Grundsätzliches zu Pflichten von Maschinenherstellern

05.01.2015, Autor: Herr Alexander Hammer / Lesedauer ca. 3 Min. (344 mal gelesen)
Der Artikel behandelt - anhand einer Entscheidung des OLG Celle vom 10.10.2005 - Grundsätzliches zu Pflichten von Maschinenherstellern.

Mit Beschluss vom 10.10.2005 (Az.: 7 U 155/05) bot sich dem OLG Celle die Gelegenheit zu produkthaftungsrechtlichen Thematiken und ihren haftungsrechtlichen Konsequenzen Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit hat der erkennende Senat des OLG Celle genutzt. Dabei hat er zum einen erkannt, dass die maßgebliche Auslegung einer DIN-Norm nicht allein durch deren Wortlaut bestimmt wird, sondern ausschlaggebend der sicherheitstechnische Zweck der Vorschrift ist. Zum anderen hat er festgehalten, dass der Hersteller einer Maschine bei der Konstruktion in Betracht ziehen muss, dass ein späterer Benutzer aus Gründen der Bequemlichkeit Veränderungen an dem Produkt vornimmt. Dementsprechend muss der Hersteller die Sicherheitseinrichtungen seines Produktes auf diesen voraussehbaren Fehlgebrauch ausrichten.

Was war passiert: Die Beklagte ist Herstellerin einer im Jahr 1998 produzierten Schleifmaschine zur Lederbearbeitung (sog. Spalthäute), welche beim Unternehmen H. aufgestellt war und in der Lederproduktion eingesetzt wurde. In diese Maschine führte die Zeugin B. – im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Unternehmen H. – die zu schleifenden Spalthäute ein. Dies geschah in der Weise, dass die Spalthäute zunächst auf den vor der Maschine angebrachten „Tisch“ gelegt und sodann durch einen waagerechten Schlitz in die Maschine eingeführt wurden. Durch diesen Schlitz wurden die Spalthäute auf zwei waagerechte, sich nach Innen drehende Walzen zugeführt und so in die Maschine eingezogen. Hinter diesen Walzen befand sich die Schleifwalze, die das Leder glättete und bearbeitete. Während der Bearbeitung des Leders hielt die an der Maschine beschäftigte Person dessen hinteres Ende so fest, dass es straff und ohne Falten in die Maschine eingezogen wurde. Als Sicherheitseinrichtung verlief quer über der Einzugsstelle der Maschine der sogenannte „Druckschwellenschlauch“, bei dessen Betätigung die Maschine öffnete und zugleich die „Einzugswalzen“ abschalten sollten. Im Rahmen des Verkaufs der Maschine an das Unternehmen H. hatte die Beklagte mit Konformitätserklärung vom 24.07.1998 u. a. erklärt, dass die Maschine der europäischen Norm DIN EN 972 („Gerberei-Maschinen; Walzenmaschinen“) vom März 1998 entspreche.

Am 10.11.1998 erlitt die Zeugin B. beim Arbeiten an der Maschine der Beklagten einen Arbeitsunfall, bei dem sie sich schwere Verletzungen an der linken Hand zuzog. Die „Einzugswalzen“ hatten nach Betätigung des „Druckwellenschlauches“ nicht automatisch abgeschaltet und die Hand der Zeugin B. bis zur Schleifwalze eingezogen.

Gegenstand der Klage waren die gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin als gesetzlichen Unfallversicherer übergegangenen Schadensersatzansprüche der Zeugin B. Es klagte also nicht die Geschädigte (Zeugin B.) selbst auf (bspw.) Schmerzensgeld, Verdienstausfall und Ersatz ihrer weiteren materiellen Schäden, sondern der Unfallversicherer klagte die unfallbedingten Behandlungskosten ein. Das Landgericht Hildesheim hatte der Klage stattgegeben und die Beklagte auf Zahlung von Schadenersatz verurteilt. Die Berufung der Beklagten vor dem OLG Celle hatte keinen Erfolg.

Beide Gerichte urteilten in zutreffender Weise, dass die Klage dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB und § 1 Abs. 1 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) begründet ist. Der Arbeitsunfall der Zeugin B. war darauf zurückzuführen, dass die von der Beklagten hergestellte Maschine – wie durch einen Sachverständigen festgestellt worden war – konstruktionsbedingt fehlerhaft war, weil diese gegen gesetzliche Sicherheitsbestimmungen verstieß. Nach DIN EN 972 Nr. 5.3.1 („Gerberei-Maschinen; Walzenmaschinen“) darf sich bei geöffneter Maschine die Schleifwalze nicht drehen. Die Schleifwalze hätte also entweder automatisch stoppen oder eine mechanische Sicherheitseinrichtung den Zugriff auf die Schleifwalze verhindern müssen. Beides war nicht der Fall. Bei Betätigung des „Druckwellenschlauches“ hatten weder die Transportwalze noch die Schleifwalze abgeschaltet. Auch war der Abstand zwischen dem Einzugsschlitz und den Walzen zu gering. An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, dass Schleifmaschinen in Nr. 5.3.1 der DIN EN 792 („Gerberei-Maschinen; Walzenmaschinen“) nicht ausdrücklich aufgelistet sind. Ähnlich wie im Baurecht sind auch im Haftungsrecht DIN-EN-Normen nicht sklavisch ihrem Wortlaut nach anzuwenden.

Schließlich hält das OLG fest, dass wenn eine Maschine die Erweiterung des Einzugsspaltes aus Bequemlichkeitsgründen zulässt, ohne dass die Arbeitsqualität der Maschine leidet, der Hersteller mit einem solchen Verhalten des Kunden zu rechnen hat. Die Sicherheitsvorkehrungen sind dann entsprechend darauf auszurichten.

Drei Aussagen dieses von der Berufungsinstanz bestätigten Urteils sind für die Praxis von besonderer Bedeutung und sollten Beachtung finden: Zunächst stellten beide Gerichte fest, dass ein Hersteller für die fehlerhafte Konstruktion seines Produktes auch wegen Verstößen gegen DIN-EN-Vorschriften haftet. Zum Zweiten ist bei der Auslegung dieser Vorschriften nicht allein der Wortlaut maßgeblich, sondern entscheidend ist der sicherheitstechnische Zweck der Vorschriften. Schließlich unterstreichen beide Urteile den Grundsatz, dass ein Hersteller bei der Konstruktion einer Maschine damit rechnen muss, dass der Anwender zur Förderung seiner Bequemlichkeit Veränderungen vornimmt, weswegen der Hersteller die Sicherheitseinrichtungen des Produktes demgemäß auszurichten hat.


Alexander Hammer, LL.M.,
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