Bundesarbeitsgericht kassiert Kündigung wegen Diebstahls/Unterschlagung geringwertiger Sachen
15.06.2010, Autor: Herr Mathias Henke / Lesedauer ca. 2 Min. (3246 mal gelesen)
Das Bundesarbeitsgericht relativiert den bisherigen Grundsatz, dass verhaltensbedingte Kündigungen ohne vorherige Abmahnungen grundsätzlich auch dann zulässig sind, wenn es sich bei den gestohlenen oder unterschlagenen Gegenständen um Dinge von geringem Wert handelt.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner jüngsten Entscheidung (10.06.2010) seinen bislang von ihm selbst fortwährend vertretenen Grundsatz nachhaltig in Frage gestellt, nach dem bei Straftaten des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, insbesondere bei Eigentumsdelikten, eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers auch dann rechtmäßig ist, wenn sich der Rechtsverstoß des Arbeitnehmers auf eine mehr oder weniger geringwertige Sache bezieht.
Im konkreten Fall, der in der Öffentlichkeit sehr bekannt gewordene Fall „Emmely“, hatte eine Kassiererin zwei – offensichtlich von einem Kunden vergessene oder verlorene - Leergutbons im Werte von insgesamt 1,30 € für sich eigenmächtig verwendet und sich selbst gutgeschrieben.
Bislang hatte das BAG hierzu in derartigen Fällen eine rigide Linie zugunsten des Arbeitgebers vertreten: Ohne Rücksicht auf den Wert und den tatsächlichen Schaden wurde jedes Eigentumsdelikt des Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber als ein derart schwerer Vertrauensverstoß angesehen, dass es dem Arbeitgeber nicht zumutbar erschien, auch nur einen Tag länger den betreffenden Arbeitnehmer zu beschäftigen. Dieser Grundsatz galt bislang ausdrücklich auch bei geringwertigen Bagatelle-Fällen.
In seiner neuesten Entscheidung entschieden die Bundesrichter jedoch relativ überraschend zugunsten der Arbeitnehmerin:
Angesichts der langen Dauer der Betriebszugehörigkeit (hier rund 30 Jahre), der Ungestörtheit des bisherigen Arbeitsverhältnisses, des geringen Ausmaßes des Pflichtverstoßes und des letztlich geringen Schadens, sei das Vertrauensverhältnis „noch nicht derart aufgezehrt“ , dass von einem völligen und irreparablen Vertrauensverlust gesprochen werden könne. Der Pflichtverstoß sei daher insgesamt als nicht erheblich genug zu werten, als dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt wäre.
Wertung:
Die Entscheidung stellt entgegen oftmals verbreiteter Meinungen keine grundsätzliche Kehrtwende in der bisherigen Rechtsprechung dar. Nach wie vor hält das BAG daran fest, dass jede auch noch so kleine Straftat grundsätzlich einen wichtigen Grund darstellt, der zur fristlosen Kündigung berechtigt. Die Richter unterstrichen denn auch nochmals ausdrücklich, dass es keine Geringfügigkeitsgrenze gibt, unterhalb derer der Arbeitnehmer gefahrlos Straftaten begehen könne.
Aber alle Gerichte müssen fortan – und das ist das Neue an der Entscheidung – die zusätzlich vorzunehmende Interessenabwägung stärker akzentuieren: Bei langer Betriebszugehörigkeit und einer entsprechend langen Dauer der Ungestörtheit des Arbeitsverhältnisses muss der vorgeworfene Pflichtverstoß in einem derartigen erheblichen Verhältnis stehen, dass tatsächlich ein nicht wieder gut zumachender Vertrauensverlust angenommen werden kann.
Letztlich erweist sich die neue Rechtsprechung des BAG als sehr salomonisch: Weder soll sich der Arbeitnehmer auf die Geringwertigkeit der gestohlenen oder unterschlagen Sache herausreden, noch der Arbeitgeber jede geringwertige Straftat zum Anlaß nehmen können, zu kündigen, jedenfalls dann nicht, wenn bislang das Arbeitsverhältnis ohne Beanstandungen ablief und der Arbeitnehmer bereits lange Zeit beschäftigt ist.
Fazit:
Im Ergebnis wird man daher sagen können. Eine gute und wichtige Entscheidung, die insbesondere den unteren Gerichten (Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten) die allzuoft pauschale und abstrakte Anwendung der bisherigen Rechtsprechung in Zukunft verbietet.
Ein Freibrief, fortan ungestört Straftaten im Minimal-Rahmen zu begehen ist es, wie die Urteilsgründe deutlich zeigen, jedoch eben nicht.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner jüngsten Entscheidung (10.06.2010) seinen bislang von ihm selbst fortwährend vertretenen Grundsatz nachhaltig in Frage gestellt, nach dem bei Straftaten des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, insbesondere bei Eigentumsdelikten, eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers auch dann rechtmäßig ist, wenn sich der Rechtsverstoß des Arbeitnehmers auf eine mehr oder weniger geringwertige Sache bezieht.
Im konkreten Fall, der in der Öffentlichkeit sehr bekannt gewordene Fall „Emmely“, hatte eine Kassiererin zwei – offensichtlich von einem Kunden vergessene oder verlorene - Leergutbons im Werte von insgesamt 1,30 € für sich eigenmächtig verwendet und sich selbst gutgeschrieben.
Bislang hatte das BAG hierzu in derartigen Fällen eine rigide Linie zugunsten des Arbeitgebers vertreten: Ohne Rücksicht auf den Wert und den tatsächlichen Schaden wurde jedes Eigentumsdelikt des Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber als ein derart schwerer Vertrauensverstoß angesehen, dass es dem Arbeitgeber nicht zumutbar erschien, auch nur einen Tag länger den betreffenden Arbeitnehmer zu beschäftigen. Dieser Grundsatz galt bislang ausdrücklich auch bei geringwertigen Bagatelle-Fällen.
In seiner neuesten Entscheidung entschieden die Bundesrichter jedoch relativ überraschend zugunsten der Arbeitnehmerin:
Angesichts der langen Dauer der Betriebszugehörigkeit (hier rund 30 Jahre), der Ungestörtheit des bisherigen Arbeitsverhältnisses, des geringen Ausmaßes des Pflichtverstoßes und des letztlich geringen Schadens, sei das Vertrauensverhältnis „noch nicht derart aufgezehrt“ , dass von einem völligen und irreparablen Vertrauensverlust gesprochen werden könne. Der Pflichtverstoß sei daher insgesamt als nicht erheblich genug zu werten, als dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt wäre.
Wertung:
Die Entscheidung stellt entgegen oftmals verbreiteter Meinungen keine grundsätzliche Kehrtwende in der bisherigen Rechtsprechung dar. Nach wie vor hält das BAG daran fest, dass jede auch noch so kleine Straftat grundsätzlich einen wichtigen Grund darstellt, der zur fristlosen Kündigung berechtigt. Die Richter unterstrichen denn auch nochmals ausdrücklich, dass es keine Geringfügigkeitsgrenze gibt, unterhalb derer der Arbeitnehmer gefahrlos Straftaten begehen könne.
Aber alle Gerichte müssen fortan – und das ist das Neue an der Entscheidung – die zusätzlich vorzunehmende Interessenabwägung stärker akzentuieren: Bei langer Betriebszugehörigkeit und einer entsprechend langen Dauer der Ungestörtheit des Arbeitsverhältnisses muss der vorgeworfene Pflichtverstoß in einem derartigen erheblichen Verhältnis stehen, dass tatsächlich ein nicht wieder gut zumachender Vertrauensverlust angenommen werden kann.
Letztlich erweist sich die neue Rechtsprechung des BAG als sehr salomonisch: Weder soll sich der Arbeitnehmer auf die Geringwertigkeit der gestohlenen oder unterschlagen Sache herausreden, noch der Arbeitgeber jede geringwertige Straftat zum Anlaß nehmen können, zu kündigen, jedenfalls dann nicht, wenn bislang das Arbeitsverhältnis ohne Beanstandungen ablief und der Arbeitnehmer bereits lange Zeit beschäftigt ist.
Fazit:
Im Ergebnis wird man daher sagen können. Eine gute und wichtige Entscheidung, die insbesondere den unteren Gerichten (Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten) die allzuoft pauschale und abstrakte Anwendung der bisherigen Rechtsprechung in Zukunft verbietet.
Ein Freibrief, fortan ungestört Straftaten im Minimal-Rahmen zu begehen ist es, wie die Urteilsgründe deutlich zeigen, jedoch eben nicht.