PIN und EC-Karte im Portemonnaie – unter Umständen doch unproblematisch?

22.08.2023, Autor: Frau Cátia Sofia Dileone das Neves Sequeira / Lesedauer ca. 3 Min. (159 mal gelesen)
Nach einem EC-Kartenmissbrauch kann der Karteninhaber bzw. die Karteninhaberin gegen die Bank in bestimmten Fällen einen Erstattungsanspruch geltend machen. Das gilt aber nur, wenn er bzw. sie keine grobe Sorgfaltspflichtverletzung begangen hat. Die Aufbewahrung einer Notiz mit verschlüsselter PIN zusammen mit der EC-Karte im selben Portemonnaie ist nicht zwingend eine solche Sorgfaltspflichtverletzung – zumindest dann nicht, wenn die Verschlüsselung hinreichend komplex und sicher ist. So hat es das Amtsgericht München entschieden (AG München, Urteil v. 02.06.2023, Az.: 142 C 19233/19).

Karteninhaber verlangt abgehobenes Geld von der Bank zurück

Der Karteninhaber war in Italien unterwegs, wo ihm an einer Autobahnraststätte das Portemonnaie inklusive EC-Karte von Trickdieben gestohlen wurde. Schon nach zwanzig Minuten hatten die Diebe 1.000 € vom Konto des Karteninhabers abgehoben. Dieser bemerkte den Verlust der Karte kurz darauf und ließ sie sperren. Dennoch belastete die Bank das Konto des Karteninhabers mit 1.000 € zzgl. 11 € Gebühren für die Geldautomatenverfügungen im Ausland.

Der Karteninhaber hatte nicht nur die EC-Karte in seinem Portemonnaie, sondern auch einen kleinen Zettel, auf dem er verschiedene Telefonnummern notiert hatte – und die PIN für die EC-Karte in verschlüsselter Form. Die Verschlüsselung sah so aus, dass er die PIN in Primzahlen zerlegt und ohne weiteren Bezug auf den Zettel geschrieben hatte. So wurde aus der ursprünglichen PIN 4438 die Zahlenfolge 27317.

Der Karteninhaber verlangt von der Bank die Erstattung der 1.011 €. Er habe lediglich die verschlüsselte Variante der PIN in seinem Portemonnaie gehabt und sie auch nicht zusätzlich auf der Karte notiert. Er geht davon aus, dass es sich um Bandenkriminalität gehandelt habe. Die Täter hätten seiner Ansicht nach eine Technik eingesetzt, mit der sie auch ohne Kenntnis der richtigen PIN Geld abheben konnten.

Erstattungsanspruch gegen die Bank?

Das Amtsgericht München verurteilte die Bank zur Erstattung von 861 €. Der Karteninhaber habe grundsätzlich einen Anspruch gegen die Bank auf Erstattung des abgebuchten Betrags in voller Höhe, § 675u Satz 2 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Davon sei lediglich ein Betrag in Höhe von 150 € abzuziehen – in dieser Höhe habe die Bank ihrerseits einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch, § 675v Abs. 1 S. 1 BGB alte Fassung (neu seit 13.1.2018: 50 €).

Darüber hinaus habe die Bank aber keinen Ersatzanspruch. Der Karteninhaber habe den Schaden weder durch eine vorsätzliche noch durch eine grob fahrlässige Pflichtverletzung herbeigeführt (§ 675v Abs. 2 BGB a. F.).

AG München: Kein Anscheinsbeweis

Der Bank kam nach Ansicht des Amtsgerichts auch kein Anscheinsbeweis zugute, dass der Kläger die PIN unverschlüsselt zusammen mit der Karte verwahrt habe. Ein solcher Anscheinsbeweis greife nur dann, wenn bei dem Kartenmissbrauch die PIN tatsächlich verwendet worden wäre. Das hat der Karteninhaber allerdings bestritten, sodass die Bank hätte beweisen müssen, dass die Täter tatsächlich die richtige Geheimzahl verwendet haben. Das aber gelang ihr gerade nicht.

Auf die Verschlüsselung kommt es an!

Insgesamt hat der Karteninhaber nach Auffassung des AG seine Pflichten nicht grob verletzt. Die Verschlüsselung der PIN sei ausreichend komplex gewesen, sodass eine Kenntniserlangung durch Dritte grundsätzlich ausgeschlossen gewesen sei. Wer die Verschlüsselungsmethode des Karteninhabers nicht kenne, habe faktisch keine Möglichkeit, die Zahlenfolge zu entschlüsseln. Das war noch nicht einmal dem Sachverständigen auf Anhieb gelungen, und das, obwohl er die Rechenweise des Karteninhabers kannte. Außerdem sei noch nicht einmal erkennbar gewesen, dass es sich bei der notierten Zahlenfolge um eine PIN handele.

Folgen für die Praxis

Auch nach dem Urteil des AG München bleibt es dabei: Verwahren Sie niemals Ihre PIN zusammen mit Ihrer EC-Karte im Portemonnaie auf! Es sei denn, Sie sind ein Rechengenie wie der Karteninhaber in diesem Fall und Ihnen gelingt eine unknackbare Verschlüsselung. Auch hier ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen: Beim LG München I ist aktuell die Berufung anhängig (Az.: 13 T 817/22).

Sie haben Fragen rund um EC-Kartenmissbrauch und eine mögliche Erstattungspflicht? Sprechen Sie mich gerne an! Ich berate Sie in allen Fragen zum Bank- und Kapitalmarktrecht und vertrete Sie außergerichtlich und vor Gericht. Sie erreichen mich unter der 040/ 413 46 98 97 oder per E-Mail info@cs-ra.de.

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