Zu weitreichendes Minderungs- und Aufrechnungsverbot ist unwirksam
29.06.2016, Autor: Herr Nima Armin Daryai / Lesedauer ca. 3 Min. (215 mal gelesen)
Mit Urteil vom 06.04.2016 hat der Bundesgerichtshof die Klausel eines Gewerberaummietvertrages für unwirksam erklärt, nach der der Mieter nicht gegen die Miete aufrechnen darf, wenn seine Forderung nicht aus dem Mietverhältnis stammt.
BGH, Urteil vom 06.04.2016 - XII ZR 30/15
Der Ausgangsstreit: Die Mieterin hatte gegenüber dem Vermieter die Miete für die Monate Januar bis Juli 2009 aufgrund eines Wassereintritts durch das Dach in den Personalraum gemindert. Kurz vor Eintritt der Verjährung machte die Vermieterin die Forderung für die nicht gezahlte Miete gerichtlich geltend. Sie berief sich insbesondere auf § 8 des Mietvertrages, der wie folgt lautete:
„Der Mieter kann gegen die Miete weder aufrechnen noch ein Zurückbehaltungsrecht ausüben oder die Miete mindern. Hiervon ausgenommen sind Forderungen des Mieters wegen Schadenersatz für Nichterfüllung oder Aufwendungsersatz infolge eines anfänglichen oder nachträglichen Mangels der Mietsache, den der Vermieter wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat, und andere Forderungen aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind.
Die Erstattung etwaiger im Wege der Aufrechnung geltend gemachter Gegenforderungen des Mieters aus dem Mietverhältnis erfolgt in monatlichen Teilbeträgen, die 30% der jeweiligen Monatsmiete nicht übersteigen dürfen.“
Der überwiegende Teil der Klausel ist inzwischen in Gewerberaummietverträgen üblich. Mit ihr wird das Recht zur Minderung zunächst und das Recht zur Zurückbehaltung insgesamt ausgeschlossen. Eine Minderung kann durch den Mieter so umgesetzt werden, dass dieser die Miete unter Vorbehalt leistet und dann die aufgrund der Minderung eigentlich zu viel geleistete Miete einklagt. Das Besondere hier ist, dass die Klausel im letzten Teil des ersten Absatzes die Möglichkeit zur Aufrechnung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis beschränkt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Forderungen aus einem außerhalb des Mietverhältnisses stehenden Rechtsverhältnis, selbst wenn diese unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind, von einer Aufrechnung ausgeschlossen werden. Das Amtsgericht hatte der Klage der Vermieterin stattgegeben. Das Landgericht hat in der Berufung das Urteil bestätigt. Beide Gerichte sind von der Wirksamkeit der Klausel ausgegangen.
Die Entscheidung: Der Bundesgerichtshof hebt die beiden Entscheidungen auf und verweist den Rechtsstreit zurück an das Landgericht. Er begründet seine Entscheidung damit, dass das Aufrechnungs- und Minderungsverbot des § 8 Mietvertrag unwirksam sei. In § 309 Nr. 3 BGB ist geregelt, dass eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die ein Verbot der Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen vorsieht, unwirksam ist. Die Regelung ist zwar nicht direkt auf Verträge unter Unternehmern anwendbar. Der Grundgedanke, dass eine derartige Verkürzung der Rechte den Geschäftspartner des Verwenders von AGB entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist aber auch im Geschäftsverkehr unter Unternehmern zu beachten. Dieser Gedanke ist, so der BGH, in § 307 BGB – allgemeine Regelung zur Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei unangemessener Benachteiligung – enthalten.
Praxistipp: Neuere Gewerberaummietverträge sehen nahezu sämtlich ein Verbot der Aufrechnung und der Minderung vor. Eine abschließende Entscheidung des Bundesgerichtshofs, ob formularmäßig das Recht zur Minderung ausgeschlossen werden kann, steht zwar noch aus. Man kann aber von der Wirksamkeit einer solchen Regelung ausgehen, da der Bundesgerichtshof schon mehrfach auf § 536 Abs. 4 BGB verwiesen hat, nach dem das Minderungsrecht des Mieters nur im Wohnraummietrecht nicht abgeändert werden darf. Hieraus folge im Umkehrschluss, so der BGH, dass ein Abweichen in der Geschäftsraummiete möglich sein soll. Als Mieter sollte man sich bei Abschluss eines Gewerberaummietvertrages der eventuell schwerwiegenden Konsequenzen einer solchen Klausel bewusst sein. Ist die Klausel wirksam, muss man selbst bei offensichtlichem Mangel die Miete weiter in voller Höhe leisten, wenn der Vermieter einem keine angemessene Minderung zusteht oder aus anderen Gründen die direkte Umsetzung der Minderung verweigert. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts muss man dann diese Miete aus einem eventuell erheblich verminderten Umsatz weiter leisten, da man ansonsten die Kündigung des Mietvertrages riskiert. Alternativ besteht nach Fristsetzung die Möglichkeit der fristlosen Kündigung des Mietvertrages. Das damit verbundene Risiko – insb. Leistung der Miete bis zum Ende der Mietzeit, wenn der Vermieter keinen Nachmieter findet – wird aber der Großteil aller Mieter scheuen. Wenn man für die Existenzgründung ein Darlehen aufgenommen hat und die Darlehensraten aus dem Umsatz des Geschäftes leisten will, kommt diese Option sowieso nicht in Betracht.
BGH, Urteil vom 06.04.2016 - XII ZR 30/15
Der Ausgangsstreit: Die Mieterin hatte gegenüber dem Vermieter die Miete für die Monate Januar bis Juli 2009 aufgrund eines Wassereintritts durch das Dach in den Personalraum gemindert. Kurz vor Eintritt der Verjährung machte die Vermieterin die Forderung für die nicht gezahlte Miete gerichtlich geltend. Sie berief sich insbesondere auf § 8 des Mietvertrages, der wie folgt lautete:
„Der Mieter kann gegen die Miete weder aufrechnen noch ein Zurückbehaltungsrecht ausüben oder die Miete mindern. Hiervon ausgenommen sind Forderungen des Mieters wegen Schadenersatz für Nichterfüllung oder Aufwendungsersatz infolge eines anfänglichen oder nachträglichen Mangels der Mietsache, den der Vermieter wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat, und andere Forderungen aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind.
Die Erstattung etwaiger im Wege der Aufrechnung geltend gemachter Gegenforderungen des Mieters aus dem Mietverhältnis erfolgt in monatlichen Teilbeträgen, die 30% der jeweiligen Monatsmiete nicht übersteigen dürfen.“
Der überwiegende Teil der Klausel ist inzwischen in Gewerberaummietverträgen üblich. Mit ihr wird das Recht zur Minderung zunächst und das Recht zur Zurückbehaltung insgesamt ausgeschlossen. Eine Minderung kann durch den Mieter so umgesetzt werden, dass dieser die Miete unter Vorbehalt leistet und dann die aufgrund der Minderung eigentlich zu viel geleistete Miete einklagt. Das Besondere hier ist, dass die Klausel im letzten Teil des ersten Absatzes die Möglichkeit zur Aufrechnung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis beschränkt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Forderungen aus einem außerhalb des Mietverhältnisses stehenden Rechtsverhältnis, selbst wenn diese unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind, von einer Aufrechnung ausgeschlossen werden. Das Amtsgericht hatte der Klage der Vermieterin stattgegeben. Das Landgericht hat in der Berufung das Urteil bestätigt. Beide Gerichte sind von der Wirksamkeit der Klausel ausgegangen.
Die Entscheidung: Der Bundesgerichtshof hebt die beiden Entscheidungen auf und verweist den Rechtsstreit zurück an das Landgericht. Er begründet seine Entscheidung damit, dass das Aufrechnungs- und Minderungsverbot des § 8 Mietvertrag unwirksam sei. In § 309 Nr. 3 BGB ist geregelt, dass eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die ein Verbot der Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen vorsieht, unwirksam ist. Die Regelung ist zwar nicht direkt auf Verträge unter Unternehmern anwendbar. Der Grundgedanke, dass eine derartige Verkürzung der Rechte den Geschäftspartner des Verwenders von AGB entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist aber auch im Geschäftsverkehr unter Unternehmern zu beachten. Dieser Gedanke ist, so der BGH, in § 307 BGB – allgemeine Regelung zur Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei unangemessener Benachteiligung – enthalten.
Praxistipp: Neuere Gewerberaummietverträge sehen nahezu sämtlich ein Verbot der Aufrechnung und der Minderung vor. Eine abschließende Entscheidung des Bundesgerichtshofs, ob formularmäßig das Recht zur Minderung ausgeschlossen werden kann, steht zwar noch aus. Man kann aber von der Wirksamkeit einer solchen Regelung ausgehen, da der Bundesgerichtshof schon mehrfach auf § 536 Abs. 4 BGB verwiesen hat, nach dem das Minderungsrecht des Mieters nur im Wohnraummietrecht nicht abgeändert werden darf. Hieraus folge im Umkehrschluss, so der BGH, dass ein Abweichen in der Geschäftsraummiete möglich sein soll. Als Mieter sollte man sich bei Abschluss eines Gewerberaummietvertrages der eventuell schwerwiegenden Konsequenzen einer solchen Klausel bewusst sein. Ist die Klausel wirksam, muss man selbst bei offensichtlichem Mangel die Miete weiter in voller Höhe leisten, wenn der Vermieter einem keine angemessene Minderung zusteht oder aus anderen Gründen die direkte Umsetzung der Minderung verweigert. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts muss man dann diese Miete aus einem eventuell erheblich verminderten Umsatz weiter leisten, da man ansonsten die Kündigung des Mietvertrages riskiert. Alternativ besteht nach Fristsetzung die Möglichkeit der fristlosen Kündigung des Mietvertrages. Das damit verbundene Risiko – insb. Leistung der Miete bis zum Ende der Mietzeit, wenn der Vermieter keinen Nachmieter findet – wird aber der Großteil aller Mieter scheuen. Wenn man für die Existenzgründung ein Darlehen aufgenommen hat und die Darlehensraten aus dem Umsatz des Geschäftes leisten will, kommt diese Option sowieso nicht in Betracht.