Zurückverweisung im Patentnichtigkeitsverfahren
Autor: RA Christian Harmsen, Bird & Bird LLP, Düsseldorf
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 11/2015
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 11/2015
Der BGH hat im Falle der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Sache regelmäßig zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückzuverweisen, wenn dieses noch keine Erstbewertung des Standes der Technik im Hinblick auf Patentfähigkeit vorgenommen hat.
BGH, Urt. v. 7.7.2015 - X ZR 64/13 „Bitratenreduktion”
Vorinstanz: BPatG, Urt. v. 12.3.2013 - 5 Ni 58/11(EP)
PatG § 119 Abs. 3, 5
Keine unzulässige Erweiterung: Der Patentanspruch 1 gehe in der Fassung der beiden Merkmalsgruppen 3.1 und 3.2 nicht über die ursprünglichen Unterlagen hinaus. Entscheidend für die Prüfung der unzulässigen Erweiterung sei zunächst die Ermittlung des Sinngehalts eines Merkmals und zwar mit Blick darauf, was mit dem Merkmal aus Sicht des Fachmanns im Hinblick auf die Erfindung erreicht werden soll. Vorliegend erziele das Streitpatent die angestrebte Bitratenreduktion dadurch, dass als zu codierendes Ereignis nicht nur die ununterbrochene Folge von Signalwerten A behandelt werde, sondern auch dessen Kombination mit vor- oder nachfolgenden Teilfolgen des Signalwerts A. Diese Lehre (Merkmalsgruppe 3.1) war bereits in der Patentanmeldung beschrieben. Die beiden Alternativen gemäß Merkmalsgruppe (3.2) seien ebenso ursprungsoffenbart. Eine unzulässige Erweiterung scheide daher aus.
Zurückverweisung: Da sich das BPatG – nach seinem Ausgangspunkt konsequent – nicht mit der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents befasst habe, sei die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das BPatG zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 2, 3 PatG). Ein Grundgedanke des reformierten Patentnichtigkeitsverfahrens sei es, dass die Patentfähigkeit zunächst durch das auch mit technisch sachkundigen Richtern besetzte BPatG bewertet wird und diese Bewertung durch den BGH überprüft wird. Eine Endentscheidung durch den BGH sei daher regelmäßig dann nicht sachgerecht, wenn die Erstbewertung des Stands der Technik durch das BPatG unterlieben ist.
BGH, Urt. v. 7.7.2015 - X ZR 64/13 „Bitratenreduktion”
Vorinstanz: BPatG, Urt. v. 12.3.2013 - 5 Ni 58/11(EP)
PatG § 119 Abs. 3, 5
Das Problem
Ein Patent betreffend ein Verfahren zur Bitratenreduktion für die Codierung von Bild- oder Videodaten wurde im Wege der Nichtigkeitsklage angegriffen. Die Klägerinnen machten eine unzulässige Erweiterung und fehlende Patentfähigkeit geltend. Das BPatG erklärte das Patent daraufhin wegen unzulässiger Erweiterung für nichtig. Es nahm an, dass zwei Merkmalsgruppen (3.1 und 3.2) den ursprünglichen Unterlagen nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen seien. Mit der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents beschäftigte sich das BPatG konsequenterweise nicht. Die Patentinhaberin richtet sich mit ihrer Berufung gegen die Beurteilung des BPatG und beantragt Klageabweisung.Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH verneint das Vorliegen einer unzulässigen Erweiterung. Er hebt die Entscheidung des BPatG daher auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurück.Keine unzulässige Erweiterung: Der Patentanspruch 1 gehe in der Fassung der beiden Merkmalsgruppen 3.1 und 3.2 nicht über die ursprünglichen Unterlagen hinaus. Entscheidend für die Prüfung der unzulässigen Erweiterung sei zunächst die Ermittlung des Sinngehalts eines Merkmals und zwar mit Blick darauf, was mit dem Merkmal aus Sicht des Fachmanns im Hinblick auf die Erfindung erreicht werden soll. Vorliegend erziele das Streitpatent die angestrebte Bitratenreduktion dadurch, dass als zu codierendes Ereignis nicht nur die ununterbrochene Folge von Signalwerten A behandelt werde, sondern auch dessen Kombination mit vor- oder nachfolgenden Teilfolgen des Signalwerts A. Diese Lehre (Merkmalsgruppe 3.1) war bereits in der Patentanmeldung beschrieben. Die beiden Alternativen gemäß Merkmalsgruppe (3.2) seien ebenso ursprungsoffenbart. Eine unzulässige Erweiterung scheide daher aus.
Zurückverweisung: Da sich das BPatG – nach seinem Ausgangspunkt konsequent – nicht mit der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents befasst habe, sei die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das BPatG zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 2, 3 PatG). Ein Grundgedanke des reformierten Patentnichtigkeitsverfahrens sei es, dass die Patentfähigkeit zunächst durch das auch mit technisch sachkundigen Richtern besetzte BPatG bewertet wird und diese Bewertung durch den BGH überprüft wird. Eine Endentscheidung durch den BGH sei daher regelmäßig dann nicht sachgerecht, wenn die Erstbewertung des Stands der Technik durch das BPatG unterlieben ist.