Achtung Rutschgefahr! – Räum- und Streupflichten bei Schnee und Eis

19.11.2014, Autor: Herr Alexander Hammer / Lesedauer ca. 3 Min. (453 mal gelesen)
Räum- und Streupflichten bei Schnee und Eis. Grundsätzlich an Werktagen ab 7.00 Uhr und an Sonn-/Feiertagen ab 9.00 Uhr.

Die Weihnachtszeit rückt mit großen Schritten näher und für die Meisten gehört Schnee zu Weihnachten dazu, wie die Bescherung im Familienkreis und gutes Essen. Der Traum von einer weißen Weihnacht kann aber auch leider schnell zu einem Albtraum werden. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12.06.2012 (Az. VI ZR 138/11) soll als Aufhänger für eine Thematik dienen, der in der kalten – und damit schnee- und eisreichen – Jahreszeit wieder vermehrt Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte: Den Räum- und Streupflichten!

Die Klägerin war im Auftrag ihres Arbeitgebers am 23.12.2007, einem Sonntag, gegen 10 Uhr, zu einer Kundin – der späteren Beklagten – gefahren, um dieser eine Weihnachtsgrußkarte einzuwerfen. Auf dem etwa 2 Meter breiten und mehrere Meter langen Weg vom Bürgersteig über das Grundstück der Kundin kam sie auf einer mittig gelegenen Eisfläche im Ausmaß von 20 cm x 30 cm zu Fall und verletzte sich. Der Weg war unstreitig zu diesem Zeitpunkt noch nicht gestreut worden. Aufgrund der erlittenen Verletzungen verlangte die Klägerin die Zahlung von materiellem Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Klage hatte jedoch – durch alle Instanzen – keinen Erfolg. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beklagte eine ihr obliegende Räum- bzw. Streupflicht (schuldhaft) verletzt hatte.

Fraglich war bereits, ob die Beklagte überhaupt zum Unfallzeitpunkt aufgrund der Wetter-, Straßen- oder Wegelage bereits oder noch eine Räum- bzw. Streupflicht traf. Denn die winterliche Räum- und Streupflicht beruht auf der Verantwortlichkeit durch Verkehrseröffnung – also beispielsweise die Zugänglichmachung eines Grundstücks – und setzt eine konkrete Gefahrenlage, d.h. eine Gefährdung durch Glättebildung bzw. Schneebelag voraus. Es dürfen nicht nur einzelne Glättestellen vorhanden sein, sondern es muss eine allgemeine Glätte vorliegen. Dies war vorliegend bereits zu verneinen, weil es unstreitig nur eine glatte Stelle gab.

Ist eine Streupflicht gegeben, richten sich Inhalt und Umfang nach den Umständen des Einzelfalls. Bei öffentlichen Straßen und Gehwegen sind dabei Art und Wichtigkeit des Verkehrswegs ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht also nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Nach diesen Grundsätzen bestehen Räum- und Streupflichten regelmäßig für die Zeit des normalen Tagesverkehrs, d.h. an Werktagen ab 7.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ab 9.00 Uhr.

Bei Auftreten von Glätte im Laufe des Tages ist allerdings dem Streupflichtigen ein angemessener Zeitraum zuzubilligen, um die erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Glätte zu treffen. Dabei ist jedoch einzelfallabhängig, wie dieser "angemessene Zeitraum" zu bemessen ist. Eine pauschale Regel (bspw. "jedenfalls 1 Stunde") existiert nicht. Von Bedeutung ist vielmehr, in welchem Maße die erkennbare Wetterlage und die Eigenheiten des Gehwegs Anlass zur Vorsorge geben; dabei können ausnahmsweise sogar vorbeugende Maßnahmen schon vor der Bildung von Glätte geboten sein. Vorliegend war aber an dem interessierenden Sonntagvormittag auf dem Weg zum Haus weder mit einem Fußgängerverkehr zu rechnen noch gab die Wetterlage für Maßnahmen Anlass.

Eine Haftung der Beklagten - für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche - scheiterte vorliegend also zum einen daran, dass bereits keine "allgemeine Glättebildung" vorlag und zum anderen, weil zum Zeitpunkt des Sturzes gegen 10.00 Uhr die der Beklagten zuzubilligende Zeit für die Vornahme eventueller Streumaßnahmen noch nicht abgelaufen gewesen war.

Dieser exemplarische Fall zeigt, welche Feinheiten über Erfolg und Misserfolg einer Klage entscheiden können. Diese Feinheiten mit Ihnen herauszuarbeiten und zu bewerten, ist unsere Aufgabe, um dann gemeinsam beurteilen zu können, ob eine Anspruchsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.



Alexander Hammer, LL.M.
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