Wann ist es zulässig, Straßen für Autos zu sperren?
25.06.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Das Wichtigste in Kürze
1. Stadtplanung: Zuvorderst in Berlin werden immer mehr diagonale Straßensperren errichtet, die den Verkehr in sogenannten Kiezblocks beruhigen sollen, indem Straßen für den Autoverkehr in Geradeausrichtung gesperrt werden.
2. Rechtsgrundlage: Eine Straße kann aus verschiedenen Gründen - auch zeitweilig - gesperrt werden. Diese sind in § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgelistet. Hierzu zählt insbesondere die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs.
3. Rechtswidrigkeit: Die Verwaltungsgerichte sehen diagonale Straßensperren als rechtswidrig an, wenn sie aus städteplanerischen Gründen erfolgen. Erforderlich ist aber, dass sie der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs dienen.
1. Stadtplanung: Zuvorderst in Berlin werden immer mehr diagonale Straßensperren errichtet, die den Verkehr in sogenannten Kiezblocks beruhigen sollen, indem Straßen für den Autoverkehr in Geradeausrichtung gesperrt werden.
2. Rechtsgrundlage: Eine Straße kann aus verschiedenen Gründen - auch zeitweilig - gesperrt werden. Diese sind in § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgelistet. Hierzu zählt insbesondere die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs.
3. Rechtswidrigkeit: Die Verwaltungsgerichte sehen diagonale Straßensperren als rechtswidrig an, wenn sie aus städteplanerischen Gründen erfolgen. Erforderlich ist aber, dass sie der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs dienen.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was sind diagonale Straßensperrungen und Kiezblocks? Welches Ziel verfolgt die Politik mit diagonalen Straßensperren? Welche Kritik gibt es an diagonalen Straßensperrungen und Kiezblocks? Wann darf eine Straße gesperrt werden? Auf welcher Rechtsgrundlage beruht eine Diagonalsperre in Berlin? Welche Behörde darf eine Straße sperren? Wer kann und wie kann man gegen eine Diagonalsperre vorgehen? Was passiert, wenn eine Straßensperrung angefochten wird? Welche Gerichtsurteile gibt es zu diagonalen Straßensperren? Absperrung im Berlin-Neuköllner Reuterkiez ist zulässig Update vom 25.6.2025: OVG Berlin entscheidet zum Reuterkiez Wann dürfen Fahrradstraßen eingerichtet werden? Praxistipp zu Diagonalsperren Was sind diagonale Straßensperrungen und Kiezblocks?
Diagonalsperren oder diagonale Straßensperren werden so über eine Kreuzung angelegt, dass das Befahren einer der abzweigenden Straßen und geradeaus nicht mehr möglich ist. Umgesetzt werden sie meist durch rotweiße Pfosten, teilweise in Verbindung mit kleinen erhöhten Verkehrsinseln. Unter einem Kiezblock - ein rein Berliner Begriff - versteht man ein ganzes Wohngebiet ohne Kfz-Durchgangsverkehr, durchaus aber mit Anwohnerverkehr, Lieferverkehr und Befahrbarkeit für Rettungsfahrzeuge. Dabei kommen zum Teil jedoch auch Durchfahrverbote zur Anwendung.
Welches Ziel verfolgt die Politik mit diagonalen Straßensperren?
Diagonalsperren sollen die Zufahrt von Fahrzeugen in bestimmte Straßen ganz unterbinden, um verkehrsberuhigte Bereiche in der Stadt zu schaffen. In Berlin wurde zu diesem Zweck vom vormaligen rot-rot-grünen Senat das "Berliner Mobilitätsgesetzt" beschlossen, das ÖPNV, Fahrrad- und Fußgängerverkehr Vorrang vor dem Autoverkehr gibt.
Welche Kritik gibt es an diagonalen Straßensperrungen und Kiezblocks?
Die Verkehrsberuhigung im Wege von Diagonalsperren in den sogeannten Kiezblocks, also letztich in Seitenstraßen, führt dazu, dass der Verkehr auf die angrenzenden Hauptstraßen umgelenkt wird und sich dort entsprechend verstärkt. Dort nimmt die Verkehrsbelastung für die Anwohner stark zu. Die Anwohner der Seitenstraßen bekommen also eine bessere Wohnqualität, obwohl sie selbst auch ein Auto fahren, während die Anwohner der Hauptverkehrsstraßen eine starke Mehrbelastung erfahren.
Wann darf eine Straße gesperrt werden?
Die Sperrung einer Straße kann aus einer ganzen Reihe von Gründen zulässig sein, die § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) auflistet.
Dazu gehören
- Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs,
- Durchführung von Arbeiten im Straßenraum,
- Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße,
- zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen,
- zum Schutz der Gewässer und Heilquellen,
- hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen sowie
- zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.
Eine Sperrung kann dauerhaft oder nur zeitweilig erfolgen.
§ 45 Abs. 9 StVO sagt zum Thema Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen: "Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt."
Auf welcher Rechtsgrundlage beruht eine Diagonalsperre in Berlin?
Eine Diagonalsperre fällt unter den Bereich "Verkehrsberuhigung" bzw. "Verkehrsplanung". Die Verkehrsbehörden dürfen nach § 45 Abs. 1b Nr. 3 StVO auch die notwendigen Anordnungen zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen treffen. Hier spricht das Gesetz jedoch nicht ausdrücklich von Sperrung. Als weitere Rechtsgrundlage kommt das "Berliner Mobilitätsgesetz" in Betracht, welches ÖPNV, Fahrrad- und Fußgängerverkehr Vorrang vor dem Autoverkehr einräumt.
Welche Behörde darf eine Straße sperren?
Die örtliche Straßenverkehrsbehörde muss eine Sperrung anordnen. Privatpersonen oder Unternehmen können eine Straßensperrung beantragen, etwa für Bauarbeiten oder im Rahmen von Veranstaltungen. Auch dann muss eine Anordnung der Behörde mit entsprechenden Auflagen erfolgen.
Wer kann und wie kann man gegen eine Diagonalsperre vorgehen?
Jede Person, die direkt von einer solchen diagonale Straßensperrung betroffen ist, hat das Recht, diese mittels Widerspruch und Klage anzufechten. Dies betrifft die Anwohner genauso, wie sonstige Verkehrsteilnehmer, die die gesperrte Straße nutzen. Wichtig ist, dass der Widerspruch innerhalb der gesetzlichen Fristen erfolgen muss, die in der Regel einen Monat nach Bekanntgabe der Einrichtung der Straßensperrung beträgt.
Weitere Infos dazu finden Sie hier:
Halteverbot & Co: Kann ich gegen ein Verkehrszeichen vor Gericht klagen?
Was passiert, wenn eine Straßensperrung angefochten wird?
Das Gericht prüft in solchen Fällen, ob die Maßnahme die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage erfüllt, auf der sie beruht. Bei einer dauerhaften Straßensperrung für den fließenden Verkehr ist entscheidend, ob diese durch Gründe der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs gerechtfertigt ist. Bisherige Gerichtsurteile aus Berlin haben Straßensperrungen in der Art der Diagonalsperre meist für unzulässig erklärt.
Welche Gerichtsurteile gibt es zu diagonalen Straßensperren?
Das Verwaltungsgericht Berlin hat am 24.10.2022 einen Beschluss im Eilverfahren gefasst. Darin erklärte es die Sperrung der Friedrichstraße in Berlin-Mitte für rechtswidrig. Die grün geführte Berliner Verkehrssenat hatte das Ziel verfolgt, diese größere historische Straße zur Flaniermeile und zum Fußgängerbereich ohne Autoverkehr zu machen. Nach einer temporären Sperrung beantragte die zuständige Senatsverwaltung beim Bezirksamt Mitte die straßenrechtliche Teileinziehung des gesperrten Abschnitts. Es sollte also die Widmung als eine öffentliche, auch dem motorisierten Verkehr offenstehende Straße geändert werden. Bis zum Ende dieses Verfahrens wurde die Straße per behördlicher Anordnung auf einem Teilstück gesperrt. Dies sei nötig, "im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung", um "die positiven Aspekte des Verkehrsversuchs bis zur Teileinziehung zu erhalten".
Das Gericht sah dies anders. Allein aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs dürften die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßenstrecken beschränken oder verbieten. Der Erlass einer verkehrsregelnden Anordnung erfordere eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs. Diese fehle hier. Der Wunsch, die Aufenthaltsqualität in der Friedrichstraße als Geschäftsstraße zu verbessern, reiche nicht aus.
Die Straßenverkehrsordnung enthalte keine Rechtsgrundlage, um den Fahrzeugverkehr allein wegen verkehrsordnungspolitischer Konzeptionen zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Anwohner- und Wirtschaftsverkehrs zu verdrängen. Geklagt hatte eine örtliche Geschäftsinhaberin (Az. VG L 398/22).
Mitte Juli 2024 entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass auch die Sperrung der Tucholskystraße als Fahrradstraße unter Verwendung von Pollern (sogenannter "Modalfilter") unzulässig sei. Diese war mit der Entschärfung einer Gefahrensituation begründet worden, die das Gericht jedoch nicht erkennen konnte. Kläger waren Anwohner und Geschäftsinhaber (Beschluss vom 12.7.2024, Az. VG 11 L 495/24). Anfang 2024 war bereits ein ähnliches Urteil ergangen, das eine Sperrung durch Poller im Rahmen eines "Kiezblocks" in Berlin-Pankow betraf.
Absperrung im Berlin-Neuköllner Reuterkiez ist zulässig
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass die Poller und Einbahnstraßenschilder rund um den sogenannten Reuterkiez in Berlin-Neukölln rechtlich zulässig sind. Die Absperrmaßnahmen waren angelegt worden, um den Durchgangsverkehr aus diesem Gebiet auszusperren. Allerdings hatten zwei Anwohner und ein Autofahrer dagegen geklagt. Ihrer Ansicht nach war die Regelung unnötig, weil vom Durchgangsverkehr keine erhöhte Gefahr ausginge. Das Verwaltungsgericht war jedoch der Ansicht, dass die Straßenverkehrsbehörde diese Maßnahmen habe treffen dürfen, um die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs zu gewährleisten. Die vom Bezirksamt vorgelegten Daten würden zeigen, dass der Reuterkiez ein Wohngebiet sei, in dem es eine erhöhte Fahrraddichte und erhöhte Unfallzahlen gebe. Es sei zu erwarten, dass sich die Anzahl der Unfälle durch weniger Autoverkehr verringern werde. Der Bezirk habe hier seinen Ermessensspielraum in zulässiger Weise ausgeübt (Beschluss vom 28.3.2025, Az. 11 L 792/24).
Update vom 25.6.2025: OVG Berlin entscheidet zum Reuterkiez
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Straßensperrung durch Poller im Bereich Reuterkiez rechtmäßig erfolgt ist. Die Entscheidung erfolgte in einem Eilverfahren und bestätigt die Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin. Das Gericht argumentierte damit, dass alle Maßnahmen vor Ort Teil eines Gesamtkonzepts seien. Es müsse also nicht für jede einzelne gesperrte Straße oder Kreuzung eine besondere Gefahrenlage festgestellt werden. Der Bezirk habe mit seinen Anordnungen eine Verkehrsberuhigung beabsichtigt. Das Bezirksamt könne im Rahmen seines Einschätzungsspielraums festlegen, durch welche Maßnahmen der festgestellten Gefahrenlage am besten begegnet werden könne. Mildere Mittel seien nicht zu prüfen gewesen, weil die Antragsteller nicht den Nachweis ersichtlich sachfremder Maßnahmen geführt hätten. Auch Ermessensfehler hätten nicht vorgelegen. Auch seien die Belange der Anwohner und Autofahrer von der Vorinstanz ausreichend berücksichtigt worden. Der Beschluss ist rechtskräftig (Beschluss vom 16.6.2025, Az. OVG 1 S 29/25). Der Bezirk wies darauf hin, dass die Unfallzahlen im Reuterkiez bereits deutlich zurückgegangen seien.
Der Berliner Senat hat jedoch die Finanzierung eines ähnlichen Modellprojekts in Berlin-Mitte gestoppt. Auch die Finanzierung für weitere Kiezblocks in anderen Bezirken soll zunächst nicht fortgesertzt werden. Die Verkehrsverwaltung begründet dies damit, dass bei den entsprechenden Planungen der Bezirke die Belange von Anwohnern, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten, Wirtschafts- und Lieferverkehren sowie Buslinien nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
Wann dürfen Fahrradstraßen eingerichtet werden?
Zur Einrichtung von Fahrradstraßen haben wir hier weitere Informationen bereitgestellt:
Fahrradstraße: Einrichtung rechtens, Klage möglich?
Praxistipp zu Diagonalsperren
Diagonalsperren werden oft aus stadtplanerischen Gründen eingerichtet, die jedoch rechtlich allein nicht ausreichen. Beratung zu diesem Thema finden Anwohner bei einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht, der Ihren individuellen Fall am besten beurteilen kann.
(Ma)