Rechtsanwalt-Tip-Scheidungsrecht: Verschweigen eines nichtehelichen Kindes ist Eheaufhebungsgrund
15.06.2011, Autor: Herr Mathias Henke / Lesedauer ca. 3 Min. (3396 mal gelesen)
Das OLG Karlsruhe hat in einem jüngsten Urteil entschieden, dass das Verschweigen eines nichtehelichen Kindes aus erster Ehe nicht nur zur Scheidung berechtigt, sondern sogar die Aufhebung der Ehe zur Folge haben kann (OLG Karlsruhe 18 UF 8/10).
I. Allgemeines: Aufklärungspflicht über vormalige Ehen, Kinder aus erster Ehe oder nichteheliche Kinder
Das Eingehen der Ehe basiert auf gegenseitigem Vertrauen und verpflichtet angesichts der Erheblichkeit des Vorgangs beide Eheleute, sich auch über wesentliche persönliche Eigenschaften und wirtschaftliche Verhältnisse aufzuklären. Seit langem ist daher in der Rechtsprechung unumstritten, dass die Eheleute sich vor Eheschließung auch darüber aufklären müssen, ob zum Beispiel eine Ehegatte bereits schon einmal verheiratet war, ob Kinder aus erster Ehe vorhanden sind oder etwaig nichteheliche Kinder. Der jeweils andere neue Ehepartner hat zumeist bereits ein wirtschaftliches Interesse daran, zu erfahren, ob etwaig unterhaltspflichtige ehemalige Ehegatten oder Kinder vorhanden sind.
II. Rechtslage bei mangelnder Aufklärung: Nicht nur Scheidung,sondern Aufhebung der Ehe möglich
Ein Verstoß gegen diese Informationspflicht führt nach ganz allgemeiner Meinung aber nicht nur dazu, dass der un- oder fehlinformierte Ehegatte die Scheidung beantragen kann, sondern er ist darüber hinaus auch berechtigt, wegen arglistiger Täuschung die Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3, §§ 119, 123 BGB anzufechten mit der Folge, dass die gesamte Ehe von Anfang an als nichtig angesehen wird. Der Unterscheid ist nicht nur ein förmlicher: bei Aufhebng einer Ehe findet kein Versorgungsausgleich und auch kein Zugewinnausgelich statt, auch Schadensersatzansprüche gegen den Täuschenden sind durchaus möglich und denkbar.
III. So auch der konkrete Fall: Verschweigen eines nichtehelichen Kindes
Ein Mann hatte seine neue Ehefrau zwar darüber in Kenntnis gesetzt, dass er schon einmal verheiratet gewesen ist, dabei aber verschwiegen, dass er zusätzlich neben der ersten Ehe noch ein uneheliches Kind während dieser ersten Ehe mit einer anderen Frau gezeugt hatte.
Die neue Ehefrau erhob nun Anfechtungsklage, da sie arglistig getäuscht sei: Über die eigentliche Täuschung hinsichtlich des Kindes hinaus begründete die neue Ehefrau die Klage damit, dass der Mann ja nun schon einmal seine erste Ehefrau betrogen habe, es sei daher nicht auszuschließen, dass der Mann dies nun auch bei ihr im Rahmen der zweiten Ehe so tun werde, in jedem Fall sei dieser Charaktermangel aber eine schwerwiegende entscheidungserhebliche Tatsache, ohne deren Kenntnis sie niemals die neue Ehe eingegangen wäre.
IV. Das OLG gab der Frau Recht: Verschweigen des ersten Kindes ist Anfechtungsgrund - Fremdgehen während erster Ehe sogar schwerwiegender und relevanter Charaktermangel
Wer neben seiner ersten Ehe außerehelich ein Kind gezeugt habe, müsse dies offenbaren. Einerseits gehe es um Unterhaltspflichten und um mögliche Umgangsregelungen. Andererseits handele derjenige, der dieses Kind verschweigt, auch deshalb arglistig, weil er mit der Möglichkeit hat rechnen müssen, dass der andere im Hinblick auf die außereheliche Zeugung während erster Ehe von einer Eheschließung mit ihm Abstand nehmen würde.
IV. Fazit: Das Verschweigen von wesentlichen Umständen kann einen Ehepartner zur Anfechtung der Ehe berechtigen, dazu gehört insbesondere das Vorhandensein von Kindern aus erster Ehe, aber auch nichtehelichen Kinder, grade auch dann, wenn das nichteheliche Kind als "Fehltritt" während der ersten Ehe gezeugt worden ist.
V. Bewertung:
Ein wohl rechtliches als auch menschlich zutreffendes Urteil. Erschwerend kam im vorliegenden Fall wohl offensichtlich dazu, dass der täuschende Ehemann dieses Vorgehen wohl auch schon gegenüber der ersten Ehefrau praktiziert hatte. Allerdings greift die Täuschungsanfechtung dann nicht, wenn der Täuschende nachweisen kann, dass er den getäuschten Ehepartner aufgeklärt und ins Bild gesetzt hat. Im vorliegenden Fall war dem Ehemann aber dieser Nachweis nicht gelungen: Sein Hinweis, "das sei doch allen klar gewesen", reichte den Richtern verständlicher Weise nicht.
ABER: Die Argumentation mit dem Charaktermangel als subjektiver Anfechtungsgrund sollte aber nicht überstrapaziert werden: Wenn die zweite Ehefrau bsp. der Scheidungsgrund für die erste Ehe war, dürfte sich dieses Argument m.E. in Luft auflösen, die mangelnde Information hinsichtlich des nichtehelichen Kindes bliebe dann lediglich als einziger objektiver Anfechtungsgrund übrig, welcher zumindest grundsätzlich durch Nachweis der Kenntnisgabe widerlegbar wäre.
Rechtsanwalt M. Henke - Dortmund
I. Allgemeines: Aufklärungspflicht über vormalige Ehen, Kinder aus erster Ehe oder nichteheliche Kinder
Das Eingehen der Ehe basiert auf gegenseitigem Vertrauen und verpflichtet angesichts der Erheblichkeit des Vorgangs beide Eheleute, sich auch über wesentliche persönliche Eigenschaften und wirtschaftliche Verhältnisse aufzuklären. Seit langem ist daher in der Rechtsprechung unumstritten, dass die Eheleute sich vor Eheschließung auch darüber aufklären müssen, ob zum Beispiel eine Ehegatte bereits schon einmal verheiratet war, ob Kinder aus erster Ehe vorhanden sind oder etwaig nichteheliche Kinder. Der jeweils andere neue Ehepartner hat zumeist bereits ein wirtschaftliches Interesse daran, zu erfahren, ob etwaig unterhaltspflichtige ehemalige Ehegatten oder Kinder vorhanden sind.
II. Rechtslage bei mangelnder Aufklärung: Nicht nur Scheidung,sondern Aufhebung der Ehe möglich
Ein Verstoß gegen diese Informationspflicht führt nach ganz allgemeiner Meinung aber nicht nur dazu, dass der un- oder fehlinformierte Ehegatte die Scheidung beantragen kann, sondern er ist darüber hinaus auch berechtigt, wegen arglistiger Täuschung die Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3, §§ 119, 123 BGB anzufechten mit der Folge, dass die gesamte Ehe von Anfang an als nichtig angesehen wird. Der Unterscheid ist nicht nur ein förmlicher: bei Aufhebng einer Ehe findet kein Versorgungsausgleich und auch kein Zugewinnausgelich statt, auch Schadensersatzansprüche gegen den Täuschenden sind durchaus möglich und denkbar.
III. So auch der konkrete Fall: Verschweigen eines nichtehelichen Kindes
Ein Mann hatte seine neue Ehefrau zwar darüber in Kenntnis gesetzt, dass er schon einmal verheiratet gewesen ist, dabei aber verschwiegen, dass er zusätzlich neben der ersten Ehe noch ein uneheliches Kind während dieser ersten Ehe mit einer anderen Frau gezeugt hatte.
Die neue Ehefrau erhob nun Anfechtungsklage, da sie arglistig getäuscht sei: Über die eigentliche Täuschung hinsichtlich des Kindes hinaus begründete die neue Ehefrau die Klage damit, dass der Mann ja nun schon einmal seine erste Ehefrau betrogen habe, es sei daher nicht auszuschließen, dass der Mann dies nun auch bei ihr im Rahmen der zweiten Ehe so tun werde, in jedem Fall sei dieser Charaktermangel aber eine schwerwiegende entscheidungserhebliche Tatsache, ohne deren Kenntnis sie niemals die neue Ehe eingegangen wäre.
IV. Das OLG gab der Frau Recht: Verschweigen des ersten Kindes ist Anfechtungsgrund - Fremdgehen während erster Ehe sogar schwerwiegender und relevanter Charaktermangel
Wer neben seiner ersten Ehe außerehelich ein Kind gezeugt habe, müsse dies offenbaren. Einerseits gehe es um Unterhaltspflichten und um mögliche Umgangsregelungen. Andererseits handele derjenige, der dieses Kind verschweigt, auch deshalb arglistig, weil er mit der Möglichkeit hat rechnen müssen, dass der andere im Hinblick auf die außereheliche Zeugung während erster Ehe von einer Eheschließung mit ihm Abstand nehmen würde.
IV. Fazit: Das Verschweigen von wesentlichen Umständen kann einen Ehepartner zur Anfechtung der Ehe berechtigen, dazu gehört insbesondere das Vorhandensein von Kindern aus erster Ehe, aber auch nichtehelichen Kinder, grade auch dann, wenn das nichteheliche Kind als "Fehltritt" während der ersten Ehe gezeugt worden ist.
V. Bewertung:
Ein wohl rechtliches als auch menschlich zutreffendes Urteil. Erschwerend kam im vorliegenden Fall wohl offensichtlich dazu, dass der täuschende Ehemann dieses Vorgehen wohl auch schon gegenüber der ersten Ehefrau praktiziert hatte. Allerdings greift die Täuschungsanfechtung dann nicht, wenn der Täuschende nachweisen kann, dass er den getäuschten Ehepartner aufgeklärt und ins Bild gesetzt hat. Im vorliegenden Fall war dem Ehemann aber dieser Nachweis nicht gelungen: Sein Hinweis, "das sei doch allen klar gewesen", reichte den Richtern verständlicher Weise nicht.
ABER: Die Argumentation mit dem Charaktermangel als subjektiver Anfechtungsgrund sollte aber nicht überstrapaziert werden: Wenn die zweite Ehefrau bsp. der Scheidungsgrund für die erste Ehe war, dürfte sich dieses Argument m.E. in Luft auflösen, die mangelnde Information hinsichtlich des nichtehelichen Kindes bliebe dann lediglich als einziger objektiver Anfechtungsgrund übrig, welcher zumindest grundsätzlich durch Nachweis der Kenntnisgabe widerlegbar wäre.
Rechtsanwalt M. Henke - Dortmund