Zur Wirksamkeit der Kündigung von Bausparverträgen durch Bausparkassen
06.12.2015, Autor: Herr Alexander Hammer / Lesedauer ca. 4 Min. (545 mal gelesen)
Sind die aktuell von vielen Bausparkassen ausgesprochenen und auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützten Kündigungen wirksam? Es gibt gute Argumente dagegen!
Auch die Bausparkassen kommen durch das aktuelle – und in den kommenden Jahren wohl weiter anhaltende – Niedrigzinsumfeld zunehmend finanziell unter Druck. Die benötigten Renditen können immer schwieriger erwirtschaftet werden. Diese Lage wird dadurch verschlimmert, dass die für die Kunden derzeit besonders attraktiven Altverträge die aktuellen Erträge der Bausparkassen weiter mindern. Die Bausparkassen haben ihren Kunden bei vielen Altverträgen 2,5 % bis 3 % Zinsen vertraglich zugesichert, welche sie selbst heute kaum noch erwirtschaftet bekommen.
Als Reaktion darauf haben einige Bausparkassen bereits vor mehreren Jahren mit der Kündigung von diesen – für sie unrentablen – Altverträgen begonnen. Zunächst wurden nur Verträge gekündigt, die voll bespart bzw. überspart waren, also bei denen die Bausparsumme bereits erreicht bzw. sogar überschritten war. Insoweit herrscht in Rechtsprechung und Literatur nahezu Einigkeit, dass die Bausparkassen solche Verträge wirksam kündigen können. Denn bei Erreichen der Bausparsumme ist der Zweck der Anlage entfallen, weil Zweck des Bausparens nicht die zinsgünstige Geldanlage ist, sondern ein Bauspardarlehen zu erhalten. Entsprechend haben beispielsweise das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.09.2013, Az. 19 U 106/13) und das OLG Stuttgart (Beschluss vom 14.10.2011, Az. 9 U 151/11) sowie das Landgericht Aachen (Urteil vom 24.07.2014, Az. 1 O 78/14) entschieden, dass Bauparkassen Verträge beenden dürfen, bei denen die Bausparsumme erreicht ist (§ 488 Abs. 3 BGB). Auch eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof war ohne Erfolg geblieben.
Ende 2014 haben die ersten Bausparkassen dann damit begonnen, sogenannte „Fortsetzer-Verträge“, also Verträge, bei denen die Bausparsumme noch nicht erreicht, die aber seit mehr als 10 Jahren zuteilungsreif sind, zu kündigen. Bei der Kündigung dieser Verträge wird von den jeweiligen Bausparkassen angeführt, dass ihnen ein ordentliches Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zustehe. Nach dieser Vorschrift kann ein Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz – also einem festgeschrieben Zinssatz – nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens mit einer Frist von 6 Monaten kündigen. Diese Argumentation überrascht auf den ersten Blick, aber solange der Bausparer ein Guthaben anspart, stellt dies ein Darlehen dar, welches der Bausparer der Bausparkasse gewährt. Mit der Gewährung des Bauspardarlehens würde es dann zu einem Rollentausch kommen. Der Bausparer würde dann Darlehensnehmer und die Bausparkasse würde in die Darlehensgeberrolle wechseln. Dieser Rollenwechsel ist für die Bausparer im aktuellen Marktumfeld aber unattraktiv, weil die Bausparsumme überdurchschnittlich verzinst wird und die – teils vor Jahrzenten vereinbarten – Zinskonditionen des Bauspardarlehens weit über dem aktuellen Marktumfeld liegen. Aus diesem Grund lassen die Bausparer das angesparte Geld einfach „stehen“ und die Bausparkassen versuchen nun mit den Kündigungen die Kundengelder „loszuwerden“. Die Anwendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB und die Möglichkeit einer wirksamen Kündigung durch die Bausparkassen sind in diesen Fällen jedoch rechtlich zweifelhaft.
Die bisher mit solchen Fällen befassten Gerichte haben die Rechtsfrage unterschiedlich bewertet. In einschlägigen Urteilsdatenbanken wurden bisher mehrere Urteile veröffentlicht, mit denen Klagen von Bausparkunden auf Feststellung des Fortbestehens von Bausparverträgen abgewiesen wurden und letztlich ein Kündigungsrecht der jeweiligen Bausparkasse bejaht wurde (Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15 [nicht rechtkräftig: Berufung ist beim OLG Nürnberg unter dem Az. 14 U 1916/15 rechtshängig]; Landgericht Hannover, Urteil vom 13.07.2015, Az. 14 O 93/15; Landgericht Hannover, Urteil vom 30.06.2015, Az. 14 O 55/15; Landgericht Aachen, Urteil vom 19.05.2015, Az. 10 O 404/14).
Demgegenüber hat das Landgericht Karlsruhe mit Urteil vom 09.10.2015 (Az. 7 O 126/15) die Auffassung vertreten, dass einer Bausparkasse das Recht zur Kündigung aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB so lange nicht zusteht, wie das Bauspardarlehen nicht zugeteilt und die vereinbarte Bausparsumme nicht vollständig angespart wurde. Denn der Vertragszweck kann noch erreicht werden. Auch würde es sich um eine Kündigung handeln, mit welcher sich die Bausparkasse sowohl aus ihrer Rolle als Darlehensnehmerin, als auch aus ihrer Rolle als Darlehensgeberin löst. Für eine solche Kündigung enthält § 489 BGB keine Grundlage. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 489 BGB zugunsten der Bausparkasse würde zudem, so das Landgericht Karlsruhe, einen nicht gebotenen Eingriff in die Risikoverteilung zwischen den Parteien des Bausparvertrags darstellen. Nach den Bedingungen des Bausparvertrages trage nämlich jede Partei das Risiko einer ihr ungünstigen künftigen Zinsentwicklung selbst. Diese Auffassung wurde jüngst vom Amtsgericht Ludwigsburg (Urteil vom 07.08.2015, Az. 10 C 1154/15) und vom Landgericht Stuttgart (Urteil vom 12.11.2015, Az. 12 O 100/15) geteilt und entsprechenden Klage von Kunden auf Feststellung der Unwirksamkeit der jeweiligen Kündigung stattgegeben.
Ein weiteres Argument steht denjenigen Kunden zur Verfügung, die mit ihren Bausparkassen sogenannte „Vario-Verträge“ abgeschlossen haben. Bei diesen Verträgen kann der Bausparer während des laufenden Vertrages durch schriftliche Erklärung gegenüber der Bausparkasse zwischen verschiedenen Tarifen mit unterschiedlichen Basis- und Bonuszinsen hin- und her wechseln. Bei einem Wechsel der Variante ändert sich jeweils die „Gesamtverzinsung“. Damit läge dann bereits kein „Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz“ vor, so dass schon aus diesem Grund die von den Bausparkassen gewünschte Anwendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB scheitern muss und eine Kündigung unwirksam wäre.
Sollten auch Ihre Bausparkasse Ihnen den Bausparvertrag gekündigt haben, prüfen wir gerne, ob die Kündigung rechtmäßig und mit welchen Erfolgsaussichten eine erfolgreiche Gegenwehr möglich ist. Sie selbst sollten, wenn Sie an dem Bausparvertrag festhalten wollen, der Kündigung schriftlich widersprechen.
Alexander Hammer, LL.M.
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Auch die Bausparkassen kommen durch das aktuelle – und in den kommenden Jahren wohl weiter anhaltende – Niedrigzinsumfeld zunehmend finanziell unter Druck. Die benötigten Renditen können immer schwieriger erwirtschaftet werden. Diese Lage wird dadurch verschlimmert, dass die für die Kunden derzeit besonders attraktiven Altverträge die aktuellen Erträge der Bausparkassen weiter mindern. Die Bausparkassen haben ihren Kunden bei vielen Altverträgen 2,5 % bis 3 % Zinsen vertraglich zugesichert, welche sie selbst heute kaum noch erwirtschaftet bekommen.
Als Reaktion darauf haben einige Bausparkassen bereits vor mehreren Jahren mit der Kündigung von diesen – für sie unrentablen – Altverträgen begonnen. Zunächst wurden nur Verträge gekündigt, die voll bespart bzw. überspart waren, also bei denen die Bausparsumme bereits erreicht bzw. sogar überschritten war. Insoweit herrscht in Rechtsprechung und Literatur nahezu Einigkeit, dass die Bausparkassen solche Verträge wirksam kündigen können. Denn bei Erreichen der Bausparsumme ist der Zweck der Anlage entfallen, weil Zweck des Bausparens nicht die zinsgünstige Geldanlage ist, sondern ein Bauspardarlehen zu erhalten. Entsprechend haben beispielsweise das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.09.2013, Az. 19 U 106/13) und das OLG Stuttgart (Beschluss vom 14.10.2011, Az. 9 U 151/11) sowie das Landgericht Aachen (Urteil vom 24.07.2014, Az. 1 O 78/14) entschieden, dass Bauparkassen Verträge beenden dürfen, bei denen die Bausparsumme erreicht ist (§ 488 Abs. 3 BGB). Auch eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof war ohne Erfolg geblieben.
Ende 2014 haben die ersten Bausparkassen dann damit begonnen, sogenannte „Fortsetzer-Verträge“, also Verträge, bei denen die Bausparsumme noch nicht erreicht, die aber seit mehr als 10 Jahren zuteilungsreif sind, zu kündigen. Bei der Kündigung dieser Verträge wird von den jeweiligen Bausparkassen angeführt, dass ihnen ein ordentliches Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zustehe. Nach dieser Vorschrift kann ein Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz – also einem festgeschrieben Zinssatz – nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens mit einer Frist von 6 Monaten kündigen. Diese Argumentation überrascht auf den ersten Blick, aber solange der Bausparer ein Guthaben anspart, stellt dies ein Darlehen dar, welches der Bausparer der Bausparkasse gewährt. Mit der Gewährung des Bauspardarlehens würde es dann zu einem Rollentausch kommen. Der Bausparer würde dann Darlehensnehmer und die Bausparkasse würde in die Darlehensgeberrolle wechseln. Dieser Rollenwechsel ist für die Bausparer im aktuellen Marktumfeld aber unattraktiv, weil die Bausparsumme überdurchschnittlich verzinst wird und die – teils vor Jahrzenten vereinbarten – Zinskonditionen des Bauspardarlehens weit über dem aktuellen Marktumfeld liegen. Aus diesem Grund lassen die Bausparer das angesparte Geld einfach „stehen“ und die Bausparkassen versuchen nun mit den Kündigungen die Kundengelder „loszuwerden“. Die Anwendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB und die Möglichkeit einer wirksamen Kündigung durch die Bausparkassen sind in diesen Fällen jedoch rechtlich zweifelhaft.
Die bisher mit solchen Fällen befassten Gerichte haben die Rechtsfrage unterschiedlich bewertet. In einschlägigen Urteilsdatenbanken wurden bisher mehrere Urteile veröffentlicht, mit denen Klagen von Bausparkunden auf Feststellung des Fortbestehens von Bausparverträgen abgewiesen wurden und letztlich ein Kündigungsrecht der jeweiligen Bausparkasse bejaht wurde (Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15 [nicht rechtkräftig: Berufung ist beim OLG Nürnberg unter dem Az. 14 U 1916/15 rechtshängig]; Landgericht Hannover, Urteil vom 13.07.2015, Az. 14 O 93/15; Landgericht Hannover, Urteil vom 30.06.2015, Az. 14 O 55/15; Landgericht Aachen, Urteil vom 19.05.2015, Az. 10 O 404/14).
Demgegenüber hat das Landgericht Karlsruhe mit Urteil vom 09.10.2015 (Az. 7 O 126/15) die Auffassung vertreten, dass einer Bausparkasse das Recht zur Kündigung aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB so lange nicht zusteht, wie das Bauspardarlehen nicht zugeteilt und die vereinbarte Bausparsumme nicht vollständig angespart wurde. Denn der Vertragszweck kann noch erreicht werden. Auch würde es sich um eine Kündigung handeln, mit welcher sich die Bausparkasse sowohl aus ihrer Rolle als Darlehensnehmerin, als auch aus ihrer Rolle als Darlehensgeberin löst. Für eine solche Kündigung enthält § 489 BGB keine Grundlage. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 489 BGB zugunsten der Bausparkasse würde zudem, so das Landgericht Karlsruhe, einen nicht gebotenen Eingriff in die Risikoverteilung zwischen den Parteien des Bausparvertrags darstellen. Nach den Bedingungen des Bausparvertrages trage nämlich jede Partei das Risiko einer ihr ungünstigen künftigen Zinsentwicklung selbst. Diese Auffassung wurde jüngst vom Amtsgericht Ludwigsburg (Urteil vom 07.08.2015, Az. 10 C 1154/15) und vom Landgericht Stuttgart (Urteil vom 12.11.2015, Az. 12 O 100/15) geteilt und entsprechenden Klage von Kunden auf Feststellung der Unwirksamkeit der jeweiligen Kündigung stattgegeben.
Ein weiteres Argument steht denjenigen Kunden zur Verfügung, die mit ihren Bausparkassen sogenannte „Vario-Verträge“ abgeschlossen haben. Bei diesen Verträgen kann der Bausparer während des laufenden Vertrages durch schriftliche Erklärung gegenüber der Bausparkasse zwischen verschiedenen Tarifen mit unterschiedlichen Basis- und Bonuszinsen hin- und her wechseln. Bei einem Wechsel der Variante ändert sich jeweils die „Gesamtverzinsung“. Damit läge dann bereits kein „Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz“ vor, so dass schon aus diesem Grund die von den Bausparkassen gewünschte Anwendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB scheitern muss und eine Kündigung unwirksam wäre.
Sollten auch Ihre Bausparkasse Ihnen den Bausparvertrag gekündigt haben, prüfen wir gerne, ob die Kündigung rechtmäßig und mit welchen Erfolgsaussichten eine erfolgreiche Gegenwehr möglich ist. Sie selbst sollten, wenn Sie an dem Bausparvertrag festhalten wollen, der Kündigung schriftlich widersprechen.
Alexander Hammer, LL.M.
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Versicherungsrecht