Minijob

04.08.2023, Autor: Herr Martin Stier / Lesedauer ca. 5 Min. (193 mal gelesen)
Rentenversicherung

Auch Mini-Jobber sind Arbeitnehmer!

Minijobber sind vollwertige Arbeitnehmer im Sinne des § 611a BGB mit allen Rechten und Pflichten. Sie sind Teilzeitbeschäftigte im Sinne des TzBfG. 

Minijobber sind also keineswegs Arbeitnehmer zweiter Klasse. § 4 Abs. 1 TzBfG stellt ein Diskriminierungsverbot auf. Danach dürfen Teilzeitbeschäftigte ohne triftigen Grund nicht zu schlechteren Arbeitsbedingungen beschäftigt werden als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. 

Der Arbeitgeber muss Teilzeitbeschäftigten also grundsätzlich gleiche Leistungen gewähren wie den Vollzeitbeschäftigten, allerdings der Höhe nach durchaus weniger. Hier darf das Verhältnis der Teilzeit zur Vollzeit berücksichtigt werden.

Beispiel:

Möchte der Arbeitgeber eine Jubiläumsprämie auszahlen, dann wäre es diskriminierend, die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten generell von dieser Leistung auszunehmen.

Es wäre ebenfalls diskriminierend, allen Teilzeitbeschäftigten ohne Rücksicht auf deren konkrete wöchentliche Arbeitszeit einheitlich nur einen kleinen Bruchteil der Prämie zu bezahlen. Auf der sicheren Seite ist ein Arbeitgeber nur dann, wenn er zur Bemessung der individuellen Prämienhöhe den Bezug herstellt zur konkreten wöchentlichen Arbeitszeit der begünstigten Arbeitnehmer.

Selbstverständlich haben geringfügig Beschäftigte Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Krankheit nach dem EFZG und Anspruch auf Erholungsurlaub nach dem BUrlG. Vom Kündigungsschutz sind Teilzeitbeschäftigte ebenfalls nicht ausgenommen.

Was ist der Unterschied zwischen Teilzeitarbeitnehmern und Minijobbern?

Arbeitsrechtlich besteht kein Unterschied. Der Unterschied liegt in der Sozialversicherungspflicht. 

Bei einer geringfügigen Beschäftigung besteht keine Versicherungspflicht in den Zweigen Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. 

Eine Versicherungspflicht besteht jedoch grundsätzlich in der gesetzlichen Rentenversicherung. Minijobber haben jedoch die Möglichkeit, sich von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen (Opt-Out-Modell). Der Arbeitgeber muss auf die Befreiungsmöglichkeit hinweisen. Der Befreiungsantrag sollte jedoch nicht reflexartig gestellt werden. Das Für und Wider will stattdessen gut überlegt sein.

Was sind die Vorteile der Rentenversicherungspflicht für Minijobber? 

Minijobber, die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten, behalten dort ihre Mitgliedschaft. Die Beiträge sind nicht nur Pauschalbeiträge, sondern Pflichtbeiträge. 

Zeiten, für die Pflichtbeiträge geleistet werden, gelten als Versicherungszeiten und diese werden auf Wartezeiten angerechnet. Das kann einen bereits bestehenden Rentenanspruch erhöhen. Darüber besteht die Möglichkeit, dadurch überhaupt erst einen Rentenanspruch zu erwerben oder dem Betroffenen die Möglichkeit eines früheren Rentenzugangs zu verschaffen.

Durch die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung erwirbt man nicht nur eine Rentenanwartschaft, sondern außerdem Anspruch auf andere Versicherungsleistungen, z.B. Rehabilitationsleistungen.

Müssen für Minijobber Abgaben entrichtet werden?

Die Beitragspflicht in der Sozialversicherung trifft grundsätzlich nur den Arbeitgeber. Die Abgaben für die Sozialversicherung sind pauschal. Zuständige Einzugsstelle ist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.

Für die gesetzliche Rentenversicherung bezahlen die Arbeitnehmer bei einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung die Differenz zwischen dem vom Arbeitgeber entrichteten Pauschalbeitrag und dem jeweils geltenden Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Arbeitgeber muss auch die üblichen Umlagen bezahlen wegen Krankheit, Mutterschutz und Insolvenz sowie die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Lohnsteuer ist ebenfalls pauschalisiert und wird vom Arbeitgeber abgeführt. Die Lohnsteuer könnte der Arbeitgeber beim Minijobber von der Arbeitsvergütung abziehen. In der Regel passiert das aber nicht, sondern der Arbeitgeber trägt die Lohnsteuer.

Die Schattenseite der Sozialversicherungsfreiheit bekamen Minijobber anlässlich der Betriebsschließungen im Lockdown während der Pandemie zu spüren. Die Minijobber gingen leer aus, während die in abgabepflichtiger Teil- und Vollzeit beschäftigten Kolleginnen und Kollegen immerhin das Kurzarbeitergeld beziehen konnten. Diese Ausnahme musste hingenommen werden und bedeutete nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts keine Diskriminierung der geringfügig Beschäftigten (Bundesarbeitsgericht vom 13.10.2021 – 5 AZR 211/21).    

Wer ist geringfügig beschäftigt?

Zu unterscheiden sind Entgeltgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV und Zeitgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV.

Bei der Entgeltgeringfügigkeit (geringfügig entlohnte Beschäftigung) besteht eine Dauerbeschäftigung des Arbeitnehmers mit einer Vergütung bis zur Geringfügigkeitsgrenze. 

Diese Grenze liegt monatlich bei einer Anzahl von 10 Wochenstunden, vergütet mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Wegen des Bezugs zum gesetzlichen Mindestlohn ist die Grenze dynamisch, Sie steigt im gleichen Maße, wie der gesetzliche Mindestlohn regelmäßig erhöht wird.

Aktuell gilt folgendes: 

12,00 EUR x 10 Wochenstunden = 120 EUR x 4,33 Wochen im Monat = 519,60 EUR, aufgerundet 520,00 EUR.

Die Geringfügigkeitsgrenze wird regelmäßig im Bundesanzeiger bekanntgegeben.

Die Geringfügigkeitsgrenze darf nur aus unvorhersehbaren Gründen zwei bis drei Mal innerhalb eines Zwölfmonatszeitraums überschritten werden. Sonderzahlungen, wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind schädlich, denn deren Zahlung ist vorhersehbar. Dasselbe gilt für saisonbedingte Mehrarbeit. 

Ein Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze hätte zur Folge, dass der Minijob von Anfang an in vollem Maße sozialversicherungspflichtig wäre. Ansprüche auf Sonderzahlungen müssen also arbeitsvertraglich ausdrücklich ausgeschlossen werden. Wo das rechtlich nicht möglich ist, z.B. im Geltungsbereich von Tarifverträgen, muss die Anzahl der zu leistenden Arbeitsstunden im Arbeitsvertrag entsprechend abgesenkt werden. Die Sonderzahlungen den Minijobber nicht zu gewähren reicht nicht aus, sofern der Rest der Belegschaft Sonderzahlungen erhält. Die Minijobber hätten auf Grundlage des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes ebenfalls einen Anspruch auf diese Leistungen (Diskriminierungsverbot, § 4 Abs. 1 TzBfG). Sollte ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag bestehen (z.B.  MTV im Friseurhandwerk in Baden-Württemberg), dann besteht für die Minijobber ein unverzichtbarer Anspruch auf das Weihnachtsgeld. Selbst wenn die Minijobber die Leistung nicht einfordern sollten, so könnte das für den Arbeitgeber unangenehm werden bei einer Betriebsprüfung durch die gesetzliche Rentenversicherung. Der Arbeitgeber müsste dann die auf das Weihnachtsgeld entfallenden Sozialversicherungsbeiträge nachentrichten (Stichwort: Phantomlohn). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die betroffenen Minijobber die Sonderzahlung erhalten oder nicht.

Steuerfreie Leistungen (z.B. Sonn- und Feiertagszuschläge, Nachtarbeitszuschläge, steuerfreie Extras) des Arbeitgebers zählen nicht zum Verdienst im Sinne der Geringfügigkeitsgrenze und können somit unschädlich bezahlt werden. 

Im Falle der Entgeltgeringfügigkeit muss der Arbeitgeber Pauschalabgaben zur Sozialversicherung abführen, ohne dass die Arbeitnehmer Leistungsansprüche erwerben.  

Die Zeitgeringfügigkeit (kurzfristige Beschäftigung) liegt vor, wenn die Beschäftigung in einem Kalenderjahr längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage beträgt. Typischerweise handelt es sich um Saisonarbeit. Bei Zeitgeringfügigkeit besteht keine Entgeltgrenze.

Diese Grenze muss vorher vertraglich vereinbart werden. Sie muss also von vornherein feststehen. Anders als bei der Entgeltgeringfügigkeit muss es sich um eine gelegentlich ausgeübte Tätigkeit handeln, also um etwas Einmaliges. Bei einer berufsmäßigen Ausübung zur Sicherung der Lebenshaltung ist nicht der Fall.

Eine berufsmäßige Ausübung der Tätigkeit liegt vor, wenn diese nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig ausgeübt wird und der Mitarbeiter dadurch seinen Lebensunterhalt entweder ganz oder zu einem großen Teil verdient.

Die zeitgeringfügige Beschäftigung ist pauschalabgabenfrei in der Sozialversicherung, jedoch muss der Arbeitgeber eine erhöhte Pauschale als Lohnsteuer abführen.

Kann ein Minijobber mehrere Jobs ausüben?

Unproblematisch ist die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung neben einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung. Hier erfolgt keine Zusammenrechnung der Einkünfte.

Die Ausübung eines Minijobs ist allerdings nur bei einem anderen Arbeitgeber möglich, also nicht beim Hauptarbeitgeber. Insofern besteht immer ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis. Ein bei einem einzigen Arbeitgeber bestehendes Arbeitsverhältnis ist nicht aufteilbar in einen Haupt- und einen Minijob.

Die Verdienste aus mehreren Minijobs bei verschiedenen Arbeitgebern werden zusammengerechnet und die einzelnen Vergütungen dürfen dann - zusammengerechnet -  die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten.  Ansonsten entfallen die Privilegien bei Sozialversicherung und Lohnsteuer und als Folge tritt die volle Beitrags- und Abgabenpflicht ein.

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