Kollegen unzutreffend als „Vergewaltiger" bezeichnet - Fristlose Kündigung rechtmäßig

18.07.2019, Autor: Herr Jan Kracht / Lesedauer ca. 3 Min. (2134 mal gelesen)
Die Verbreitung unzutreffender Behauptungen gegenüber Kollegen, die geeignet sind, den Ruf eines anderen Kollegen erheblich zu beeinträchtigen, berechtigen zur fristlosen Kündigung. Dies hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg festgestellt (Az. 17 Sa 52/18).

Im Streitfall hatte eine neu eingestellte Mitarbeiterin nur kurze Zeit nach der Aufnahme ihrer Arbeitstätigkeit in einer WhatsApp-Konversation gegenüber einer anderen Mitarbeiterin das unzutreffende Gerücht verbreitet, bei dem im Unternehmen arbeitenden Vater des Geschäftsführers handele es sich um einen verurteilten Vergewaltiger. Deshalb wolle die gesamte Kommune nichts mehr mit ihm zu tun haben. Zudem habe er auch einen Versicherungsbetrug begangen.

Die neue Mitarbeiterin berief sich hierbei auf Informationen, die sie zwei Tage nach Beginn ihrer Arbeitstätigkeit in einem Café von Bekannten erhalten, jedoch weder hinterfragt noch in irgendeiner Weise überprüft hatte.

Sie teilte der Kollegin mit, nicht länger für die neue Arbeitgeberin arbeiten zu wollen, und versuchte zudem, auch die Kollegin zur Beendigung von deren Arbeitsverhältnis zu bewegen.

Die Kollegin führte zur Klärung ein Gespräch mit dem bezichtigten Mitarbeiter und dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin und informierte hierbei über den Inhalt der WhatsApp-Kommunikation.

Daraufhin kündigte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin der bezichtigenden Mitarbeiterin das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich.

Nach dem das zuständige Arbeitsgericht auf die Kündigungsschutzklage der gekündigten Mitarbeiterin die fristlose Kündigung für unwirksam und die hilfsweise ordentliche Kündigung für wirksam erklärte, entschied das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg auf die Berufung der Arbeitgeberin hin, dass bereits die fristlose Kündigung wirksam ist.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts stellen grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, welche nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den betroffenen Mitarbeiter bedeuten, einen Grund für eine fristlose Kündigung dar.

Die gekündigte Mitarbeiterin könne sich hiergegen nicht auf das Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) berufen. Dieses Grundrecht findet seine Schranken im Recht der persönlichen Ehre anderer Personen, welche ihrerseits in Art. 5 Abs. 2 GG geschützt ist. Zwar dürften Arbeitnehmer auch öffentlich Kritik am Arbeitgeber oder den betrieblichen Verhältnissen üben. Die Grenze finde dieses Recht allerdings in dem im Übrigen auch strafrechtlich gewährleisteten Ehrenschutz anderer Personen.

Die gekündigte Mitarbeiterin könne sich nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Das Gericht hielt ihr zwar zugute, dass sie sich in Sorge um ihr eigenes Wohl und um ihre Sicherheit als Frau am Arbeitsplatz befand. Danach hätte sie zwar grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Vorwürfe. Hierfür sei allerdings die Mitteilung der Vorwürfe gegenüber ihrer Kollegin nicht erforderlich gewesen, da die WhatsApp-Kommunikation keinen Erkenntnisgewinn erbringen konnte. Zudem sei die Verbreitung des Gerichts schon per se nicht geeignet gewesen, die eigene Sicherheit oder das eigene Sicherheitsgefühl am Arbeitsplatz zu verbessern.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts handele es sich bei den gerüchteweise verbreiteten unwahren Tatsachen um eine äußerst erhebliche Beschuldigung, die nicht nur den betroffenen Mitarbeiter diskreditiere sondern auch die Außenwirkung der Arbeitgeberin selbst im Falle des Nach-Außen-Dringens dieses Gerichts in besonderer Weise nachteilig betreffen könne, z.B. wenn Kunden die Geschäftsbeziehung wegen dieses Vorwurfs abbrechen. Zudem habe die gekündigte Mitarbeiterin durch das von ihr verbreitete Gerücht auch die Position des Geschäftsführers ihrer Arbeitgeberin, der als Sohn zum bezichtigten Mitarbeiter in einer besonderen Nähebeziehung steht, untergraben.

Die Einhaltung der in der Probezeit geltenden zweiwöchigen Kündigungsfrist oder gar eine vorhergehende bloße Abmahnung unter Verzicht auf eine Kündigung sei der Arbeitgeberin nicht zumutbar gewesen.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg macht deutlich, dass auch private Chats zwischen Kollegen im Falle der Verbreitung unzutreffender Tatsachen über Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen kein rechtsfreier Raum sind.

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