Welche Fälle werden vor dem Arbeitsgericht Stuttgart verhandelt?

24.05.2021, Autor: Frau Tanja Fuß / Lesedauer ca. 4 Min. (364 mal gelesen)
Vor dem Arbeitsgericht geht es um Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Betriebsrat oder Gewerkschaft. Hauptfälle sind Kündigung, Gehalt bzw. Lohn, Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld), Prämien, Urlaub, Befristung und Zeugnis.

Welche Fälle werden vor dem Arbeitsgericht Stuttgart verhandelt?

Das Arbeitsgericht in Stuttgart entscheidet - wie auch die Arbeitsgerichte in anderen Städten - vor allem bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten bzw. Gewerkschaften. Ein Teil der Gerichtsverfahren wird, wenn kein Vergleich zustande kommt, durch ein Urteil entschieden (sog. Urteilsverfahren), ein anderer Teil durch einen Beschluss (sog. Beschlussverfahren).

Entscheidung des Arbeitsgerichts durch Urteil bei Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber:

Das Arbeitsgericht ist insbesondere zuständig für Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Sofern sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einigen, also vor Gericht einen Vergleich schließen, entscheidet das Arbeitsgericht solche Fälle durch ein Urteil.

a)  Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis:

Unter Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis fallen beispielsweise Streitigkeiten über Ansprüche auf Lohn bzw. Gehalt, Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld, Prämien, Provision, Urlaub, die Zulässigkeit einer Befristung, einer Versetzung oder einer Abmahnung, eine mögliche Diskriminierung von in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitern oder die Formulierung bzw. Note eines Arbeitszeugnisses.

b)  Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses:

Mit dem Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses ist vor allem die Kündigungsschutzklage gemeint, also wenn der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung durch den Arbeitgeber klagt. Sofern der Arbeitnehmer unter den gesetzlichen Kündigungsschutz fällt, wird vom Arbeitsgericht geprüft, ob es verhaltensbedingte, personenbedingte oder betriebsbedingte Gründe für die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber gab. Bei der betriebsbedingten Kündigung wird zudem geprüft, ob die Sozialauswahl vom Arbeitgeber richtig vorgenommen wurde. Manche Arbeitnehmergruppen haben zudem einen besonderen Kündigungsschutz, der beachtet werden muss (z.B. Schwangere, Mütter kurz nach der Geburt, Arbeitnehmer in Elternzeit, Schwerbehinderte, Betriebsratsmitglieder).

Die Kündigungsschutzklage ist der Hauptfall der Verfahren beim Arbeitsgericht. Bereits wenige Wochen nach Einreichung der Klage findet ein Gütetermin statt. In diesem Termin werden kurz die Kündigungsgründe besprochen und der Richter klärt ab, ob eine Einigung in Form eines Vergleichs möglich ist. In einem solchen Vergleich akzeptiert der Arbeitnehmer im Regelfall die Kündigung und erhält im Gegenzug eine Abfindung und ein gutes Zeugnis. Außerdem wird meist klargestellt, dass die Kündigung „ohne Verschulden einer Partei“ erfolgt ist, damit es keine Probleme mit der Arbeitsagentur wegen des Arbeitslosengeldes ALG I gibt, eine Sperre wegen eines verschuldeten Verlustes des Arbeitsplatzes also vermieden wird.

Daneben kommt ein Streit über die Wirksamkeit einer Befristung bzw. das Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrages in Betracht.

c)  Streitigkeiten um Verhandlungen über ein Arbeitsverhältnis und Arbeitspapiere (Lohnsteuerkarte, Zeugnis, Anmeldung bzw. Abmeldung Sozialversicherung bzw. Krankenkasse):

Das Arbeitsgericht ist auch zuständig für Streitigkeiten um Verhandlungen über ein Arbeitsverhältnis und um Arbeitspapiere. Hier kann es beispielsweise um eine Klage wegen einer Diskriminierung eines Bewerbers um eine freie Stelle gehen oder um nicht herausgegebene Arbeitspapiere wie Lohnsteuerkarte, Zeugnis, Anmeldung bzw. Abmeldung von der Sozialversicherung bzw. bei der Krankenkasse.

d)  Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Hinterbliebenen um Ansprüche im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis:

Hierunter fallen beispielswiese Streitigkeiten um Ansprüche rund um ein Arbeitgeberdarlehen, das der Arbeitgeber nur wegen des Arbeitsverhältnisses gewährt hat, und um die Abgeltung von Urlaubsansprüchen, nachdem der Arbeitnehmer verstorben ist.

e)  Weitere Zuständigkeiten (z.B. Tarifverträge, unerlaubte Handlungen):

Darüber hinaus ist das Arbeitsgericht zuständig für Streitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen Tarifvertragsparteien und Dritten aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen sowie für Streitigkeiten aus unerlaubten Handlungen. Dies betrifft beispielsweise Fälle, in denen es um Ansprüche aus Tarifverträgen geht bzw. um Fragen zu unerlaubten Handlungen bei Arbeitskämpfen (Streik durch Gewerkschaft bzw. Aussperrung durch Arbeitgeber), etwa Betriebsblockaden, das Abhalten arbeitswilliger Arbeitnehmer von der Arbeit oder ein unzulässiger Streik bzw. ein unverhältnismäßig langer Streik.

Entscheidung des Arbeitsgerichts durch Beschluss bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Gewerkschaft:

Durch einen Beschluss entscheidet das Arbeitsgericht vor allem bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Arbeitgeber und Gewerkschaft. Dabei geht es meist um Fragen der betrieblichen Mitbestimmung und Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Betriebsrat aus dem BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) bzw. um Fragen rund um die Tariffähigkeit bzw. Tarifzuständigkeit von Gewerkschaften. Bei der betrieblichen Mitbestimmung kann es beispielsweise zu Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber um eine Betriebsratswahl kommen oder um Rechte im Zusammenhang mit Home Office bzw. der Arbeitszeiterfassung gehen.

Arbeitsgericht an welchem Ort zuständig:

Örtlich zuständig für die Klage ist das Arbeitsgericht am Sitz des Arbeitgebers (Firmensitz) bzw. am Arbeitsort des Arbeitnehmers (Filiale, Betrieb, Wohnung Arbeitnehmer bei Home Office). Das Arbeitsgericht Stuttgart ist also zuständig, wenn entweder der Firmensitz des Arbeitgebers in Stuttgart ist oder der Arbeitnehmer in Stuttgart gearbeitet hat. Der Arbeitsort des Arbeitnehmers ist dort, wo bzw. von wo aus der Arbeitnehmer seine Arbeit erbringt. Bei einem Außendienstmitarbeiter ist dies beispielsweise regelmäßig dort, von wo aus er zu seinen Kundenterminen aufbricht. Dies kann die eigene Wohnung oder ein Büro im Betrieb des Arbeitgebers sein.

Berufung zum Landesarbeitsgericht bzw. Revision zum Bundesarbeitsgericht:

Wenn einer der Beteiligten – sei es Arbeitnehmer, Betriebsrat, Gewerkschaft oder Arbeitgeber – mit dem Urteil bzw. Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart nicht einverstanden ist, ist bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Berufung beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in Stuttgart bzw. eine Revision beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt möglich.

Bei Fragen rund um den Arbeitsvertrag bzw. das Arbeitsverhältnis helfen wir Ihnen – ob Sie Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sind – gerne weiter. Rufen Sie einfach an oder schreiben eine E-Mail und vereinbaren einen Termin für eine individuelle Beratung – egal ob in unserer Kanzlei in Stuttgart, telefonisch, per Zoom bzw. MS Teams oder per E-Mail.

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