Rufbereitschaft - Arbeitszeit oder Ruhezeit? Auswirkung auf Vergütung
05.04.2021, Autor: Frau Tanja Fuß / Lesedauer ca. 3 Min. (359 mal gelesen)
Laut EuGH Rufbereitschaft im Regelfall keine Arbeitszeit – Auswirkung auf Vergütung
Laut EuGH Rufbereitschaft im Regelfall keine Arbeitszeit – Auswirkung auf Vergütung
Sachverhalt (Rufbereitschaft Arbeitnehmer – Vorgaben Arbeitgeber):
Ein Feuerwehrmann musste neben seiner regulären Dienstzeit regelmäßig Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft leisten. Während dieser Zeiten war er nicht verpflichtet, sich an einem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten. Er musste aber erreichbar und in der Lage sein, im Alarmfall innerhalb von 20 Minuten in seiner Einsatzkleidung und mit seinem Einsatzfahrzeug die Stadtgrenzen zu erreichen.
Im zweiten Fall sollte ein spezialisierter Techniker den Betrieb von Fernsehsendeanlagen in den slowenischen Bergen sicherstellen. Neben seiner regulären Arbeitszeit (12-Stunden-Schicht) musste er täglich sechs Stunden Bereitschaftsdienst in Form von Rufbereitschaft leisten. Während der Rufbereitschaft musste er bei Bedarf innerhalb einer Stunde am Arbeitsplatz sein. Aufgrund der geografischen Lage des Arbeitsplatzes (schwer zugängliche Sendeanlagen in slowenischer Bergregion) und fehlender Freizeitmöglichkeiten war er faktisch gezwungen, die Rufbereitschaftszeiten in der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Unterkunft zu verbringen.
Beide Arbeitnehmer wollten die Zeiten der Rufbereitschaft in vollem Umfang als Arbeitszeiten anerkannt und entsprechend vergütet bekommen, auch wenn sie während der Rufbereitschaft nicht zur Arbeit herangezogen wurden.
Urteil EuGH, Az.: C-580/19 (Feuerwehrmann) u. C-344/19 (Techniker) zu Rufbereitschaft, Arbeitszeit u. Ruhezeit:
Nach dem EuGH kann Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft als "Arbeitszeit" oder als "Ruhezeit" einzustufen sein. Dies hängt von den Vorgaben des Arbeitgebers zur Rufbereitschaft und von den Umständen des Einzelfalles ab.
Rufbereitschaft Arbeitszeit oder Ruhezeit:
Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit, da der Arbeitnehmer während dieser Zeit verpflichtet ist, sich an seinem Arbeitsplatz aufzuhalten. Rufbereitschaft ist Arbeitszeit, soweit der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeit gerufen wird und Arbeit leisten muss. Ansonsten ist Rufbereitschaft nur dann Arbeitszeit, wenn die freie Zeiteinteilung des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtigt ist.
Nach Ansicht des EuGH ist bei der Beurteilung, ob eine solche erhebliche Beeinträchtigung vorliegt, eine Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen. Dabei sind nur solche Einschränkungen der freien Zeiteinteilung zu berücksichtigen, die sich aus rechtlichen Vorgaben, einem Tarifvertrag oder Vorgaben des Arbeitgebers ergeben. Organisatorische Schwierigkeiten infolge natürlicher Gegebenheiten (z.B. abgeschiedene Lage) oder der freien Entscheidung des Arbeitnehmers spielen dagegen keine Rolle. Zu berücksichtigen sind insbesondere:
- die Zeitspanne, innerhalb derer der Arbeitnehmer ab Abruf am Arbeitsplatz erscheinen und die Arbeit aufnehmen muss
- Vorgaben, wie der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz erscheinen muss (z.B. mit spezieller Ausrüstung)
- Bereitstellung eines Dienstfahrzeugs, ggf. mit Blaulicht
- durchschnittliche Häufigkeit der Einsätze während Zeiten von Rufbereitschaft
Einordnung Rufbereitschaft als Arbeitszeit oder Ruhezeit und Vergütung:
Auch wenn Rufbereitschaft nach der maßgeblichen EU-Richtlinie und den Umständen des Einzelfalles als Arbeitszeit und nicht als Ruhezeit anzusehen sind, sagt dies noch nichts über die Vergütung der Rufbereitschaft aus.
Zeiten von Rufbereitschaft, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeit herangezogen wurde, und Zeiten, in denen dies nicht der Fall war, können in Bezug auf die Vergütung unterschiedlich behandelt werden. Daher kann es zulässig sein, Zeiten von Rufbereitschaft, die als Arbeitszeit einzustufen ist, in denen der Arbeitnehmer aber nicht zur Arbeit herangezogen wurde, nicht wie Arbeitszeit zu vergüten. Umgekehrt kann für Zeiten von Rufbereitschaft, die als Ruhezeit zu werten ist, zum Ausgleich für die Einschränkungen eine Zusatzvergütung vorgesehen sein.
Empfehlung:
Wenn Sie Fragen zur Rufbereitschaft, zum Bereitschaftsdienst oder allgemein zur Arbeitszeit und Vergütung haben – ob als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer –, rufen Sie einfach an oder schreiben eine E-Mail und vereinbaren einen Termin für eine individuelle Beratung – egal ob in unserer Kanzlei in Stuttgart, telefonisch, per Zoom bzw. MS Teams oder per E-Mail.
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Laut EuGH Rufbereitschaft im Regelfall keine Arbeitszeit – Auswirkung auf Vergütung
Sachverhalt (Rufbereitschaft Arbeitnehmer – Vorgaben Arbeitgeber):
Ein Feuerwehrmann musste neben seiner regulären Dienstzeit regelmäßig Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft leisten. Während dieser Zeiten war er nicht verpflichtet, sich an einem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten. Er musste aber erreichbar und in der Lage sein, im Alarmfall innerhalb von 20 Minuten in seiner Einsatzkleidung und mit seinem Einsatzfahrzeug die Stadtgrenzen zu erreichen.
Im zweiten Fall sollte ein spezialisierter Techniker den Betrieb von Fernsehsendeanlagen in den slowenischen Bergen sicherstellen. Neben seiner regulären Arbeitszeit (12-Stunden-Schicht) musste er täglich sechs Stunden Bereitschaftsdienst in Form von Rufbereitschaft leisten. Während der Rufbereitschaft musste er bei Bedarf innerhalb einer Stunde am Arbeitsplatz sein. Aufgrund der geografischen Lage des Arbeitsplatzes (schwer zugängliche Sendeanlagen in slowenischer Bergregion) und fehlender Freizeitmöglichkeiten war er faktisch gezwungen, die Rufbereitschaftszeiten in der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Unterkunft zu verbringen.
Beide Arbeitnehmer wollten die Zeiten der Rufbereitschaft in vollem Umfang als Arbeitszeiten anerkannt und entsprechend vergütet bekommen, auch wenn sie während der Rufbereitschaft nicht zur Arbeit herangezogen wurden.
Urteil EuGH, Az.: C-580/19 (Feuerwehrmann) u. C-344/19 (Techniker) zu Rufbereitschaft, Arbeitszeit u. Ruhezeit:
Nach dem EuGH kann Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft als "Arbeitszeit" oder als "Ruhezeit" einzustufen sein. Dies hängt von den Vorgaben des Arbeitgebers zur Rufbereitschaft und von den Umständen des Einzelfalles ab.
Rufbereitschaft Arbeitszeit oder Ruhezeit:
Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit, da der Arbeitnehmer während dieser Zeit verpflichtet ist, sich an seinem Arbeitsplatz aufzuhalten. Rufbereitschaft ist Arbeitszeit, soweit der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeit gerufen wird und Arbeit leisten muss. Ansonsten ist Rufbereitschaft nur dann Arbeitszeit, wenn die freie Zeiteinteilung des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtigt ist.
Nach Ansicht des EuGH ist bei der Beurteilung, ob eine solche erhebliche Beeinträchtigung vorliegt, eine Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen. Dabei sind nur solche Einschränkungen der freien Zeiteinteilung zu berücksichtigen, die sich aus rechtlichen Vorgaben, einem Tarifvertrag oder Vorgaben des Arbeitgebers ergeben. Organisatorische Schwierigkeiten infolge natürlicher Gegebenheiten (z.B. abgeschiedene Lage) oder der freien Entscheidung des Arbeitnehmers spielen dagegen keine Rolle. Zu berücksichtigen sind insbesondere:
- die Zeitspanne, innerhalb derer der Arbeitnehmer ab Abruf am Arbeitsplatz erscheinen und die Arbeit aufnehmen muss
- Vorgaben, wie der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz erscheinen muss (z.B. mit spezieller Ausrüstung)
- Bereitstellung eines Dienstfahrzeugs, ggf. mit Blaulicht
- durchschnittliche Häufigkeit der Einsätze während Zeiten von Rufbereitschaft
Einordnung Rufbereitschaft als Arbeitszeit oder Ruhezeit und Vergütung:
Auch wenn Rufbereitschaft nach der maßgeblichen EU-Richtlinie und den Umständen des Einzelfalles als Arbeitszeit und nicht als Ruhezeit anzusehen sind, sagt dies noch nichts über die Vergütung der Rufbereitschaft aus.
Zeiten von Rufbereitschaft, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeit herangezogen wurde, und Zeiten, in denen dies nicht der Fall war, können in Bezug auf die Vergütung unterschiedlich behandelt werden. Daher kann es zulässig sein, Zeiten von Rufbereitschaft, die als Arbeitszeit einzustufen ist, in denen der Arbeitnehmer aber nicht zur Arbeit herangezogen wurde, nicht wie Arbeitszeit zu vergüten. Umgekehrt kann für Zeiten von Rufbereitschaft, die als Ruhezeit zu werten ist, zum Ausgleich für die Einschränkungen eine Zusatzvergütung vorgesehen sein.
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Wenn Sie Fragen zur Rufbereitschaft, zum Bereitschaftsdienst oder allgemein zur Arbeitszeit und Vergütung haben – ob als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer –, rufen Sie einfach an oder schreiben eine E-Mail und vereinbaren einen Termin für eine individuelle Beratung – egal ob in unserer Kanzlei in Stuttgart, telefonisch, per Zoom bzw. MS Teams oder per E-Mail.
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