Arbeitszeugnis nicht in tabellarischer Form sondern individueller Fließtext

29.08.2021, Autor: Frau Tanja Fuß / Lesedauer ca. 2 Min. (92 mal gelesen)
Arbeitszeugnis darf nicht wie Schulzeugnis in tabellarischer Form ausgestellt werden – Fließtext nötig

Arbeitszeugnis darf nicht wie Schulzeugnis in tabellarischer Form ausgestellt werden – Fließtext nötig

Sachverhalt: Arbeitnehmer erhält Arbeitszeugnis in tabellarischer Form
Ein Arbeitnehmer erhielt nach seinem Ausscheiden beim Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis, das wie ein Schulzeugnis aussah. In einer Tabelle waren stichwortartig Bewertungskriterien wie Pünktlich-keit, Hygienevorgaben und Fachkenntnisse genannt und mit Schulnoten versehen worden sowie am Ende die Gesamtnote „befriedigend“ angegeben. Mit dieser tabellarischen Darstellung der Leis-tungs- und Verhaltensbeurteilung war der Arbeitnehmer – wie auch mit der vergebenen Note – nicht einverstanden und erhob Klage vor dem Arbeitsgericht. Er begründete seine Klage damit, dass eine solche unübliche Darstellung einen negativen Eindruck erwecken kann.

Urteile Arbeitsgerichte (BAG, Urteil vom 27.04.2021, Az.: 9 AZR 262/20):
Das Arbeitsgericht gab der Klage des Arbeitnehmers teilweise statt und formulierte ein Zeugnis im Fließtext. Das Landesarbeitsgericht dagegen hielt die vom Arbeitgeber gewählte tabellarische Form für zulässig. Das Bundesarbeitsgericht hingegen gab wieder dem Arbeitnehmer Recht.

Ein Ar­beit­ge­ber er­füllt den Zeug­nis­an­spruch eines Ar­beit­neh­mers nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht da­durch, dass er Leis­tung und Ver­hal­ten in einer an ein Schul­zeug­nis an­ge­lehn­ten Ta­bel­len­form be­ur­teilt. In­di­vi­du­el­le Her­vor­he­bun­gen und Dif­fe­ren­zie­run­gen in der Be­ur­tei­lung von Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers lassen sich in der Regel nur durch ein im Flie­ß­text for­mu­lier­tes Ar­beits­zeug­nis an­ge­mes­sen dar­stel­len.

Vorgaben zum Arbeitszeugnis im Gesetz:
Nach § 109 Gewerbeordnung (GewO) hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhält-nisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (einfaches Zeugnis). Der Arbeitnehmer kann aber auch ein sog. quali-fiziertes Zeugnis verlangen. In diesem Fall muss das Zeugnis auch Angaben zu Leistung und Verhal-ten enthalten. Das Zeugnis muss zudem klar und verständlich formuliert sein.

Arbeitszeugnis erfordert individuelle Leistungs- und Verhaltensbeurteilung u. damit individuellen Fließtext:
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts genügt eine Beurteilung in Form einer tabellarischen Dar-stellung und Bewertung stichwortartig beschriebener Tätigkeiten nach Schulnoten nicht den An-forderungen an ein qualifiziertes Zeugnis. Das qualifizierte Arbeitszeugnis ist ein individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenes Arbeitspapier. Es soll die persönliche Leistung und das persönliche Verhalten des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses dokumentieren. Durch die tabellarische Aufzählung von Einzelkriterien und Schulnoten wird die notwendige indivi-duelle Leistungs- und Verhaltensbeurteilung des Arbeitnehmers nicht erreicht. Im Regelfall ist ein individuell verfasster (Fließ-)Text erforderlich.

Schulzeugnis:
In der Schule dagegen beruhen die Noten im Zeugnis im Regelfall auf schriftlichen Klassenarbeiten, in denen die Leistung aller Schüler einer Klasse in Bezug auf einen bestimmten Lernstoff ermittelt wird. Hier sorgen die Noten in tabellarischer Form daher für Objektivität und Vergleichbarkeit.

Empfehlung:
Wenn Sie Fragen rund um ein Arbeitszeugnis oder allgemein rund um ein Arbeitsverhältnis bzw. einen Arbeitsvertrag haben – ob als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer –, rufen Sie einfach an oder schreiben eine E-Mail und vereinbaren einen Termin für eine individuelle Beratung – egal ob in unserer Kanzlei in Stuttgart, telefonisch, per Zoom bzw. MS Teams oder per E-Mail.

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