Schimmel wegen gesparter Heizung: drohen Schadensersatzforderungen?

21.09.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
Schimmel,Fenster,Mietwohnung,Heizung Heizen wird teuer. Aber: Wer nicht heizt, riskiert Schimmel. © Ma - Anwalt-Suchservice

Oft sorgt Schimmelpilz in Mietwohnungen für Streit. Mieter und Vermieter weisen sich gegenseitig die Schuld zu. Besonders aktuell wird das Problem in der derzeitigen Energiekrise mit explodierenden Heizkosten.

Wohnen und Atmen produzieren mehr Luftfeuchtigkeit, als man denkt. Hinzu kommen falsches Lüften und Heizen und in vielen Fällen auch bauliche Mängel. Die Folge ist schnell die Bildung von Schimmel. Dieser darf jedoch in einer Wohnung nicht geduldet werden. Er gefährdet die Gesundheit und ebenso die Bausubstanz. Aber: Viele Mieter kämpfen 2022 mit den extrem gestiegenen Heizkosten infolge der Gaskrise. Für viele heißt die Lösung: warme Kleidung an, Wolldecke her und Heizung aus. Die Folge kann jedoch eine Schimmelbildung in der Wohnung sein - und für die Folgekosten ist nicht automatisch der Vermieter zuständig. Müssen Mieter nun die Heizung trotz enormer Heizkosten laufen lassen, um Schimmelbefall zu vermeiden? Und was muss der Vermieter tun? Wer hat welche Ansprüche, wenn sich Schimmel gebildet hat?

Wie kommt es überhaupt zu Schimmel in der Mietwohnung?


Schimmelsporen sind in geringen Mengen immer und überall in der Luft. Wenn sie gute Bedingungen finden, bildet sich schnell Schimmelpilz. Dieser braucht Feuchtigkeit. Die möglichen Ursachen für dauernde Feuchtigkeit in Gebäuden sind jedoch vielfältig. Zu ihnen gehören Baumängel wie Kältebrücken, nicht fachgerecht installierte Dachgauben und Dachfenster oder in Mauern aufsteigende Nässe. Eine weitere mögliche Ursache ist das Verhalten der Bewohner. In modernen, gut gedämmten Wohnungen kann die feuchte Luft nicht mehr entweichen und muss durch häufigeres Lüften entfernt werden. Mancher realisiert dies nicht, und auch in sanierten Altbauten wird oft viel zu wenig gelüftet.
Ursachen für Schimmel können auch dauernd gekippte Fenster, allzu sparsames Heizen oder eine drastische Nachtabsenkung sein. Ab einer bestimmten Temperatur bildet sich Kondenswasser auf glatten Flächen und Wänden. Häufig wirken mehrere Schimmelursachen zusammen.

Woher kommt die Feuchtigkeit in Wohnungen?


In Wohnungen entsteht Luftfeuchtigkeit durch Kochen, Duschen, Wäschewaschen, Zimmerpflanzen, Aquarien und nicht zuletzt durch unseren Atem. So produziert ein Vier-Personen-Haushalt täglich 12 Liter Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf. Bad, Küche und Schlafzimmer sind die überwiegend gefährdeten Zimmer. In vielen Neubauten kommt die Restfeuchte des Betons hinzu. Dieser ist heute meist nicht völlig durchgetrocknet, bevor das Gebäude bezogen wird.

Welche Folgen hat Schimmel?


Unter anderem verursacht Schimmel Allergien und Atemwegserkrankungen. Er schädigt auch die Mietwohnung. Tapeten und Putz werden zersetzt, Holzteile weichen auf. Wenn sich Feuchtigkeit und Schimmel in Dämmschichten festsetzen, verlieren diese ihre Wirkung und verwandeln sich in Sondermüll. Begünstigt wird die Schimmelbildung durch moderne Dämmungen und Thermofenster – denn hier findet kein Luftaustausch mehr statt.

Schimmel: Wer muss jetzt handeln und wer trägt die Kosten?


Nimmt Schimmelbefall erhebliche Formen an, wird er immer als Sachmangel der Mietwohnung angesehen. Der Mieter ist also zunächst einmal verpflichtet, die Existenz des Problems unverzüglich dem Vermieter zu melden. Sonst kann er keine Ansprüche geltend machen und muss ggf. für Folgeschäden aufkommen, die entstehen, weil der Vermieter nicht rechtzeitig reagieren konnte. Der Vermieter wiederum muss sich um die Beseitigung des Mangels kümmern. Er hat eine vertragsgerechte und zum Wohnen geeignete Wohnung ohne gesundheitliche Gefahren für den Mieter bereitzustellen. Erheblicher Schimmelbefall kann den Mieter zu einer Mietminderung berechtigen. Das bedeutet aber nicht, dass der Vermieter immer die Kosten für die Schimmelbeseitigung trägt. Dafür ist entscheidend, wer den Schimmel verursacht hat - und darüber wird oft intensiv vor Gericht gestritten.

Schimmel in der Mietwohnung: Wer trägt die Beweislast?


Vor Gericht gilt unabhängig vom Kläger: Bei unklarer Schimmelursache muss zunächst der Vermieter beweisen, dass die Ursache für den Schimmel nicht in baulichen Mängeln liegt. Erbringt er diesen Beweis, stellt sich die Frage, ob der Mieter beweisen kann, dass er den Schimmel nicht durch falsches Lüften und Heizen verursacht hat. Diese Verteilung der Beweislast stammt aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes (Az. XII ZR 272/97). Häufig ist es schwierig, solche Beweise zu erbringen. Daher werden in Schimmel-Verfahren oft teure Sachverständige eingesetzt. Oft kommt es dann zu einer Aufteilung des Schadens oder zu einem Vergleich.

Wie hoch darf eine Mietminderung wegen Schimmelbefall sein?


Inwieweit Mieter bei Schimmelbefall ihre Miete mindern dürfen, hängt von dessen Ausdehnung ab. Mietminderungstabellen sind nur eine ungefähre Orientierungshilfe, da jeder Fall anders ist und die Gerichte nicht an die Urteile anderer Gerichte gebunden sind. Ein paar Beispiele: Bei Schimmel in allen Zimmern einer Wohnung, im Schlafzimmer mit einem 70 cm breiten Streifen vom Boden bis zur Zimmerdecke, gestand das Landgericht Hamburg der Mieterin eine Minderung der Bruttowarmmiete um 25 Prozent zu (Urteil vom 17.9.2009, Az. 307 S 39/09).
Bei einer Schimmelbildung an den unteren Silikonfugen aller Fenster einer 95 qm-Wohnung sprach das Amtsgericht Köln den Mietern eine Mietminderung von sieben Prozent zu (Urteil vom 21.7.2011, Az. 222 C 25/10).
20 Prozent waren es bei einer Wohnung, bei der alle Außenwände von Schimmel befallen waren. Dort war wegen des Wohnungszuschnitts ein sinnvolles Aufstellen der Möbel ohne Nutzung der Außenwände praktisch unmöglich (AG Köpenick, Urteil vom 8.2.2001, Az. 17 C 475/00).

Über die Formalien einer Mietminderung können Sie sich hier informieren:
Mietminderung – wann darf die Miete reduziert werden?

Wie warm muss die Mietwohnung sein, um Schimmel vorzubeugen?


Es ist nicht erforderlich, die Heizung die ganze Zeit unter Volllast laufen zu lassen. Aber: Sinkt die Temperatur in der Wohnung unter 16 Grad Celsius, ist eine Entstehung von Schimmel wahrscheinlich. Allerdings ist die entscheidende Temperatur - der sogenannte Taupunkt, ab dem Feuchtigkeit sich als Kondenswasser niederschlägt - bei jeder Wohnung unterschiedlich. Dies hängt von baulichen Gesichtspunkten ab. Wichtig ist außerdem mehrmals tägliches Stoßlüften, um die Luftfeuchtigkeit zu reduzieren.

Reduziert eine Nachtabsenkung der Heizung die Temperatur auf unter 16 Grad, begünstigt dies Schimmelbildung. Auch ist der wirtschaftliche Nutzen zweifelhaft, da es länger dauert, bis die Heizung nach dem Wiederanfahren die ausgekühlten Räume wieder aufgewärmt hat. Dabei wird wieder mehr Energie verbraucht.

Verzichten sollten Mieter auch darauf, die Heizung während ihrer täglichen berufsbedingten Abwesenheit im Winter ganz abzuschalten oder alle Thermostate auf die "Frostschutz"-Einstellung zu drehen. In Räumen, die etliche Stunden am Stück unbeheizt bleiben, ist Schimmel vorprogrammiert. Besser ist es, die Heizung soweit herunterzuregeln, dass immer noch mindestens 16 bis 18 Grad erzielt werden.

Hat der Mieter eine Pflicht zum Heizen und Lüften?


Mieter sind nicht gesetzlich verpflichtet, in bestimmter Weise zu heizen oder zu lüften. Es gibt auch keine gesetzlichen Mindesttemperaturen. Daher können diese auch nicht heruntergesetzt werden, wie es oft heißt. Aber: Mieter haben aus dem Mietvertrag auch ohne schriftliche Absprache die Nebenpflicht, mit dem Mietobjekt sorgsam umzugehen und es vor Schaden zu bewahren. An dieser Pflicht hat sich auch durch die Energiekrise von 2022 nichts geändert. Ein Mieter, der also den Winter auf Mallorca verbringt und in seiner Wohnung in München die Heizung komplett abschaltet, wird für die Folgen einstehen müssen – für durchgefrorene Rohre und Überschwemmungen ebenso wie für Schimmel an den Wänden.

Seit 1.9.2022 gilt übrigens: Schreibt der Wohnungsmietvertrag eine bestimmte Mindesttemperatur vor, die der Mieter einzuhalten hat, ist diese Klausel unwirksam. Diese Vorgabe aufgrund der neuen Energiesparverordnung gilt zunächst sechs Monate lang. Allerdings sind solche Mindesttemperaturklauseln in Mietverträgen eher unüblich.

Heizperiode: Wann und wie muss der Vermieter heizen?

Was bedeutet Stoßlüften?


Mit Stoßlüften ist das weite Öffnen aller Fenster der Wohnung gleichzeitig gemeint. Zur Vermeidung von Schimmel wird oft empfohlen, dies mehrmals täglich zu wiederholen. Lässt man die Fenster für längere Zeit gekippt, begünstigt dies eher die Schimmelbildung, weil die Wohnung auskühlt.

Darf der Vermieter einen Lüftungs-Marathon verlangen?


Vor dem Landgericht Berlin ging es um die Frage, ob der Vermieter vom Mieter verlangen kann, mindestens sechsmal am Tag stoßzulüften. Der Mieter hatte von der Vermieterin die Beseitigung des Schimmels verlangt, der sich in der Nähe der neuen, besonders gut isolierenden Kunststofffenster gebildet hatte. Einem Sachverständigen zufolge hätte man in dieser Wohnung mehr als sechsmal täglich Stoßlüften müssen, um die Luftfeuchtigkeit loszuwerden. Aus Sicht der Vermieterin war dies zumutbar. Obendrein habe sie dem Mieter nach dem Fensteraustausch ein Merkblatt zum richtigen Heizen und Lüften übergeben. Die Zahl der Lüftungsaktionen müsse auch von der Anzahl der Bewohner abhängig sein.

Das Gericht stimmte ihr jedoch nicht zu. Der vom Sachverständigen ermittelte Lüftungsaufwand sei nicht zumutbar. Es spiele keine Rolle, wie viele Personen in der Wohnung wohnten, solange diese nicht überbelegt sei. Schimmel stelle immer einen Sachmangel der Mietwohnung dar. Hier könne die Miete gemindert und die Beseitigung des Schimmels verlangt werden (LG Berlin, Urteil vom 15.4.2016, Az. 65 S 400/15).
In älteren Urteilen haben andere Gerichte entschieden, dass zwei- bis dreimaliges Stoß- bzw. Querlüften dem Mieter zugemutet werden kann (OLG Frankfurt. Az. 19 U 7/99; LG Hamburg, Az. 16 S 122/87).

Wann wird eine Mietminderung zum Kündigungsgrund für den Vermieter?


Eine Mietminderung führt zu der Gefahr, dass der Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtigt sein kann. Dies ist der Fall, wenn die Mietminderung nicht gerechtfertigt war und der Mietrückstand wegen der Minderung den Betrag von zwei Monatsmieten erreicht. Alternativ reicht auch ein Zahlungsverzug für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete.

So hat auch der Bundesgerichtshof am 11.7.2012 entschieden. Im damaligen Fall hatte der Mieter die Miete gemindert, weil er fest von Baumängeln als Ursache für den Schimmelbefall ausging. Ein Sachverständiger sah die Schuld jedoch beim Mieter, der zu wenig geheizt und gelüftet hatte. Weil der Mietrückstand infolge der Minderung den kritischen Betrag überschritten hatte, war eine fristlose Kündigung zulässig (Az. VIII ZR 138/11).

Wann darf der Mieter wegen Schimmel fristlos kündigen?


Für Mieter ist Schimmel dann ein Grund für eine fristlose Kündigung, wenn er ein solches Ausmaß angenommen hat, dass bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen bestehen (AG Charlottenburg, Urteil vom 9.7.2007, Az. 203 C 607/06) oder diese zumindest ernsthaft zu befürchten sind. Auch in einem solchen Fall muss der Mieter jedoch zuerst den Schimmelbefall melden und den Vermieter mit Fristsetzung zu dessen Beseitigung auffordern. Eine solche Abmahnung ist nicht entbehrlich (Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.4.2007, Az. VIII ZR 182/06). Oft kann eine Gesundheitsgefahr nur durch ein Gutachten nachgewiesen werden, das auch die Giftigkeit unterschiedlicher Schimmelarten berücksichtigt – denn nicht jeder Schimmel ist gleich.

Praxistipp zum Schimmel in Mietwohnungen


Verfahren um Schimmel erfordern oft teure Sachverständigengutachten. Oft enden sie nicht mit einer eindeutigen Zahlungspflicht einer Partei. Schimmel wird häufig nämlich durch ein ganzes Ursachenbündel verursacht. Um so wichtiger ist hier eine fundierte Beratung durch einen Fachanwalt für Mietrecht, der die Chancen im Einzelfall abschätzen kann.

(Wk)


 Günter Warkowski
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Juristische Redaktion
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