Wie funktionieren Zertifikate?

28.02.2018, Autor: Herr Karsten Eckhardt / Lesedauer ca. 5 Min. (103 mal gelesen)
Sind Zertifikate für den Privatanleger sinnvoll? Welche Chancen und Risiken bestehen?

Anlegern steht heute eine breite Palette von möglichen Finanzinstrumenten und Anlageformen zur Verfügung. Dabei ist es oft nicht leicht, den Überblick zu behalten und die Sinnhaftigkeit, aber auch die Risiken der angebotenen Produkte im Blick zu behalten.

Gerade in Zeiten von Niedrigzinsen ist es für Kleinanleger schwer, eine sinnvolle Geldanlage zu finden, bei der einigermaßen attraktive Renditen erwirtschaftet werden können. So manch ein privater Anleger mag dann auch zu riskanteren Finanzinstrumenten, wie z.B. Zertifikaten, greifen.

Was aber sind Zertifikate überhaupt und welche Risiken stehen den Gewinnmöglichkeiten gegenüber? Lohnt sich eine solche Anlage für Privat- bzw. Kleinanleger?

In jedem Fall sollte eine Entscheidung für oder gegen die Investition in Zertifikate nur nach einer gründlichen Analyse der eigenen Anlageziele, aber auch anhand einer ehrlichen Einschätzung der eigenen finanziellen Belastbarkeit und Risikofreude erfolgen.

Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen ersten Überblick über die grundsätzliche Begrifflichkeit, die rechtlichen Besonderheiten und wirtschaftlichen Chancen und Risiken geben.

I. Grundgedanke von Zertifikaten

Zertifikate vereinen Merkmale von Anleihen (Schuldverschreibung) und Derivaten und können daher als Schuldverschreibung mit derivativen Komponenten beschrieben werden. Rechtlich sind sie als Anleihen zu qualifizieren.

Im Gegensatz zu einer klassischen Anleihe wird dem Anleger beim Zertifikat jedoch kein fester Zins über die Laufzeit garantiert.
Vielmehr hängt die Wertentwicklung des Zertifikats von der Wertentwicklung bestimmter anderer Finanzprodukte ab. An dieser Stelle ähnelt das Zertifikat dem Konstrukt der Derivate. Der Anleger nimmt durch das Zertifikat am Erfolg oder aber auch Misserfolg von anderen (Börsen-)Geschäften teil. Diese dem Zertifikat zugrundeliegenden Geschäfte/Finanzinstrumente bilden den Basiswert, aus dem sich der Wert des Zertifikats ableitet.

Da das Zertifikat aber rechtlich eine Anleihe/Schuldverschreibung ist, erwirbt der Anleger nie ein Eigentumsrecht – auch wenn das Zertifikat z.B. von der Entwicklung einer bestimmten Aktie abhängt – sondern immer nur einen Anspruch gegen den Herausgeber des Zertifikats auf Zahlung zu vorher festgelegten Konditionen.

Mittlerweile haben sich die unterschiedlichsten Arten von Zertifikaten herausgebildet, wie z.B. Discount-Zertifikate oder Bonuszertifikate. Die Idee des Zertifikats kam in Deutschland aber erstmals in den 1990er Jahren durch die Auflage von sog. Indexzertifikaten auf. Erster Anbieter war die Dresdner Bank, bei der Anleger ein Indexzertifikat erwerben konnten, das den DAX abbildete.

Bei einem solchen Indexzertifikat, dass den DAX oder aber auch einen anderen Index, wie z.B. einen Rohstoffindex abbilden kann, hängt die Wertentwicklung des Zertifikats von der Entwicklung des abgebildeten Index ab.
Steigt bspw. der Dax im Wert, steigt auch der Wert des Zertifikats. Im Gegenzug dazu sinkt der Wert des Zertifikats, wenn der Kurswert des Index sinkt.

Wie bei einer „normalen“ Anleihe auch, hat der Anleger aber auch im Rahmen eines Indexzertifikats das Geld nur an den Emittenten verliehen mit dem Anspruch, seine Zahlung nach dem Ende einer Laufzeit zurückzuerhalten. Bei der Rückgabe ist dann der in diesem Zeitpunkt geltende Indexstand zurückzuzahlen. Es sind also auch Verluste möglich, wenn sich der Indes nicht so entwickelt hat, wie der Anleger dies erwartet hat.

Die Indexzertifikate stellen die Grundform der Zertifikate dar, die – insofern sie sich darauf beschränken die großen Indizes wie z.B. den Dax nachzubilden – in der Regel auch von Privatanlegern in ihrer Funktionsweise gut nachvollzogen und damit hinsichtlich der Risiken eingeschätzt werden können, zumal über die Wertentwicklung der großen Indizes auch regelmäßig in der Tagespresse berichtet wird.

Angesichts der immer weiter steigenden Komplexität der Finanzprodukte und der Bedürfnisse des Marktes nach möglichst renditeträchtigen Anlageformen haben sich aber auch Zertifikate zu immer komplexeren Produkten weiterentwickelt, die teils nur noch sehr bedingt für Kleinanleger geeignet sind.

II. Chancen und Risiken

Zertifikate bieten Kleinanlegern die Möglichkeit, an Finanzinstrumenten teilzuhaben, zu denen sie als Privatperson sonst überhaupt keinen oder nur sehr schwer Zugang hätten.
Auch lassen sich mit Zertifikaten Renditen erzielen, die Anleger mit klassischen Anlage- und Sparprodukten nicht erreichen könnten.
Da der Anleger zudem nicht den Basiswert selbst erwirbt (z.B. die Aktie oder einen bestimmten Rohstoff), sondern nur das aus ihm abgeleitete Zertifikat, bietet sich dem Anleger auch die Möglichkeit, mit relativ geringem Kapitaleinsatz in Basiswerte zu investieren, deren Erwerb sonst für ihn zu teuer gewesen wäre.

Wie immer hat die Möglichkeit guter Gewinne aber auch eine Kehrseite. Anleger, die sich für Zertifikate interessieren, sollten sich sehr genau informieren, welche Art von Zertifikat ihnen angeboten wird.

Die Fülle der mittlerweile auf dem Markt vertretenen Zertifikate ist kaum noch zu überblicken. Bedingt durch die unterschiedlichen Konstruktionen, gibt es auch unterschiedliche Risiken, die der Anleger bedenken sollte.

Da es sich bei Zertifikaten um Schuldverschreibungen handelt, besteht selbst bei dem oben beschriebenen Indexzertifikat - das in der Regel in seiner Funktionsweise noch gut nachvollzogen werden kann - das Risiko des Totalverlustes, nämlich immer dann, wenn der Emittent – also derjenige, der das Zertifikat auflegt – in die Insolvenz rutscht (Emittentenrisiko). Eine Sicherung durch Einlagensicherungsfonds der Banken besteht bei Zertifikaten nämlich gerade nicht, auch kein besonderer Schutz des Anlegers im Rahmen des Insolvenzrechtes.

Die rechtliche Qualifizierung als Schuldverschreibung beinhaltet zudem, dass der Anleger am Basiswert kein Eigentum erwirbt. Bezieht sich das Zertifikat also bspw. auf Aktien, hat der Inhaber eines Zertifikats keinen Anspruch auf Auszahlung einer Dividende. An positiven Entwicklungen des Basiswerts, die nur den Eigentümern zustehen, nimmt der Anleger mit einem Zertifikat nicht teil.
Je nachdem, für welche Art von Zertifikat der Anleger sich entscheidet, kann sich das Zertifikat auch schlechter als der zugrundeliegende Basiswert entwickeln, so z.B. bei dem weiter unter aufgeführten Hebelzertifikat.

Der Markt hat eine Unmenge an unterschiedlichen Varianten von Zertifikaten hervorgebracht, mit denen versucht wird, auf alle nur denkbaren Szenarien am Kapitalmarkt zu reagieren.

So gibt es z.B. sog. Discount-Zertifikate, die dem Anleger Gewinne ermöglichen sollen, auch wenn z.B. ein Index wie der Dax sich weder klar nach oben noch nach unten entwickelt, also quasi „auf der Stelle“ tritt.

Des Weiteren gibt es Bonuszertifikate, die eine möglichst große Bandbreite von denkbaren Kursentwicklungen absichern sollen.

Als für den Anleger besonderes risikoreich sind allerdings sog. Hebelzertifikate einzustufen.
Bei diesen Zertifikaten markiert ein vorher bestimmter Kurswert eine Grenze (Strike), bei deren über – oder unterschreiten das Zertifikat wertlos wird. Der Hebel bewirkt, dass der Anleger entweder überproportional Gewinne erwirtschaften kann, oder aber im schlimmsten Fall einen Totalverlust erleidet.
Diese Form des Zertifikats sollte sicherlich nur ausgewiesenen Kennern des Finanzmarktes vorbehalten sein, die Entwicklungen des Kapitalmarkts abschätzen können und über genügend finanzielle Reserven verfügen, um Verluste notfalls aufzufangen.

III. Fazit

Ob sich die Anlage in Zertifikate lohnt, hängt wesentlich davon ab, welche Art von Zertifikat der Anleger wählt. Es wäre sicherlich falsch davon auszugehen, dass jede Art von Zertifikat für den privaten Anleger ungeeignet ist.

Wie bei jeder Anlageentscheidung, sollte der Anleger sich aber zunächst fragen, für welchen Zweck er die Anlage einsetzen möchte. Für den Aufbau einer Altersvorsorge sind Zertifikate sicherlich nur sehr bedingt geeignet, da sie keine stabil vorhersehbare Wertentwicklung haben und schlimmstenfalls auch mit einem Totalverlust einhergehen können.

Nicht ratsam erscheint für den privaten Anleger aber die Investition in hochriskante Zertifikate, wie z.B, Hebelzertifikate. Es sollte das Prinzip gelten, dass der private Anleger nur in solche Produkte investiert, deren Funktionsweise er auch in Gänze nachvollziehen kann und deren Risiken für ihn transparent sind.

Es empfiehlt sich in jedem Falle vor einer entsprechenden Investition sich unabhängigen Rat einzuholen.

Autor dieses Rechtstipps

Rechtsanwalt
Karsten Eckhardt

WiBaR-Kanzlei für Wirtschafts- und Bankrecht

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