Grundzüge des Fluggastrechts

14.06.2016, Autor: Herr Achim Böth / Lesedauer ca. 4 Min. (315 mal gelesen)
Der Tipp soll einen kurzen Überblick über die Grundzüge des Flugreiserechts geben.

Das Fluggast- bzw. Flugreiserecht befasst sich vornehmlich mit den Ansprüchen bei Annullierung, Nichtbeförderung, Flugverspätung, Gepäckverlust oder -verspätung und auch Verletzungen oder Todesfällen im Zusammenhang mit der Flugbeförderung.
Häufigster Anwendungsfall ist die Annullierung oder Nichtbeförderung. Eine Flugverspätung von mehr als drei Stunden steht dem gleich.
In diesen Fällen kann der Fluggast nur von der Airline, die den Flug ausgeführt hat bzw. hätte ausführen sollen, grundsätzlich nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung VO (EG) 261/2004 eine pauschale Entschädigung zwischen € 250,00 und € 600,00 Euro verlangen. Dies gilt für sämtliche in der EU startenden Flüge sowie Flüge mit sonstigem EU-Bezug - also auch für Pauschalreisen und sogar „Billigflüge“- und richtet sich in der Höhe nach der Entfernung zum Zielort.
Dieser Anspruch richtet sich jeweils nur direkt gegen das „ausführende Luftfahrtunternehmen“, d.h. die den Flug tatsächlich ausführende Fluggesellschaft. Dies ist oftmals nicht die Airline, bei der der Flug eigentlich gebucht war. Daher sollte das Ticket mit der letztendlichen Flug-Nr. unbedingt aufbewahrt werden, da hieraus der richtige Anspruchsgegner (sogenannte Passivlegitimation) ersichtlich wird. So gilt bspw. für die SunExpress Deutschland GmbH der IATA-Code „XG“, wohingegen die in der Türkei ansässige und rechtlich selbstständige SunExpress A.S. unter „XQ“ fliegt. Gleiches gilt hinsichtlich vieler Charterfluggesellschaften, welche sich häufig anderer Airlines als Subunternehmer bedienen.
In diesem Sinne habe ich es in meiner langjährigen Tätigkeit als Unterbevollmächtigter /Terminsvertreter (für auswärtige Anwälte) bereits des Öfteren erlebt, dass die Klage nur aus diesem Grunde abgewiesen wird und die Kläger dann die - die Ausgleichszahlung oftmals übersteigenden - Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.
Die Airlines können sich im Hinblick auf die zu leistende Ausgleichszahlung nur in absoluten Ausnahmefällen auf sogenannte „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) 261/2004 berufen und sich damit entlasten. Technische Probleme stellen in diesem Zusammenhang regelmäßig gerade keine außergewöhnlichen Umstände i.S.v. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 dar!
Im Hinblick auf den Ausgleichsanspruch wegen einer Flugverspätung von mehr als drei Stunden hat der EuGH am 4.9.14 (AZ: C-452/13) entschieden, dass der Zeitpunkt der ersten Türöffnung und nicht bereits des Aufsetzens auf der Landebahn, entscheidend für die Berechnung der Flugverspätung ist.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 10.12.09 zu Xa ZR 61/09 entschieden, dass die Ansprüche EU-Fluggastrechte-Verordnung grundsätzlich der längeren Regelverjährungsfrist des § 195 BGB von 3 Jahren unterliegen.
Die Ausschlussfrist des Art. 35 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens ist dabei weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Allerdings hat der BGH dabei die Frage offengelassen bzw. richtigerweise gar nicht angesprochen, ob dies auch bei der Annullierung eines Fluges im Rahmen einer Pauschalreise gilt, oder ob in diesem Falle möglicherweise die zeitlichen Verjährungsgrenzen des § 651g Abs. 2 BGB zu beachten sind. Meiner Ansicht würde dem jedoch der Umstand zwingend entgegen stehen, dass es sich insoweit um vollkommen verschiedene Ansprüche handelt, weil sich die Ansprüche nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung ausschließlich gegen die Fluggesellschaft und nicht etwa gegen den Pauschalreiseveranstalter richten.
Sofern Sie den Ausgleichsanspruch auch für andere Mitreisende geltend machen möchten, benötigen Sie - auch dann, wenn Sie der Alleinzahler waren - hierfür zwingend eine Abtretungserklärung.

Im (nahezu) weltweit gültigen Montrealer Übereinkommen (MÜ) finden sich im wesentlichen Regelungen zur Verspätung bei der Fluggastbeförderung und zur Beschädigung, Verspätung sowie Verlust von Reisegepäck.
Dabei ist unbedingt zu beachten, dass Schäden am Reisegepäck binnen sieben Tagen und Schäden durch verspätetes Reisegepäck binnen 21 Tagen, nachdem dieses bei dem Reisenden angelangt ist, schriftlich geltend gemacht werden müssen.
Weiterhin ist zu beachten, dass hier grundsätzlich nach Art. 35 Abs. 1 MÜ die Klage auf Schadensersatz nur binnen einer kurzen Ausschlussfrist von nur zwei Jahren erhoben werden kann.
Diese Vorschrift betrifft jedenfalls die in Art. 17 ff. MÜ geregelten Schadensersatzansprüche wegen Personen- und Gepäckschäden, Güterschäden und Verspätungsschäden. Dies soll u.a. zu einer raschen Klärung beitragen und dient zudem zur Verhinderung von Beweisschwierigkeiten durch Zeitablauf und zur Schaffung von Rechtsfrieden innerhalb einer angemessenen Zeit. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Luftfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist bzw. hätte ankommen sollen, oder an welchem die Beförderung abgebrochen worden ist.
Dort wo sich Fluggastrechte und Pauschalreiserecht überschneiden, gilt - dann und zwar ausschließlich gegenüber dem Reiseveranstalter - folgendes:
Dabei müssen Sie z.B. auch eine erhebliche Änderung der zuvor vereinbarten Flugzeiten grundsätzlich nicht ersatzlos hinnehmen (so OLG Celle, Urteil vom 07.02.2013, 11 U 82/12).
Dies zumindest bei einer zur Störung der Nachtruhe führenden Flugzeitänderung.
Der Wechsel auf eine „Billigairline“ berechtigt bei anderweitiger Prospektangabe grundsätzlich zur Minderung des Reispreises. Nach einem älteren Urteil des LG Kleve vom 17.08.20 01, 6 S 120/01, soll für den Fall, dass der Flug - entgegen der Prospektzusicherung - nicht mit einer der dort genannten deutschen, sondern einer ausländischen (spanischen) Fluggesellschaft durchgeführt wird, der Reisende wegen einer wesentlichen Leistungsänderung vom Reisevertrag nach BGB § 651a Abs. 4 S 2 zurücktreten können. Weil eine derartige Leistungsänderung für den Fluggast unzumutbar sei, soll dies auch dann gelten, wenn sich der Reiseveranstalter in den Reisebedingungen das Recht zur Änderung der Fluggesellschaft ausdrücklich vorbehalten hatte. Diese Ansicht wird allerdings von den Obergerichten so nicht unbedingt vertreten.

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