WhatsApp Nachricht kann fatale Folgen haben
18.11.2021, Autor: Herr Francesco Senatore / Lesedauer ca. 3 Min. (1652 mal gelesen)
Ob eine unbedachte WhatsApp Nachricht fatale Folgen haben kann, darüber musste das LAG Brandenburg entscheiden...
Chat-Nachricht als Kündigungsgrund?
Der technische Leiter eines Vereins, der vor allem in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, wurde vom Arbeitgeber gekündigt. Kündigungsgrund dafür war das Austauschen von WhatsApp Nachrichten mit herabwürdigendem und verächtlichem Inhalt über Geflüchtete und ehrenamtliche Helfer zwischen drei Kollegen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg erklärte diese Kündigung schließlich für unwirksam (Urteil vom 19.07.2021 – 21 Sa 1291/20). Laut LAG unterfiele der Austausch über WhatsApp der Vertraulichkeit der Kommunikation, welche der Kündigung entgegenstünde.
Beschäftigter der Flüchtlingshilfe bekommt Kündigung
Überwiegend ist der Berliner Verein in der Flüchtlingshilfe aktiv. Er darf neben dem Landkreis auch verschiedene Städte und Gemeinden sowie einige andere Vereine zu seinen Mitgliedern zählen. Außerdem wird der Verein regelmäßig von Ehrenamtlichen unterstützt.
Der Chatverlauf zwischen dem technischen Leiter und zwei weiteren Beschäftigten des Vereins kam erst im Rahmen der Kündigung eines der zwei weiteren Beschäftigten ans Tageslicht. Alle drei äußerten sich innerhalb des WhatsApp Chats in verachtender Weise über Geflüchtete und herabwürdigend über Ehrenamtliche.
Nachdem der Verein davon Kenntnis nahm, berichtete auch die Presse öffentlich über den Inhalt des Chats. Daraufhin beendete der Verein u.a. das Arbeitsverhältnis mit dem technischen Leiter, indem er ihm gegenüber fristgerecht die Kündigung aussprach.
LAG Berlin-Brandenburg: Kündigung unwirksam
Das LAG Berlin-Brandenburg erklärte nun aber die Kündigung für unwirksam und bestätigte so das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel.
Das Verwerten der in Rede stehenden Aussagen innerhalb des Gerichtsverfahrens sei zwar zulässig. Da sie allerdings als vertrauliche Kommunikation klassifiziert worden sind, fallen sie unter den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Deshalb könne eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung nicht aus den Äußerungen abgeleitet werden, so die Richter.
Vertraulich wäre die Kommunikation zwischen den Beschäftigten insbesondere deswegen, weil sie über die Privathandys und ausschließlich innerhalb dieses kleinen geschlossenen Kreises erfolgte.
Loyalitätspflicht nicht verletzt
Außerdem ließe sich nicht anhand der getätigten Aussagen eine fehlende Eignung des Gekündigten für die Arbeit in der Flüchtlingshilfe feststellen. Besondere Loyalitätspflichten hätte er nicht zu beachten, da er in seiner Position als technischer Leiter keine Aufgaben im Rahmen der unmittelbaren Betreuung wahrzunehmen hatte.
Ebenso sei nicht auf ein fehlendes erforderliches Mindestmaß an Verfassungstreue zu schließen. Dieses gewinnt an Bedeutung, wenn es sich um Vereine als Teil des öffentlichen Dienstes handelt.
Kündigung gegen Abfindung
Anders als das Arbeitsgericht, sprach sich das LAG neben der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses für eine Abfindungszahlung aus. Die Voraussetzungen einer ausnahmsweise möglichen gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses seien im vorliegenden Fall erfüllt, so das LAG. Nach Ansicht der Richter wäre auch keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit gem. § 9 KSchG zu erwarten.
Die Weiterbeschäftigung des Gekündigten wäre für den Verein fatal, da der Inhalt des WhatsApp Chats zwischen den Kollegen bereits öffentlich bekannt war. Durch Weiterbeschäftigung des technischen Leiters würde der Verein gegenüber geflüchteten Menschen nicht nur an Glaubwürdigkeit verlieren. Auch das Gewinnen von ehrenamtlichen Helfern und hauptamtlichen Personals würde erheblich erschwert werden.
Die Abfindung wurde von den Richtern anhand des Auflösungsverschuldens des Gekündigten bemessen. Wegen der angestrebten Vertraulichkeit der Äußerungen minderte es sich jedoch. Die Revision wurde zugelassen.
Kündigungsgrund im Einzelfall
Im Jahr 2019 war schon ein Mal ein Fall vor Gericht, der mit einer Kündigung wegen ausgetauschter WhatsApp Nachrichten zutun hatte. Das Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg hatte jedoch anders entschieden, als es einer außerordentlichen Kündigung aufgrund einer WhatsApp Nachricht, die den Arbeitgeber kritisierte, recht gab (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.03.2019 – 17 Sa 52/18).
Das Gericht hielt für besonders entscheidend, „ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht“.
In diesem älteren Fall sei dies in besonderem Maße abzulehnen gewesen. Die ausgetauschten WhatsApp Nachrichten enthielten Äußerungen darüber, dass der Arbeitgeber ein Sexualstraftäter nach § 177 StGB sein würde. De facto stellte dies aber eine objektiv unzutreffende Behauptung dar.
Meinungsfreiheit vs. persönliche Ehre
Außerdem erhielt man nach Lesen des gesamten Chatverlaufs den Eindruck, dass die Gekündigte selbst schon den Schluss gefasst hatte, „nie mehr für so jemanden arbeiten“ zu wollen. Die Gekündigte kann sich ebenfalls nicht auf das Recht der Meinungsfreiheit berufen, da das Recht der persönlichen Ehre gem. Art. 5 Abs. 2 GG dieser entgegen stünde.
Eine unbedachte WhatsApp Nachricht kann also sehr wohl Grund zu einer außerordentlichen Kündigung geben. Zu beachten ist jedoch immer, dass die Umstände des Einzelfalls das entscheidende Zünglein auf der Waage darstellen.
Weitere Informationen zum Thema Kündigung finden Sie auf der Homepage von ROSE & PARTNER unter https://www.rosepartner.de/arbeitsrecht/kuendigungsgruende.html
Chat-Nachricht als Kündigungsgrund?
Der technische Leiter eines Vereins, der vor allem in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, wurde vom Arbeitgeber gekündigt. Kündigungsgrund dafür war das Austauschen von WhatsApp Nachrichten mit herabwürdigendem und verächtlichem Inhalt über Geflüchtete und ehrenamtliche Helfer zwischen drei Kollegen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg erklärte diese Kündigung schließlich für unwirksam (Urteil vom 19.07.2021 – 21 Sa 1291/20). Laut LAG unterfiele der Austausch über WhatsApp der Vertraulichkeit der Kommunikation, welche der Kündigung entgegenstünde.
Beschäftigter der Flüchtlingshilfe bekommt Kündigung
Überwiegend ist der Berliner Verein in der Flüchtlingshilfe aktiv. Er darf neben dem Landkreis auch verschiedene Städte und Gemeinden sowie einige andere Vereine zu seinen Mitgliedern zählen. Außerdem wird der Verein regelmäßig von Ehrenamtlichen unterstützt.
Der Chatverlauf zwischen dem technischen Leiter und zwei weiteren Beschäftigten des Vereins kam erst im Rahmen der Kündigung eines der zwei weiteren Beschäftigten ans Tageslicht. Alle drei äußerten sich innerhalb des WhatsApp Chats in verachtender Weise über Geflüchtete und herabwürdigend über Ehrenamtliche.
Nachdem der Verein davon Kenntnis nahm, berichtete auch die Presse öffentlich über den Inhalt des Chats. Daraufhin beendete der Verein u.a. das Arbeitsverhältnis mit dem technischen Leiter, indem er ihm gegenüber fristgerecht die Kündigung aussprach.
LAG Berlin-Brandenburg: Kündigung unwirksam
Das LAG Berlin-Brandenburg erklärte nun aber die Kündigung für unwirksam und bestätigte so das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel.
Das Verwerten der in Rede stehenden Aussagen innerhalb des Gerichtsverfahrens sei zwar zulässig. Da sie allerdings als vertrauliche Kommunikation klassifiziert worden sind, fallen sie unter den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Deshalb könne eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung nicht aus den Äußerungen abgeleitet werden, so die Richter.
Vertraulich wäre die Kommunikation zwischen den Beschäftigten insbesondere deswegen, weil sie über die Privathandys und ausschließlich innerhalb dieses kleinen geschlossenen Kreises erfolgte.
Loyalitätspflicht nicht verletzt
Außerdem ließe sich nicht anhand der getätigten Aussagen eine fehlende Eignung des Gekündigten für die Arbeit in der Flüchtlingshilfe feststellen. Besondere Loyalitätspflichten hätte er nicht zu beachten, da er in seiner Position als technischer Leiter keine Aufgaben im Rahmen der unmittelbaren Betreuung wahrzunehmen hatte.
Ebenso sei nicht auf ein fehlendes erforderliches Mindestmaß an Verfassungstreue zu schließen. Dieses gewinnt an Bedeutung, wenn es sich um Vereine als Teil des öffentlichen Dienstes handelt.
Kündigung gegen Abfindung
Anders als das Arbeitsgericht, sprach sich das LAG neben der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses für eine Abfindungszahlung aus. Die Voraussetzungen einer ausnahmsweise möglichen gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses seien im vorliegenden Fall erfüllt, so das LAG. Nach Ansicht der Richter wäre auch keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit gem. § 9 KSchG zu erwarten.
Die Weiterbeschäftigung des Gekündigten wäre für den Verein fatal, da der Inhalt des WhatsApp Chats zwischen den Kollegen bereits öffentlich bekannt war. Durch Weiterbeschäftigung des technischen Leiters würde der Verein gegenüber geflüchteten Menschen nicht nur an Glaubwürdigkeit verlieren. Auch das Gewinnen von ehrenamtlichen Helfern und hauptamtlichen Personals würde erheblich erschwert werden.
Die Abfindung wurde von den Richtern anhand des Auflösungsverschuldens des Gekündigten bemessen. Wegen der angestrebten Vertraulichkeit der Äußerungen minderte es sich jedoch. Die Revision wurde zugelassen.
Kündigungsgrund im Einzelfall
Im Jahr 2019 war schon ein Mal ein Fall vor Gericht, der mit einer Kündigung wegen ausgetauschter WhatsApp Nachrichten zutun hatte. Das Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg hatte jedoch anders entschieden, als es einer außerordentlichen Kündigung aufgrund einer WhatsApp Nachricht, die den Arbeitgeber kritisierte, recht gab (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.03.2019 – 17 Sa 52/18).
Das Gericht hielt für besonders entscheidend, „ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht“.
In diesem älteren Fall sei dies in besonderem Maße abzulehnen gewesen. Die ausgetauschten WhatsApp Nachrichten enthielten Äußerungen darüber, dass der Arbeitgeber ein Sexualstraftäter nach § 177 StGB sein würde. De facto stellte dies aber eine objektiv unzutreffende Behauptung dar.
Meinungsfreiheit vs. persönliche Ehre
Außerdem erhielt man nach Lesen des gesamten Chatverlaufs den Eindruck, dass die Gekündigte selbst schon den Schluss gefasst hatte, „nie mehr für so jemanden arbeiten“ zu wollen. Die Gekündigte kann sich ebenfalls nicht auf das Recht der Meinungsfreiheit berufen, da das Recht der persönlichen Ehre gem. Art. 5 Abs. 2 GG dieser entgegen stünde.
Eine unbedachte WhatsApp Nachricht kann also sehr wohl Grund zu einer außerordentlichen Kündigung geben. Zu beachten ist jedoch immer, dass die Umstände des Einzelfalls das entscheidende Zünglein auf der Waage darstellen.
Weitere Informationen zum Thema Kündigung finden Sie auf der Homepage von ROSE & PARTNER unter https://www.rosepartner.de/arbeitsrecht/kuendigungsgruende.html