Zahlungsverzug des Jobcenters: Keine Kündigungsmöglichkeit des Vermieters

Autor: RA FAMuWR Dr. Michael Sommer, Meidert & Kollegen, Augsburg
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 11/2014
Solange ein Mieter keine Kenntnis von einem allein vom Jobcenter zu verantwortenden Mietrückstand hat, ist der Vermieter nicht berechtigt eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs auszusprechen. Der Mieter befindet sich in einem den Verzug gem. § 286 Abs. 4 BGB ausschließenden unvermeidbaren Tatsachenirrtum.

LG Berlin, Urt. v. 24.7.2014 - 67 S 94/14

Vorinstanz: AG Berlin-Mitte - 5 C 596/12

BGB §§ 286 Abs. 4, 543, 569

Das Problem

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlich ausgesprochenen Kündigung über Wohnraum. Das Jobcenter erklärte mit Bescheid aus dem Jahr 2012 die Übernahme der Mietkosten unter gleichzeitiger Direktanweisung der Miete auf das Konto des Vermieters beginnend zum 1.10.2012. Nachdem für die Monate November und Dezember 2012 keine Miete beim Vermieter eingegangen war, erklärte der Vermieter mit Schreiben v. 5.12.2012, zugegangen dem Mieter am 6.12.2012, die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Mietrückstands, hilfsweise die ordentliche Kündigung. Das AG hat der Klage auf Räumung und Herausgabe stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Mieters.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Vermieter habe gegen den Mieter keinen Anspruch auf Räumung der Wohnung. Das Mietverhältnis sei durch die ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2. Satz 1 Nr. 3 a) BGB i.V.m. § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB hätten nicht vorgelegen, da der Mieter mit der Entrichtung der Miete nicht in Verzug gewesen sei. Die Unwirksamkeit der Kündigung folge noch nicht allein aus dem Umstand, dass der Mieter in diesem Zeitraum Leistungen durch das Jobcenter bezogen habe. Zwar sei das Jobcenter im Rahmen seiner Daseinsvorsorge nicht gem. § 278 BGB Gehilfe des Mieters bei der Erfüllung seiner mietvertraglichen Zahlungspflichten (BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/09, MietRB 2010, 1 = MDR 2010, 75). Hinsichtlich der Mieten für November und Dezember bestand gleichwohl kein zur Kündigung berechtigender Zahlungsverzug, weil in der Person des Mieters die Voraussetzungen des § 286 Abs. 4 BGB erfüllt waren. Danach komme der Schuldner dann nicht in Zahlungsverzug, solange die Leistungen in Folge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Bei Vorliegen eines Tatbestandsirrtums kommt der Mieter mit der fälligen Leistung solange nicht in Verzug, wie er gewichtige tatsächliche Bedenken gegen das Bestehen seiner Leistungspflicht haben kann. Diese Möglichkeit scheidet erst dann aus, wenn sich für den Schuldner mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass die vorliegenden Tatsachen die von ihm angenommenen Leistungsfreiheit bei objektiver Beurteilung nicht stützen können. Aufgrund des Bescheids im August 2012 habe der Mieter mit einer Direktzahlung der Miete an den Vermieter rechnen können. Auch habe der Mieter keine ihm obliegenden Mitwirkungspflichten verletzt, so dass der Zahlungsverzug allein auf ein Versehen des Jobcenters zurückzuführen sei. Eine Nachforschungspflicht sei nicht gegeben. Aus diesen Gründen scheide auch eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aus.


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