Zustandekommen eines Vertragsstrafevertrages und Umfang der Unterlassungsverpflichtung
Autor: Dr. Claudia Böhm/FAin für GewRS von BOETTICHER Rechtsanwälte, München
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2016
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2016
Ein Vertragsstrafevertrag kommt auch dann noch zustande, wenn zwischen der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung und der Annahmeerklärung ein Zeitraum liegt, der so lang ist, dass die Unterlassungsansprüche, die mit der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung ausgeräumt wurden, im Zeitpunkt der Annahmeerklärung verjährt gewesen wären. Das Auffinden der vom Schuldner des Unterlassungsversprechens zu unterlassenden Angabe bei einer Internetrecherche mit der Suchmaschine Google kann eine Zuwiderhandlung begründen, mit der die Vertragsstrafe verwirkt wird.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.9.2015 - I-15 U 119/14
Vorinstanz: LG Duisburg, Urt. v. 14.8.2014 - 22 O 55/13
BGB §§ 339 Satz 2, 147 Abs. 2
Vertragsstrafevertrag zustande gekommen: Mit der Aufforderung des Vereins zur Zahlung einer Vertragsstrafe 13 Monate nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung sei ein Vertragsstrafevertrag zustande gekommen. Zwar könne ein Vertragsangebot nach § 147 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, bis zu dem der Antragende die Antwort regelmäßig erwarte; nach der Rechtsprechung des BGH sei aber regelmäßig davon auszugehen, dass der Schuldner sein in der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung liegendes Vertragsangebot unbefristet abgegeben hat, so dass es vom Gläubiger jederzeit angenommen und damit die Vertragsstrafeverpflichtung begründet werden könne (BGH, Urt. v. 17.9.2009 – I ZR 217/07 – Testfundstelle, GRUR 2010, 355 [357]). Die erforderliche Abschreckungswirkung der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung, die den Wegfall der Wiederholungsgefahr schon mit Zugang der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung beim Gläubiger rechtfertige, sei nämlich nur dann gegeben, wenn das Angebot des Schuldners noch nach der üblichen Annahmefrist bindend sei. Ein unbefristetes Angebot habe der Gläubiger demgemäß auch noch 13 Monate nach Zugang bei ihm annehmen können. Es sei unbeachtlich, dass der sich aus dem vergangenen Wettbewerbsverstoß ergebende Unterlassungsanspruch zum Zeitpunkt der Annahmeerklärung des Gläubigers bereits verjährt gewesen wäre und der Schuldner deshalb zu diesem Zeitpunkt Veranlassung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht mehr gehabt habe. Für die Beurteilung, ob das Angebot des Schuldners unbefristet sei, sei allein auf den Zeitpunkt der Abgabe des Angebotes abzustellen. Wenn dem Angebot zu diesem Zeitpunkt keine Befristung zu entnehmen sei, dann gelte im Zeitpunkt der Annahme durch den Gläubiger nichts anderes.
Verpflichtung zum Löschen des Cache: Da es dem Einzelhändler aufgrund seiner vertraglichen Unterlassungsverpflichtung untersagt gewesen sei, mit dem Hinweis „TÜV-Sondereintragungen” für sich zu werben, stelle es einen schuldhaften Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung dar, wenn die Internetrecherche mit der Suchmaschine Google einen „Treffer” anzeige, in dem der Einzelhändler mit dem streitgegenständlichen Hinweis werbe. Bereits das Anzeigen des Hinweises „TÜV-Sondereintragungen” für den Einzelhändler als Treffer bei der Internetrecherche mittels Google sei als Werbung zu verstehen und begründe eine Zuwiderhandlung. Aufgrund der Unterlassungsverpflichtung sei der Einzelhändler auch verpflichtet gewesen, die Suchmaschine Google zur Löschung der streitgegenständlichen Einträge, auch aus dem Cache, aufzufordern. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wird, sei regelmäßig dahin auszulegen, dass sie über die Unterlassung derartiger Handlungen hinaus auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustandes umfasst. Die Unterlassungsverpflichtungserklärung des Einzelhändlers sei deshalb dahin auszulegen, dass sie auch die Verpflichtung umfasse, den durch die ursprüngliche Verwendung des Hinweises „TÜV-Sondereintragungen” auf der eigenen Internetseite geschaffenen Störungszustand zu beseitigen, soweit es ihm möglich und zumutbar sei. Dazu gehöre auch, im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen beim Betreiber der Suchmaschine Google auf eine Löschung des streitgegenständlichen Beitrages hinzuwirken, wobei sich dies auch auf die Entfernung aus dem Cache erstrecke. Zwar habe ein Schuldner für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen; er sei jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugute kommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen müsse und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten des Dritten habe.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.9.2015 - I-15 U 119/14
Vorinstanz: LG Duisburg, Urt. v. 14.8.2014 - 22 O 55/13
BGB §§ 339 Satz 2, 147 Abs. 2
Das Problem
Ein eingetragener Verein nimmt einen Einzelhändler von Kraftfahrzeugen und Zubehör auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch. Der Einzelhändler hatte sich gegenüber dem Verein vertragsstrafebewehrt zur Unterlassung der Angabe „TÜV-Sondereintragungen” im geschäftlichen Verkehr für sein Unternehmen verpflichtet, nachdem er damit auf seiner Internetseite für sein Unternehmen geworben hatte. Nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung forderte der Einzelhändler die Betreiber verschiedener Internetseiten auf, den Hinweis „TÜV-Sondereintragungen” im Zusammenhang mit Angaben zu seinem Unternehmen zu beseitigen. 13 Monate nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung forderte der Verein den Einzelhändler auf, eine Vertragsstrafe zu zahlen, weil auf verschiedenen Seiten im Internet im Zusammenhang mit dem Unternehmen des Einzelhändlers auf „TÜV-Sondereintragungen” hingewiesen worden sei und auch die Suchmaschine Google noch den Hinweis auf die „TÜV-Sondereintragungen” im Zusammenhang mit Angaben zu dem Unternehmen des Einzelhändlers enthalten habe. Dieser Hinweis war auch noch im Rahmen einer erneuten Google-Recherche des Vereins unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung über den Vertragsstrafeanspruch erschienen.Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Düsseldorf weist die Berufung gegen das Urteil des LG zurück, mit dem der Einzelhändler zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt wurde.Vertragsstrafevertrag zustande gekommen: Mit der Aufforderung des Vereins zur Zahlung einer Vertragsstrafe 13 Monate nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung sei ein Vertragsstrafevertrag zustande gekommen. Zwar könne ein Vertragsangebot nach § 147 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, bis zu dem der Antragende die Antwort regelmäßig erwarte; nach der Rechtsprechung des BGH sei aber regelmäßig davon auszugehen, dass der Schuldner sein in der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung liegendes Vertragsangebot unbefristet abgegeben hat, so dass es vom Gläubiger jederzeit angenommen und damit die Vertragsstrafeverpflichtung begründet werden könne (BGH, Urt. v. 17.9.2009 – I ZR 217/07 – Testfundstelle, GRUR 2010, 355 [357]). Die erforderliche Abschreckungswirkung der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung, die den Wegfall der Wiederholungsgefahr schon mit Zugang der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung beim Gläubiger rechtfertige, sei nämlich nur dann gegeben, wenn das Angebot des Schuldners noch nach der üblichen Annahmefrist bindend sei. Ein unbefristetes Angebot habe der Gläubiger demgemäß auch noch 13 Monate nach Zugang bei ihm annehmen können. Es sei unbeachtlich, dass der sich aus dem vergangenen Wettbewerbsverstoß ergebende Unterlassungsanspruch zum Zeitpunkt der Annahmeerklärung des Gläubigers bereits verjährt gewesen wäre und der Schuldner deshalb zu diesem Zeitpunkt Veranlassung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht mehr gehabt habe. Für die Beurteilung, ob das Angebot des Schuldners unbefristet sei, sei allein auf den Zeitpunkt der Abgabe des Angebotes abzustellen. Wenn dem Angebot zu diesem Zeitpunkt keine Befristung zu entnehmen sei, dann gelte im Zeitpunkt der Annahme durch den Gläubiger nichts anderes.
Verpflichtung zum Löschen des Cache: Da es dem Einzelhändler aufgrund seiner vertraglichen Unterlassungsverpflichtung untersagt gewesen sei, mit dem Hinweis „TÜV-Sondereintragungen” für sich zu werben, stelle es einen schuldhaften Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung dar, wenn die Internetrecherche mit der Suchmaschine Google einen „Treffer” anzeige, in dem der Einzelhändler mit dem streitgegenständlichen Hinweis werbe. Bereits das Anzeigen des Hinweises „TÜV-Sondereintragungen” für den Einzelhändler als Treffer bei der Internetrecherche mittels Google sei als Werbung zu verstehen und begründe eine Zuwiderhandlung. Aufgrund der Unterlassungsverpflichtung sei der Einzelhändler auch verpflichtet gewesen, die Suchmaschine Google zur Löschung der streitgegenständlichen Einträge, auch aus dem Cache, aufzufordern. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wird, sei regelmäßig dahin auszulegen, dass sie über die Unterlassung derartiger Handlungen hinaus auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustandes umfasst. Die Unterlassungsverpflichtungserklärung des Einzelhändlers sei deshalb dahin auszulegen, dass sie auch die Verpflichtung umfasse, den durch die ursprüngliche Verwendung des Hinweises „TÜV-Sondereintragungen” auf der eigenen Internetseite geschaffenen Störungszustand zu beseitigen, soweit es ihm möglich und zumutbar sei. Dazu gehöre auch, im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen beim Betreiber der Suchmaschine Google auf eine Löschung des streitgegenständlichen Beitrages hinzuwirken, wobei sich dies auch auf die Entfernung aus dem Cache erstrecke. Zwar habe ein Schuldner für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen; er sei jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugute kommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen müsse und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten des Dritten habe.