Yelp: Müssen alle abgegebenen Bewertungen in die Gesamtnote einfließen?

24.01.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
Sterne,Kundenbewertung,Internet Bewertungen im Internet: Kann man sich darauf verlassen? © - freepik

Das Online-Bewertungsportal Yelp erstellt - wie auch andere solche Portale - eine Gesamtbewertung. In diese fließen jedoch nicht alle abgegebenen Bewertungen ein. Ist dieses Vorgehen rechtens?

Verbraucher können auf Bewertungsportalen wie Yelp zum Beispiel Gastronomiebetriebe, Hotels, Geschäfte oder Handwerker bewerten. Die Nutzer der Portale sehen ganz oben eine Gesamtbewertung in Sternen und können dann weiter unten im Einzelnen nachlesen, was Kunden zu dem betreffenden Unternehmen geschrieben haben. Bewertungsportale sind eine gute Möglichkeit, sich einen ersten Eindruck darüber zu verschaffen, was einen als Kunden erwartet. Aber: Die Gesamtbewertung wird durch einen Algorithmus berechnet, der nicht alle abgegebenen Bewertungen einbezieht. Wie funktioniert so etwas und ist das erlaubt? Immerhin sollte man als Laie denken, dass sich die Gesamtbewertung aus dem Durchschnitt aller abgegebenen Einzelbewertungen ergibt. Zu dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof geäußert.

Welches Problem besteht bei Online-Bewertungen?


Jede Internetseite, die Bewertungen veröffentlicht, hat das gleiche Problem: Da Bewertungen heute sehr wichtig für gute Geschäfte sind - laut Branchenverband Bitkom werden sie von 56 Prozent der Nutzer als Entscheidungshilfe verwendet - sind Fake-Bewertungen nicht selten. So kann ein Unternehmer etwa Freunde, Bekannte und Mitarbeiter bitten, als vermeintliche Kunden gute Bewertungen abzugeben. Ein anderer möchte vielleicht die Konkurrenz aus dem Rennen schubsen und schreibt selbst schlechte Bewertungen über einen Wettbewerber. Längst gibt es Unternehmen mit Sitz im Ausland, bei denen man gefälschte Bewertungen kaufen kann - Preis je nach Menge. So etwas macht natürlich Online-Bewertungen sinnlos und zerstört auch das Geschäftsmodell der Bewertungsportale.

Wie gehen Bewertungsportale mit Fake-Bewertungen um?


Yelp und die anderen Portale haben jeweils Lösungen entwickelt, um echte und nützliche Bewertungen von zweifelhaften zu trennen. Zum Teil kommen hier Mitarbeiter zum Einsatz, die Stichproben machen und nach bestimmten Kriterien aussortieren. Zum Teil werden aber auch - wie bei Yelp - Algorithmen benutzt, also Software-Programme, die diesen Job erledigen. Bei Yelp teilt eine Software die abgegebenen Bewertungen in "empfohlene" und "nicht empfohlene Bewertungen" ein. Nur aus dem "empfohlenen" wird die Gesamtnote gebildet, die anderen fallen dabei unter den Tisch. Wonach die Software genau entscheidet, ob eine Bewertung zu empfehlen ist, ist nicht bekannt und wird auch nicht bekannt gegeben, da es sich um das Geschäftsgeheimnis des Portals handelt. Laut Portal fließen die Qualität der geschriebenen Beiträge, die Vertrauenswürdigkeit und die bisherige Aktivität des Users in diese Prüfung ein.

Worum ging es vor dem Bundesgerichtshof?


Geklagt hatte eine ehemalige Bodybuilding-Weltmeisterin, die heute mehrere Fitnessstudios betreibt. Sie fühlte sich bei Yelp ungerecht bewertet. So hatte eines ihrer Fitnessstudios aufgrund einer einzigen "empfohlenen Bewertung" nur drei Sterne bekommen. Es gab aber noch 24 ältere Bewertungen, die überwiegend positiv waren - und die nicht in die Gesamtnote einflossen. Sie empfand dies als geschäftsschädigend und verlangte sowohl die Unterlassung dieser Bewertungspraxis, als auch Schadensersatz nach § 824 BGB ("Kreditgefährdung"). Das Landgericht München wies ihre Unterlassungklage gegen diese Bewertungspraxis zunächst ab, das Oberlandesgericht gab ihr Recht, und dann landete der Fall beim Bundesgerichtshof.

Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?


Der Bundesgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Zunächst einmal seien hier keine unwahren Behauptungen verbreitet worden. Genau dies sei jedoch eine Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch wegen Geschäftsschädigung nach § 824 BGB.

Das Portal habe nie behauptet, dass die Gesamtbewertung sich aus einem Durchschnitt aller Bewertungen ergäbe. Ein unvoreingenommener und verständiger Nutzer des Portals könne dort sehen, wie viele Bewertungen in die Gesamtbewertung einfließen und daraus schließen, dass eben einige Bewertungen nicht verwendet werden und das sich die Gesamtbewertung nur aus den "empfohlenen Bewertungen" ergibt.
Durch die Darstellung der Bewertungen würde das Portal nicht rechtswidrig in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht und in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin eingreifen.
Bei einer Interessenabwägung berücksichtigte das Gericht die Interessen beider Seiten. Die Interessen der Klägerin würden die der Beklagten hier jedoch nicht überwiegen.

Der BGH betonte darüber hinaus, dass Gewerbetreibende mit öffentlicher Kritik leben müssten. Die Anzeige eines Bewertungsdurchschnitts sei genauso wie auch die Einteilung der Bewertungen in "empfohlen" und "nicht empfohlen" von der Meinungsfreiheit geschützt (Urteil vom 14.1.2020, Az. VI ZR 496/18).

Was bedeutet das Urteil für Online-Bewertungen?


Auf der einen Seite kann man das Urteil kritisieren: Ein durchschnittlicher Nutzer wird sich meist nicht weiter mit der Frage befassen, wie die Gesamtbewertungen zustande kommen und eher davon ausgehen, dass eine Gesamtbewertung eben den Durchschnitt aller Bewertungen zeigt. Auf der anderen Seite müssen sich Bewertungsportale irgendwie vor der Flut von unechten Bewertungen schützen. Schon die Masse macht eine Prüfung jeder Bewertung durch Menschen unmöglich. Nutzer sollten mit Bewertungen generell kritisch umgehen und sich durchaus darüber informieren, wie Gesamtnoten im jeweiligen Portal überhaupt zustande kommen und wie das Portal allgemein arbeitet. Näheres zum Thema Online-Bewertungen finden Sie in diesem Rechtstipp:
Schlechte Online-Bewertung: Anspruch auf Löschung?

Welche rechtlichen Änderungen sind zu erwarten?


Ab 12.7.2020 gilt die sogenannte P2P-Verordnung. Dabei handelt es sich um eine EU-Verordnung, die unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten in Kraft tritt, ohne durch nationale Gesetze umgesetzt zu werden. Ausgeschrieben heißt sie "Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten." Sie enthält zusätzliche Pflichten für Betreiber von Internetplattformen und soll für mehr Transparenz sorgen. Für kleine Portale gibt es Ausnahmen. Unter anderem sollen Onlineportale künftig die Hauptparameter der Rankingerstellung von Produkt- und Dienstleistungsangeboten offenlegen. Das bedeutet aber noch nicht, dass ein Portal wie Yelp nun erklären müsste, wie genau der Algorithmus seine Entscheidungen trifft - dies bleibt weiterhin Geschäftsgeheimnis.

Praxistipp zu Online-Bewertungen


Das Geschäftsmodell von Yelp wurde bestätigt. Nicht alle Online-Bewertungen in Portalen sind jedoch rechtmäßig. Wer sich als Unternehmer ungerecht bewertet fühlt, kann unter Umständen dagegen rechtlich vorgehen. Hier kommt es aber sehr auf den Einzelfall an. Beratung zu diesem Thema kann ein Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht erteilen.

(Ma)


 Ulf Matzen
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