Bundesarbeitsgericht zur Verjährung von Urlaubsansprüchen
25.01.2023, Autor: Frau Cátia Sofia Dileone das Neves Sequeira / Lesedauer ca. 3 Min. (412 mal gelesen)
Oft genug verzichten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darauf, den ihnen jedes Jahr zustehenden vierwöchigen Mindesturlaub auch wirklich zu nehmen. Entweder ist auf der Arbeit zu viel zu tun oder Krankheiten hindern an der rechtzeitigen Inanspruchnahme. Was passiert dann mit den nicht genommenen Urlaubstagen? Kann man sie auch noch Jahre später einreichen oder kann der Urlaubsanspruch verjähren? Zu dieser Frage haben sich Europäischer Gerichtshof (EuGH) und Bundesarbeitsgericht (BAG) positioniert (BAG, Urteil v. 20.12.2022; Az.: 9 AZR 266/20).
Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen nur unter bestimmten Voraussetzungen
§ 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) gewährt jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin einen Mindesturlaubsanspruch. Ist es diesen aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht möglich, den kompletten Urlaub in einem Jahr zu nehmen, werden die nicht genommenen Urlaubstage in das Folgejahr übertragen. Sie können dann noch bis Ende des ersten Quartals genommen werden. Ansonsten verfallen sie.
Das gilt allerdings nach der Rechtsprechung von EuGH und BAG nur, wenn der Arbeitgeber auf die Möglichkeit des Verfalls hingewiesen und eine deutliche Aufforderung ausgesprochen hat, den Urlaub in Anspruch zu nehmen.
Versäumt der Arbeitgeber den Hinweis darauf, dass die Urlaubstage verfallen können, gehen sie auf das folgende Jahr über und können zusätzlich zu den Urlaubstagen aus diesem Jahr genommen werden. Es gibt dann auch keine Frist, bis zu der Angestellte die offenen Urlaubstage „abgefeiert“ haben müssen. Das kann dazu führen, dass sich über die Jahre eine ganze Menge an Urlaubstagen ansammelt, die Angestellte dann irgendwann in Anspruch nehmen könnten.
Der Arbeitgeberseite könnte allerdings die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Seite stehen. Dann wäre ein Anspruch auf Urlaubstage, der vor mehr als drei Jahren entstanden ist, verjährt und könnte von dem oder der Angestellten nicht mehr geltend gemacht werden. Was für Arbeitgeber zur Rechtssicherheit beträgt, beeinträchtigt allerdings den Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. So sieht es zumindest der EuGH, der den Erholungsurlaub als Teil des Gesundheitsschutzes einordnet.
Der Fall vor dem BAG
Das BAG hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem eine angestellte Bilanzbuchhalterin nach über zwei Jahrzehnten aus ihrer Arbeitgeber-Kanzlei ausschied. Sie hatte in den vergangenen Jahren eine ganze Menge Urlaubstage angesammelt, da der Arbeitgeber sie weder darauf hingewiesen hatte, dass Urlaubsansprüche verfallen können, noch dazu aufgefordert hatte, die Urlaubstage zu nehmen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vergütete der Arbeitgeber zwar einen Teil der nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage, einen großen Teil aber nicht. Die Arbeitnehmerin sah sich gezwungen, die Abgeltung von über 100 weiteren Urlaubstagen aus 2017 und früheren Jahren einzuklagen. Das Arbeitsgericht Solingen war mit dem Arbeitgeber der Auffassung, dass ein Großteil der Ansprüche verjährt sei. Es verurteilte ihn nur zur Abgeltung von 3 weiteren Urlaubstagen für 2017. Anders das Landesarbeitsgericht Düsseldorf: die Urlaubsansprüche seien nicht verjährt, der Arbeitgeber sollte zusätzlich 76 Tage abgelten. Das wiederum gefiel dem Arbeitgeber nicht, weshalb der Fall schließlich zum BAG gelangte. Dieses wandte sich an den EuGH mit der Frage, ob Verjährung von Urlaubsansprüchen in einem solchen Fall überhaupt zulässig sei.
Informationspflichten des Arbeitgebers
Nein! So der EuGH. Eine Verjährung von nicht genommenen Mindesturlaubsansprüchen sei zumindest dann nicht zulässig, wenn der Arbeitgeber seine „urlaubsrechtlichen Mitwirkungspflichten“ nicht erfüllt habe und die Nichtinanspruchnahme der Urlaubstage darauf zurückzuführen sei.
Grundsätzlich könne zwar auch der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub verjähren. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne aber erst dann, wenn der Arbeitgeber seine Angestellten zum einen über den Urlaubsanspruch an sich und zum anderen über einen drohenden Verfall informiert habe. Nehmen Angestellte trotz dieser Informationen keinen Urlaub, kann der Anspruch mit Ablauf von drei Jahren verjähren.
Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Arbeitgeber sollten nach diesem Urteil noch mehr darauf achten, ihre Angestellten rechtzeitig über Urlaubsansprüche und deren Verfall zu informieren. Ansonsten droht bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen womöglich ein böses Erwachen.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten nach dem Ausscheiden aus einem Unternehmen trotz dieses Urteils zeitnah etwaige Urlaubabgeltungsansprüche für die vergangenen Jahre geltend machen – denn auch wenn der Urlaubsanspruch unter den genannten Voraussetzungen nicht verjährt, so unterliegt der Abgeltungsanspruch dennoch der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist.
Gerne unterstütze ich Sie als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber bei der Formulierung rechtssicherer Informationen für Ihre Angestellten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berate und vertrete ich gerne während und nach einem Arbeitsverhältnis bei allen Fragen rund um Urlaubs- und Abgeltungsansprüche. Sie erreichen mich telefonisch unter 040/ 413 46 98 97 oder per E-Mail info@cs-ra.de.
Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen nur unter bestimmten Voraussetzungen
§ 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) gewährt jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin einen Mindesturlaubsanspruch. Ist es diesen aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht möglich, den kompletten Urlaub in einem Jahr zu nehmen, werden die nicht genommenen Urlaubstage in das Folgejahr übertragen. Sie können dann noch bis Ende des ersten Quartals genommen werden. Ansonsten verfallen sie.
Das gilt allerdings nach der Rechtsprechung von EuGH und BAG nur, wenn der Arbeitgeber auf die Möglichkeit des Verfalls hingewiesen und eine deutliche Aufforderung ausgesprochen hat, den Urlaub in Anspruch zu nehmen.
Versäumt der Arbeitgeber den Hinweis darauf, dass die Urlaubstage verfallen können, gehen sie auf das folgende Jahr über und können zusätzlich zu den Urlaubstagen aus diesem Jahr genommen werden. Es gibt dann auch keine Frist, bis zu der Angestellte die offenen Urlaubstage „abgefeiert“ haben müssen. Das kann dazu führen, dass sich über die Jahre eine ganze Menge an Urlaubstagen ansammelt, die Angestellte dann irgendwann in Anspruch nehmen könnten.
Der Arbeitgeberseite könnte allerdings die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Seite stehen. Dann wäre ein Anspruch auf Urlaubstage, der vor mehr als drei Jahren entstanden ist, verjährt und könnte von dem oder der Angestellten nicht mehr geltend gemacht werden. Was für Arbeitgeber zur Rechtssicherheit beträgt, beeinträchtigt allerdings den Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. So sieht es zumindest der EuGH, der den Erholungsurlaub als Teil des Gesundheitsschutzes einordnet.
Der Fall vor dem BAG
Das BAG hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem eine angestellte Bilanzbuchhalterin nach über zwei Jahrzehnten aus ihrer Arbeitgeber-Kanzlei ausschied. Sie hatte in den vergangenen Jahren eine ganze Menge Urlaubstage angesammelt, da der Arbeitgeber sie weder darauf hingewiesen hatte, dass Urlaubsansprüche verfallen können, noch dazu aufgefordert hatte, die Urlaubstage zu nehmen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vergütete der Arbeitgeber zwar einen Teil der nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage, einen großen Teil aber nicht. Die Arbeitnehmerin sah sich gezwungen, die Abgeltung von über 100 weiteren Urlaubstagen aus 2017 und früheren Jahren einzuklagen. Das Arbeitsgericht Solingen war mit dem Arbeitgeber der Auffassung, dass ein Großteil der Ansprüche verjährt sei. Es verurteilte ihn nur zur Abgeltung von 3 weiteren Urlaubstagen für 2017. Anders das Landesarbeitsgericht Düsseldorf: die Urlaubsansprüche seien nicht verjährt, der Arbeitgeber sollte zusätzlich 76 Tage abgelten. Das wiederum gefiel dem Arbeitgeber nicht, weshalb der Fall schließlich zum BAG gelangte. Dieses wandte sich an den EuGH mit der Frage, ob Verjährung von Urlaubsansprüchen in einem solchen Fall überhaupt zulässig sei.
Informationspflichten des Arbeitgebers
Nein! So der EuGH. Eine Verjährung von nicht genommenen Mindesturlaubsansprüchen sei zumindest dann nicht zulässig, wenn der Arbeitgeber seine „urlaubsrechtlichen Mitwirkungspflichten“ nicht erfüllt habe und die Nichtinanspruchnahme der Urlaubstage darauf zurückzuführen sei.
Grundsätzlich könne zwar auch der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub verjähren. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne aber erst dann, wenn der Arbeitgeber seine Angestellten zum einen über den Urlaubsanspruch an sich und zum anderen über einen drohenden Verfall informiert habe. Nehmen Angestellte trotz dieser Informationen keinen Urlaub, kann der Anspruch mit Ablauf von drei Jahren verjähren.
Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Arbeitgeber sollten nach diesem Urteil noch mehr darauf achten, ihre Angestellten rechtzeitig über Urlaubsansprüche und deren Verfall zu informieren. Ansonsten droht bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen womöglich ein böses Erwachen.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten nach dem Ausscheiden aus einem Unternehmen trotz dieses Urteils zeitnah etwaige Urlaubabgeltungsansprüche für die vergangenen Jahre geltend machen – denn auch wenn der Urlaubsanspruch unter den genannten Voraussetzungen nicht verjährt, so unterliegt der Abgeltungsanspruch dennoch der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist.
Gerne unterstütze ich Sie als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber bei der Formulierung rechtssicherer Informationen für Ihre Angestellten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berate und vertrete ich gerne während und nach einem Arbeitsverhältnis bei allen Fragen rund um Urlaubs- und Abgeltungsansprüche. Sie erreichen mich telefonisch unter 040/ 413 46 98 97 oder per E-Mail info@cs-ra.de.