Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag unwirksam?

18.03.2025, Autor: Frau Cátia Sofia Dileone das Neves Sequeira / Lesedauer ca. 2 Min. (42 mal gelesen)
In fast jedem Arbeitsvertrag findet sich eine Klausel, durch die der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin verpflichtet wird, über alle internen Vorgänge beim Arbeitgeber auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses „für immer“, also zeitlich unbegrenzt, Stillschweigen zu bewahren (sogenannte Catch-all-Klausel). Arbeitgeber möchten durch diese Maßnahme ihre Geschäftsgeheimnisse schützen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun allerdings entschieden, dass eine solche Klausel Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist (BAG, Urteil v. 17. Oktober 2024, Az.: 8 AZR 172/23).

Der konkrete Fall vor dem BAG

Ein Arbeitnehmer war bis Ende 2016 als Produktentwickler bei seinem damaligen Arbeitgeber beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag sah vor, dass er über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse seines Arbeitgebers sowie über den Inhalt seines Arbeitsvertrags über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus Stillschweigen bewahren sollte. Von der Geheimhaltungspflicht erfasst waren auch alle sonstigen Angelegenheiten und Vorgänge des Arbeitgebers, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt wurden.

Im Jahr 2018 erfuhr der inzwischen ehemalige Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer unter einem Pseudonym mehrere E-Mails an die Gesellschafter eines konkurrierenden Unternehmens geschickt hatte. In den Anlagen zu den E-Mails waren spezifische Daten zu den Produkten des ehemaligen Arbeitgebers enthalten. Dieser forderte daher vom Arbeitnehmer die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Der Arbeitnehmer weigerte sich, eine solche abzugeben.

BAG: Catch-all-Klausel unwirksam!

Zu Recht, sagt das BAG. Der Arbeitgeber hat aus dem Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf Unterlassung. Die uneingeschränkte Geheimhaltungsverpflichtung, die über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus gelten sollte, ist unwirksam. Eine solche „Catch-all-Klausel“ benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht kann sich nach Auffassung des Gerichts nur auf einzelne, konkret bestimmte Geschäftsgeheimnisse beziehen – und auch das nur bei überwiegendem Interesse des Arbeitgebers am Schweigen des Arbeitnehmers. Durch die vereinbarte Catch-all-Klausel werde die Berufsfreiheit (Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz) des Arbeitnehmers übermäßig eingeschränkt. Sie stehe auch im Widerspruch zum gesetzlichen Konzept des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nach §§ 74 ff. Handelsgesetzbuch (HGB).

Wenn kein solches nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wird, ist der Arbeitnehmer befugt, in Wettbewerb zum vorherigen Arbeitgeber zu treten. Er darf dann auch bei seiner neuen Tätigkeit auf sein Erfahrungswissen aus vorherigen Arbeitsverhältnissen zurückgreifen – dazu zählt auch die Kenntnis von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen.

Dieses Ergebnis ist konsequent. In ihrer Wirkung ist eine derart weitgefasste Verschwiegenheitsvereinbarung mit einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot vergleichbar. Ein solches ist aber von verschiedenen Voraussetzungen abhängig – insbesondere von einer Entschädigungszahlung, die hier gerade nicht vereinbart wurde.

Wie geht es jetzt weiter?

Wenn keine entschädigungspflichtiges nachvertragliches Wettbewerbsverbot gewollt ist, sollten Arbeitgeber mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zukünftig einzelvertraglich vereinbaren, über welche konkreten Geschäftsgeheimnisse wie lange genau Stillschweigen zu wahren ist.

Sie möchten die Geheimhaltungsklausel in Ihrem Arbeitsvertrag prüfen lassen oder Ihre Standardverträge entsprechend der Rechtsprechung des BAG anpassen lassen? Sprechen Sie mich gerne an. Ich prüfe Ihre Arbeitsverträge und berate Sie zu allen arbeitsrechtlichen Fragen. Sie erreichen mich unter der 040/413 46 98 97 oder per E-Mail info@cs-ra.de.

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