Frachtführer: Befreiung von der Haftung bei Unvermeidbarkeit eines Reifenbrandes

05.07.2017, Autor: Herr Alexander Hammer / Lesedauer ca. 3 Min. (184 mal gelesen)
Der Haftungsausschluss – Befreiung des Frachtführers von der Haftung wegen Unvermeidbarkeit eines Reifenbrandes sowie der daraus folgende Beschädigung eines Kühlaufliegers und Zerstörung der Transportware.

Kommt es im Bereich des (gewerblichen) Warentransportes zu einem Schadensfall, ist häufig mit hohen Schadenssummen und daraus etwaig resultierenden Versicherungsleistungen zu rechnen. Dies liegt zum einen an den teuren Beförderungsmitteln – z.B.  LKW, Züge, Schiffe oder Flugzeuge – und zum anderen an dem Wert der transportierten Waren und Güter. An der Beförderung sind häufig eine Vielzahl von Personen beteiligt, die jeweils unterschiedlichen Verpflichtungen unterliegen. Der Frachtführer beispielsweise ist verpflichtet, die Ware unbeschädigt an den Bestimmungsort zu befördern und bei dem Empfänger abzuliefern. Während des Transportes, d.h. von dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes bis zu Ablieferung beim Empfänger, haftet der Frachtführer für etwaige Schäden am Frachtgut. Er ist jedoch nach dem Gesetz (§ 426 HGB) von der Haftung befreit, wenn die  Schadensursache unvermeidbar war oder er selbst den Schaden selbst bei größter Sorgfalt nicht hätte vermeiden können.

Das Oberlandesgericht Hamm hat sich in einem Urteil vom 21.04.2016 (Az.: 18 U 17/14) detailliert mit den Pflichten des Frachtführers vor und während des Transportes der Ware mit einem Kühlauflieger auseinandergesetzt. Kann der Frachtführer die konkrete, unvermeidbare Schadensursache beweisen oder nachweisen, dass der Schadensfall auch bei größtmöglicher Sorgfalt nicht zu vermeiden war, greift der handelsrechtliche Haftungsausschluss (§ 426 HGB). Daneben schloss das Oberlandesgericht Hamm Ansprüche des Absenders gegen den Frachtführer wegen eines nicht ausreichenden Versicherungsschutzes eben-falls aus. Die Individualvereinbarung der Parteien darüber, im Fall des Abschlusses eines Verkehrshaftungsversicherung unter Einschluss des Kühlaufliegers auf eine zusätzliche Kaskoversicherung verzichten, ist wirksam.

In dem konkreten Fall ging es um die Beförderung von Sammelgut – bestehend aus 43 Einzelsendungen – mit einem Kühlauflieger. Während der Fahrt auf einer Bundesautobahn geriet der Kühlauflieger in Brand. Infolgedessen brannte der Auflieger mitsamt der Ladung vollständig aus. Das Oberlandesgericht Hamm nahm – nachdem der Absender in erster Instanz vor dem Landgericht noch obsiegt hatte – einen handelsrechtlichen Haftungsausschluss zugunsten des Frachtführers an, weil er diesen Schaden nicht vermeiden konnte. Aus einem Gutachten zur Brandursache ging hervor, dass der Brand seinen Ausgang im Reifen vorne rechts hatte. Die Ursache für die thermische Überlastung des Reifens lag mit gegen 100 % tendierender Wahrscheinlichkeit in einem defekten Radlager. Zudem ergaben die Untersuchungen des Sachverständigen, dass aus technischer Sicht davon auszugehen sei, dass der Reifenschaden für den Fahrzeugführer zunächst nicht bemerkbar war. Die nach dem Brand noch vorhandenen Reifen waren in Bezug auf die Profilteile in einem ordnungsgemäßen und entsprechend guten Zustand. Ein Schaden, der zum Ausfall des Reifens führen konnte, war deswegen bei der erforderlichen Zustandskontrolle des Fahrzeuges vor Fahrtbeginn nicht zwingend erkennbar. Der Frachtführer hätte den Reifenschaden auch aus fahrtechnischer Sicht nicht rechtzeitig wahrnehmen können. Darüber hinaus habe er bei Bemerkung des Brandes alles richtig gemacht und geistesgegenwärtig reagiert.

Die Anforderungen an den Frachtführer im Hinblick auf die Überprüfung des Beförderungsmittels vor Fahrtbeginn und die Reaktion auf etwaige Veränderungen, die zur Beschädigungen führen könnten, während der Fahrt sind relativ hoch. Das Oberlandesgericht Hamm ist in der Entscheidung auf einzelne Punkte der Pflichten des Frachtführers konkret eingegangen. Dazu zählt beispielsweise, dass der Frachtführer vor Antritt der Fahrt – wenn kein Reifendrucksystem installiert ist – eine ausreichende Sichtkontrolle der Reifen durchführt, die eine visuelle Begutachtung jedes einzelnen Reifens umfasst. Den genauen Luftdruck vor Fahrantritt muss er nicht feststellen. Der Frachtführer muss aber rechts heranfahren, sobald ihm während der Fahrt Veränderungen auffallen oder er ein Hindernis auf der Fahrbahn überfährt, um die Reifen erneut zu überprüfen. Dies soll auch die Verletzung nachfolgender Verkehrsteilnehmer verhindern. Aufgrund der Sorgfaltspflicht ist ein Feuerlöscher (nur) mitzuführen, wenn ein Feuerlöscher für die konkrete Beladung vorgeschrieben ist.

Bei diesem Urteil handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die auf konkrete Überprüfungs- und Sorgfaltspflichten des Frachtführers eingeht und ein eindeutiges Gutachten zur Schadensursache enthält. Zu beachten ist, dass nicht in allen Fällen abschließend feststellbar ist, welche Ursache zum Brand und zur Zerstörung geführt hat. In diesen Fällen ist der Beweis eines Haftungsausschlusses für den darlegungs- und beweisbelasteten Frachtführer nur schwer zu führen und es kommt eine – zumindest anteilige Haftung – des Frachtführers in Betracht. Viele Fallkonstellationen enden dann aber so, dass andererseits auch der Anspruchsteller nicht den Nachweis des Vorliegens eines qualifizierten Verschuldens führen kann. In solchen Fällen ist dann die Regelhaftung zu ersetzen, wie beispielsweise das OLG Brandenburg mit Urteil vom 21.07.2004 (Az. 7 U 189/02) festgestellt hat.

 
Alexander Hammer, LL.M.,
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht

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