Wann ist es zulässig, Straßen für Autos zu sperren?

30.08.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
diagonale Sperrung,Straßensperrung,Verkehrsberuhigung,Berlin Nicht jede Straßensperrung ist im Einklang mit dem Verkehrsrecht. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Stadtplanung: Zuvorderst in Berlin werden immer mehr diagonale Straßensperren errichtet, die den Verkehr in sogenannten Kiezblocks beruhigen sollen, indem Straßen für den Autoverkehr in Geradeausrichtung gesperrt werden.

2. Rechtsgrundlage: Eine Straße kann aus verschiedenen Gründen - auch zeitweilig - gesperrt werden. Diese sind in § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgelistet. Hierzu zählt insbesondere die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs.

3. Rechtswidrigkeit: Die Verwaltungsgerichte sehen diagonale Straßensperren als rechtswidrig an, wenn sie aus städteplanerischen Gründen erfolgen. Erforderlich ist aber, dass sie der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs dienen.
Das Ziel grüner städtischer Politik ist klar umrissen: weniger Autos in der Stadt, mehr verkehrsberuhigte Zonen. Dies führt zum Teil zur Sperrung von Straßen für den Autoverkehr, oft durch Poller mitten auf Kreuzungen. Einige Anwohner freuen sich über mehr Ruhe. Andere sind weniger begeistert, denn sie wollen mit ihrem Auto weiterhin ihr Grundstück anfahren. Auch Geschäftsinhaber sehen die Sperrungen oft kritisch, weil darunter ihr Umsatz leidet. Wann ist eine solche Sperrung überhaupt rechtlich erlaubt?

Was sind diagonale Straßensperrungen und Kiezblocks?


Diagonalsperren oder diagonale Straßensperren werden so über eine Kreuzung angelegt, dass das Befahren einer der abzweigenden Straßen und geradeaus nicht mehr möglich ist. Umgesetzt werden sie meist durch rotweiße Pfosten, teilweise in Verbindung mit kleinen erhöhten Verkehrsinseln. Unter einem Kiezblock - ein rein Berliner Begriff - versteht man ein ganzes Wohngebiet ohne Kfz-Durchgangsverkehr, durchaus aber mit Anwohnerverkehr, Lieferverkehr und Befahrbarkeit für Rettungsfahrzeuge. Dabei kommen zum Teil jedoch auch Durchfahrverbote zur Anwendung.

Welches Ziel verfolgt die Politik mit diagonalen Straßensperren?


Diagonalsperren sollen die Zufahrt von Fahrzeugen in bestimmte Straßen ganz unterbinden, um verkehrsberuhigte Bereiche in der Stadt zu schaffen. In Berlin wurde zu diesem Zweck vom vormaligen rot-rot-grünen Senat das "Berliner Mobilitätsgesetzt" beschlossen, das ÖPNV, Fahrrad- und Fußgängerverkehr Vorrang vor dem Autoverkehr gibt.

Welche Kritik gibt es an diagonalen Straßensperrungen und Kiezblocks?


Die Verkehrsberuhigung im Wege von Diagonalsperren in den sogeannten Kiezblocks, also letztich in Seitenstraßen, führt dazu, dass der Verkehr auf die angrenzenden Hauptstraßen umgelenkt wird und sich dort entsprechend verstärkt. Dort nimmt die Verkehrsbelastung für die Anwohner stark zu. Die Anwohner der Seitenstraßen bekommen also eine bessere Wohnqualität, obwohl sie selbst auch ein Auto fahren, während die Anwohner der Hauptverkehrsstraßen eine starke Mehrbelastung erfahren.

Wann darf eine Straße gesperrt werden?


Die Sperrung einer Straße kann aus einer ganzen Reihe von Gründen zulässig sein, die § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) auflistet.

Dazu gehören

- Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs,
- Durchführung von Arbeiten im Straßenraum,
- Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße,
- zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen,
- zum Schutz der Gewässer und Heilquellen,
- hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen sowie
- zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.

Eine Sperrung kann dauerhaft oder nur zeitweilig erfolgen.

§ 45 Abs. 9 StVO sagt zum Thema Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen: "Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt."

Auf welcher Rechtsgrundlage beruht eine Diagonalsperre in Berlin?


Eine Diagonalsperre fällt unter den Bereich "Verkehrsberuhigung" bzw. "Verkehrsplanung". Die Verkehrsbehörden dürfen nach § 45 Abs. 1b Nr. 3 StVO auch die notwendigen Anordnungen zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen treffen. Hier spricht das Gesetz jedoch nicht ausdrücklich von Sperrung. Als weitere Rechtsgrundlage kommt das "Berliner Mobilitätsgesetz" in Betracht, welches ÖPNV, Fahrrad- und Fußgängerverkehr Vorrang vor dem Autoverkehr einräumt.

Wer darf eine Straße sperren?


Die örtliche Straßenverkehrsbehörde muss eine Sperrung anordnen. Privatpersonen oder Unternehmen können eine Straßensperrung beantragen, etwa für Bauarbeiten oder im Rahmen von Veranstaltungen. Auch dann muss eine Anordnung der Behörde mit entsprechenden Auflagen erfolgen.

Was passiert, wenn eine Straßensperrung angefochten wird?


Das Gericht prüft in solchen Fällen, ob die Maßnahme die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage erfüllt, auf der sie beruht. Bei einer Straßensperrung für den fließenden Verkehr ist entscheidend, ob diese durch Gründe der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs gerechtfertigt ist. Bisherige Gerichtsurteile aus Berlin haben Straßensperrungen in der Art der Diagonalsperre meist für unzulässig erklärt.

Welche Gerichtsurteile gibt es zu diagonalen Straßensperren?


Das Verwaltungsgericht Berlin hat am 24.10.2022 einen Beschluss im Eilverfahren gefasst. Darin erklärte es die Sperrung der Friedrichstraße in Berlin-Mitte für rechtswidrig. Die grün geführte Berliner Verkehrssenat hatte das Ziel verfolgt, diese größere historische Straße zur Flaniermeile und zum Fußgängerbereich ohne Autoverkehr zu machen. Nach einer temporären Sperrung beantragte die zuständige Senatsverwaltung beim Bezirksamt Mitte die straßenrechtliche Teileinziehung des gesperrten Abschnitts. Es sollte also die Widmung als eine öffentliche, auch dem motorisierten Verkehr offenstehende Straße geändert werden. Bis zum Ende dieses Verfahrens wurde die Straße per behördlicher Anordnung auf einem Teilstück gesperrt. Dies sei nötig, "im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung", um "die positiven Aspekte des Verkehrsversuchs bis zur Teileinziehung zu erhalten".

Das Gericht sah dies anders. Allein aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs dürften die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßenstrecken beschränken oder verbieten. Der Erlass einer verkehrsregelnden Anordnung erfordere eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs. Diese fehle hier. Der Wunsch, die Aufenthaltsqualität in der Friedrichstraße als Geschäftsstraße zu verbessern, reiche nicht aus.

Die Straßenverkehrsordnung enthalte keine Rechtsgrundlage, um den Fahrzeugverkehr allein wegen verkehrsordnungspolitischer Konzeptionen zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Anwohner- und Wirtschaftsverkehrs zu verdrängen. Geklagt hatte eine örtliche Geschäftsinhaberin (Az. VG L 398/22).

Mitte Juli 2024 entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass auch die Sperrung der Tucholskystraße als Fahrradstraße unter Verwendung von Pollern (sogenannter "Modalfilter") unzulässig sei. Diese war mit der Entschärfung einer Gefahrensituation begründet worden, die das Gericht jedoch nicht erkennen konnte. Kläger waren Anwohner und Geschäftsinhaber (Beschluss vom 12.7.2024, Az. VG 11 L 495/24). Anfang 2024 war bereits ein ähnliches Urteil ergangen, das eine Sperrung durch Poller im Rahmen eines "Kiezblocks" in Berlin-Pankow betraf.

Wer kann und wie kann man gegen eine Diagonalsperre vorgehen?

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Praxistipp zu Diagonalsperren


Diagonalsperren werden oft aus stadtplanerischen Gründen eingerichtet, die jedoch rechtlich allein nicht ausreichen. Beratung zu diesem Thema finden Anwohner bei einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht, der Ihren individuellen Fall am besten beurteilen kann.

(Ma)


 Ulf Matzen
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