472/09-122
Vorinstanz: LG Saarbrücken, Urt. v. 21.8.2009 - 12 O 75/09

BGB §§ 138, 156

Das Problem:

Ein Kaufinteressent gab für ein bei eBay angebotenes Luxus-Handy ein Maximalgebot von 1.999 € ab und erhielt für 782 € den Zuschlag. Die Annahme des ersteigerten Mobiltelefons verweigerte er mit der Begründung, es handle sich um ein Plagiat. Der Käufer verlangt Schadensersatz in Höhe des behaupteten Werts eines Originals des Luxus-Handys (24.000 €) abzgl. des von ihm gezahlten Kaufpreises.

Die Entscheidung des Gerichts:

Grundsätzlich könne der Schadensersatzanspruch bestehen.

Keine Nichtigkeit: Der Kaufvertrag sei nicht ohne Weiteres als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig, § 138 Abs. 1 BGB. Zwar sei Sittenwidrigkeit gegeben, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen der versprochenen Vergütung und dem Wert der dafür zu erbringenden Leistung bestehe und weitere Umstände, wie z.B. eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit des Partners, hinzuträten. Bestehe ein grobes, besonders krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, so rechtfertige dies regelmäßig den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragsteils und damit auf den sittenwidrigen Charakter des Rechtsgeschäfts. Ein solches Missverhältnis werde etwa bei Grundstückskaufverträgen angenommen, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch sei wie der der Gegenleistung. Diese Grundsätze seien aber nicht auf Internetauktionen anwendbar. Denn die Situation einer Internetversteigerung unterscheide sich grundlegend von den bisher entschiedenen Fällen, in denen sich in den Vertragsverhandlungen, die zu den Zugeständnissen der objektiv benachteiligten Seite führten, nur die Vertragspartner gegenüber gestanden hätten. So mache es gerade den Reiz einer (Internet-)Auktion aus, mit der Abgabe eines zunächst niedrigen Gebots die Chance wahrzunehmen, den Auktionsgegenstand zum „Schnäppchenpreis” zu erwerben, während umgekehrt der Anbieter die Chance wahrnehme, durch den Mechanismus des Überbietens am Ende einen für ihn vorteilhaften Kaufpreis zu erzielen. Für den Bieter könne es daher durchaus taktische Gründe geben, zunächst nicht sein äußerstes Höchstgebot anzugeben.

Beschaffenheitsvereinbarung: Eine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts, dass es sich bei dem angebotenen Mobiltelefon um ein Original handle, könne auch bei eBay getroffen werden. Diese scheitere nicht schon wegen des vom Anbieter gewählten Startpreises von 1 €. Denn auch dem Startpreis sei angesichts der Besonderheiten einer Internetauktion im Hinblick auf den Wert des angebotenen Gegenstands grundsätzlich kein Aussagegehalt zu entnehmen. Der bei Internetauktionen erzielbare Preis sei vom Startpreis völlig unabhängig, da er aus den Maximalgeboten der Interessenten gebildet werde, so dass auch Artikel mit einem sehr geringen Startpreis einen hohen Endpreis erzielen könnten. Ob durch die Angebotsbeschreibung eine Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen worden sei, erfordere vielmehr eine umfassende Würdigung der abgegebenen Willenserklärungen unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls.


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