Zulässigkeit des öffentlichen Zugänglichmachens von Kunstwerken in Online-Archiven

Autor: RA Dr. Yvonne Kleinke, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht, MoserBezzenberger Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 05/2011
Wird im Rahmen der Online-Berichterstattung über eine Veranstaltung berichtet, bei der urheberrechtlich geschützte Werke wahrnehmbar werden (hier: Bericht über eine Ausstellungseröffnung), dürfen Abbildungen dieser Werke nur so lange als Teil dieser Berichterstattung im Internet zugänglich gemacht werden, wie die Veranstaltung noch als Tagesereignis angesehen werden kann.

BGH, Urt. v. 5.10.2010 - I ZR 127/09 „Kunstausstellung im Online-Archiv”

Vorinstanz: LG Braunschweig, Urt. v. 12.8. 2009 - 9 S 417/08 (40)
Vorinstanz: AG Braunschweig, Urt. v. 27.8.2008 - 117 C 304/08

UrhG §§ 19a, 50

Das Problem:

Ein Verlag hatte in verschiedenen Zeitungen Berichte über anstehende Ausstellungen veröffentlicht, die mit Abbildungen ausgestellter Kunstwerke illustriert waren. Seit Ende 2002 stellte der Verlag die Beiträge zusätzlich in sein Online-Archiv ein, und ermöglichte es Interessenten so, dauerhaft auf die Artikel einschließlich der Abbildungen über das Internet zuzugreifen. Die VG Bild-Kunst beanstandete daraufhin das dauerhafte öffentliche Zugänglichmachen der abgebildeten Kunstwerke über einen Zeitraum von vier Wochen vor Beginn bis vier Wochen nach Beendigung der Ausstellung hinaus und nahm den Verlag auf Schadensersatz in Anspruch, den sie auf der Grundlage ihrer Tarife für Online-Magazine berechnet hatte.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der BGH gab der Revision der VG Bild-Kunst statt.

Öffentliche Zugänglichmachung nur solange, wie Veranstaltung als Tagesereignis anzusehen ist: Im Rahmen der Online-Berichterstattung über eine Veranstaltung dürften Abbildungen urheberrechtlich geschützter Werke nur so lange als Teil dieser Berichterstattung im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden, wie die Veranstaltung noch als Tagesereignis angesehen werden kann.

Keine Privilegierung durch § 50 UrhG: Der Verlag könne sich nicht auf die Schrankenbestimmung des § 50 UrhG berufen, da die Voraussetzungen der privilegierten Berichterstattung über ein Tagesereignis im Falle der dauerhaften Verbreitung im Online-Archiv nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes nach Ende der Ausstellung nicht mehr vorlägen.

Relevanter Zeitpunkt für Vorliegen eines aktuellen Ereignisses: Für die Beurteilung der Frage, ob die Aktualität einer Kunstausstellung es nach § 50 UrhG rechtfertige, zur Berichterstattung über die Kunstausstellung ausgestellte Kunstwerke abzubilden, sei danach zu unterscheiden, ob die Kunstwerke vervielfältigt und verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht würden. Bestehe ein Eingriff in einer punktuellen Handlung, wie etwa bei einer Vervielfältigung oder Verbreitung des Werkes, so müsse er zum Zeitpunkt dieser Handlung gerechtfertigt sein. Handele es sich bei dem Eingriff dagegen um eine Dauerhandlung, wie bei einer öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes, müsse er während des gesamten Zeitraums dieser Handlung gerechtfertigt sein.

Vervielfältigung und Verbreitung oder öffentliches Zugänglichmachen: Bei einer Vervielfältigung und Verbreitung der Kunstwerke durch deren Abbildung in einer Tageszeitung müsse die Aktualität der Kunstausstellung daher allein zum Zeitpunkt der Vervielfältigung und Verbreitung gegeben sein. Würden Kunstwerke hingegen durch Einstellen dieser Artikel in ein Online-Archiv im Internet öffentlich zugänglich gemacht, müsse die Aktualität der Kunstausstellung nicht nur zum Zeitpunkt des Einstellens ins Archiv gegeben sein, sondern während der gesamten Dauer des Bereithaltens im Internet fortbestehen.

Zusätzlicher Aufwand des Archiv-Betreibers: Auch der vom Verlag angeführte erhebliche Aufwand bei ständigen Überprüfung der Aktualität von Beiträgen im Online-Archiv führe nicht zu einer Zulässigkeit des dauerhaften öffentlichen Zugänglichmachens der Werke. Denn es bleibe dem Verlag unbenommen, sein Online-Archiv so zu gestalten, dass die Abbildungen nach Ablauf der von der VG Bild-Kunst zugestandenen Zeitspanne von vier Wochen nach Ausstellungsende automatisch gelöscht würden. Außerdem könne der Verlag diesen Überprüfungsaufwand dadurch vermeiden, dass er gänzlich auf eine Übernahme der Abbildungen verzichte oder sich vom Rechteinhaber die entsprechenden Nutzungsrechte einräumen lasse und dafür eine Vergütung zahle.


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