Rechtsanwalt-TIP-Arbeitsrecht: Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen: Alter geht in der Regel vor !
15.06.2011, Autor: Herr Mathias Henke / Lesedauer ca. 3 Min. (2517 mal gelesen)
Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln) hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass bei betriebsbedingten Kündigungen im Rahmen der vorzunehmenden Sozialauswahl das Alter bzw. Lebensalter grundsätzlich Vorrang vor anderen sozialen Kriterien hat (Urteil vom 18.02.2011 -4 Sa 1122/10-.
I. Allgemeines: Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen
Wenn der Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen ausspricht, sei es wegen Rückgang der Auftragslage oder aber wegen innerbetrieblichen Umstrukturierungen, ist er verpflichtet, im Rahmen der sogenannten Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zunächst den Arbeitnehmern zu kündigen, die unter sozialen Gesichtspunkten besser und stärker gestellt sind: anhand von sozialen Kriterien wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Familienstand und Anzahl der unterhaltspflichtigen Kindern genießen die sozial schwächeren Arbeitnehmer so höheren Kündigungsschutz.
II. Das Problem: Welches soziale Kriterium hat Vorrang bei der Sozialauswahl ?
Seit langem und immer wieder umstritten ist in diesem Zusammenhang die Frage, welchem sozialem Kriterium nun im konkreten Fall aber der Vorrang einzuräumen ist: sind ältere Arbeitnehmer grundsätzlich schutzwürdiger oder ist der Schwerpunkt doch eher auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit zu legen oder aber ist letztlich doch die Anzahl der Unterhaltspflichtigen Kinder von Arbeitnehmern das entscheidende Kriterium ?
III. So auch der konkrete Fall:
In dem Verfahren vor dem LAG Köln ging es um die betriebsbedingte Kündigung eines von zwei etwa gleich lang beschäftigten verheirateten Arbeitnehmern, von denen der eine 35 Jahre alt war und zwei Kinder hatte, der andere 53 Jahre alt und kinderlos war. Das Unternehmen hatte dem älteren Arbeitnehmer gekündigt.
Dieser ältere gekündigte Arbeitnehmer hatte nun Kündigungsschutzklage erhoben mit der Begründung, er sei aufgrund seines fortgeschrittenen Alters schutzwürdiger als der andere Arbeitnehmer trotz dessen minderjähriger Kinder. Er sei aufgrund seines Alters zum einen noch weit entfernt vom Renteneintritt, zum anderen aber zu alt, um noch irgendeine reelle Aussicht und Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Das Lebensalter müsse daher deutlich stärker gewichtet werden, da der Kollege in jedem Fall bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe.
IV. Entscheidung des LAG Köln: Lebensalter hat Vorrang !
Die Richter entschieden in der nunmehrigem Berufungsinstanz zu Gunsten des klagenden älteren Arbeitnehmers:
Zwar seien alle sozialen Kriterien (Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung, Familienstand und UnterhaltsPflichtigkeit) bei der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich zunächst gleich zu erachten. entscheidend sei jedoch nicht die abstrakte Gleichwertigkeit, sondern die konkrete Auswirkung der Kündigung auf den Arbeitnehmer unter Beachtung eben der sozialen Kriterien.
Der Kläger sei in einem Alter, in dem in die Kündigung wesentlich härter treffen würde, als den anderen jüngeren Arbeitnehmer. Für den Kläger bedeute die Kündigung quasi das wirtschaftliche "Aus", da er gemessen an seinem Alter überhaupt keinerlei Chance mehr hätte, auf dem Arbeitsmarkt einen neuen Job zu finden. Der anderweitige jüngere Arbeitnehmer sei zwar ebenfalls durch eine Kündigung hart getroffen, insbesondere angesichts von 2 Kindern, die er unterhalten muss: angesichts dessen Alters sei jedoch insbesondere unter Berücksichtigung seiner Qualifikation und Berufserfahrung zu erwarten, dass er bald wieder eine neuerliche Arbeitsstelle finden würde.
V. Fazit und Bewertung:
Eine zutreffende Entscheidung: Sinn und Zweck der Sozialauswahl ist, denjenigen Arbeitnehmer zu schützen, den die Kündigung härter trifft. Dies war im vorliegenden Fall ganz offensichtlich der ältere Arbeitnehmer, der aufgrund seines fortgeschrittenen Alters überhaupt keinerlei Chance mehr hat, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Es dürfte jedoch falsch sein, aus diesem Urteil nunmehr eine generell-pauschale Vorrangstellung für ältere Arbeitnehmer für alle Fallgestaltungen abzuleiten: Wie die Richter des LAG Köln zutreffender Weise in der Urteilsbegründung ausführten, ist jeweils immer auf den Einzelfall abzustellen, so dass es beispielsweise durchaus in den Fällen, in denen der ältere Arbeitnehmer fast schon die Rentenaltersgrenze erreicht hat, das soziale Gerechtigkeitspendel zu Gunsten des jüngeren Arbeitnehmers im Einzelfall ausschlagen kann.
RA Mathias Henke - Dortmund -
I. Allgemeines: Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen
Wenn der Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen ausspricht, sei es wegen Rückgang der Auftragslage oder aber wegen innerbetrieblichen Umstrukturierungen, ist er verpflichtet, im Rahmen der sogenannten Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zunächst den Arbeitnehmern zu kündigen, die unter sozialen Gesichtspunkten besser und stärker gestellt sind: anhand von sozialen Kriterien wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Familienstand und Anzahl der unterhaltspflichtigen Kindern genießen die sozial schwächeren Arbeitnehmer so höheren Kündigungsschutz.
II. Das Problem: Welches soziale Kriterium hat Vorrang bei der Sozialauswahl ?
Seit langem und immer wieder umstritten ist in diesem Zusammenhang die Frage, welchem sozialem Kriterium nun im konkreten Fall aber der Vorrang einzuräumen ist: sind ältere Arbeitnehmer grundsätzlich schutzwürdiger oder ist der Schwerpunkt doch eher auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit zu legen oder aber ist letztlich doch die Anzahl der Unterhaltspflichtigen Kinder von Arbeitnehmern das entscheidende Kriterium ?
III. So auch der konkrete Fall:
In dem Verfahren vor dem LAG Köln ging es um die betriebsbedingte Kündigung eines von zwei etwa gleich lang beschäftigten verheirateten Arbeitnehmern, von denen der eine 35 Jahre alt war und zwei Kinder hatte, der andere 53 Jahre alt und kinderlos war. Das Unternehmen hatte dem älteren Arbeitnehmer gekündigt.
Dieser ältere gekündigte Arbeitnehmer hatte nun Kündigungsschutzklage erhoben mit der Begründung, er sei aufgrund seines fortgeschrittenen Alters schutzwürdiger als der andere Arbeitnehmer trotz dessen minderjähriger Kinder. Er sei aufgrund seines Alters zum einen noch weit entfernt vom Renteneintritt, zum anderen aber zu alt, um noch irgendeine reelle Aussicht und Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Das Lebensalter müsse daher deutlich stärker gewichtet werden, da der Kollege in jedem Fall bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe.
IV. Entscheidung des LAG Köln: Lebensalter hat Vorrang !
Die Richter entschieden in der nunmehrigem Berufungsinstanz zu Gunsten des klagenden älteren Arbeitnehmers:
Zwar seien alle sozialen Kriterien (Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung, Familienstand und UnterhaltsPflichtigkeit) bei der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich zunächst gleich zu erachten. entscheidend sei jedoch nicht die abstrakte Gleichwertigkeit, sondern die konkrete Auswirkung der Kündigung auf den Arbeitnehmer unter Beachtung eben der sozialen Kriterien.
Der Kläger sei in einem Alter, in dem in die Kündigung wesentlich härter treffen würde, als den anderen jüngeren Arbeitnehmer. Für den Kläger bedeute die Kündigung quasi das wirtschaftliche "Aus", da er gemessen an seinem Alter überhaupt keinerlei Chance mehr hätte, auf dem Arbeitsmarkt einen neuen Job zu finden. Der anderweitige jüngere Arbeitnehmer sei zwar ebenfalls durch eine Kündigung hart getroffen, insbesondere angesichts von 2 Kindern, die er unterhalten muss: angesichts dessen Alters sei jedoch insbesondere unter Berücksichtigung seiner Qualifikation und Berufserfahrung zu erwarten, dass er bald wieder eine neuerliche Arbeitsstelle finden würde.
V. Fazit und Bewertung:
Eine zutreffende Entscheidung: Sinn und Zweck der Sozialauswahl ist, denjenigen Arbeitnehmer zu schützen, den die Kündigung härter trifft. Dies war im vorliegenden Fall ganz offensichtlich der ältere Arbeitnehmer, der aufgrund seines fortgeschrittenen Alters überhaupt keinerlei Chance mehr hat, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Es dürfte jedoch falsch sein, aus diesem Urteil nunmehr eine generell-pauschale Vorrangstellung für ältere Arbeitnehmer für alle Fallgestaltungen abzuleiten: Wie die Richter des LAG Köln zutreffender Weise in der Urteilsbegründung ausführten, ist jeweils immer auf den Einzelfall abzustellen, so dass es beispielsweise durchaus in den Fällen, in denen der ältere Arbeitnehmer fast schon die Rentenaltersgrenze erreicht hat, das soziale Gerechtigkeitspendel zu Gunsten des jüngeren Arbeitnehmers im Einzelfall ausschlagen kann.
RA Mathias Henke - Dortmund -