Nach BFH-Urteil: Verzicht auf Pflichtteil unter Geschwistern kann teuer werden
11.08.2017, Autor: Herr Bernfried Rose / Lesedauer ca. 3 Min. (156 mal gelesen)
Erben aufgepasst: Wer zu Gunsten seiner Geschwister noch zu Lebzeiten des Erblassers auf seinen Pflichtteil verzichtet und sich diesen quasi „abkaufen“ lässt, wird künftig vom Finanzamt stärker zur Kasse gebeten. Das geht aus einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Mai 2017 hervor (Az.: II R 25/15).
Gesetzliche Erben können auf ihren Pflichtteil verzichten. Erklärt der gesetzliche Erbe seinen Pflichtteilsverzicht und lässt sich dafür von seinen Geschwistern eine Abfindung zahlen, kann dies allerdings teuer werden. Denn nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs muss nun unterschieden werden, ob der Pflichtteilsverzicht nach dem Tod des Erblassers oder noch zu seinen Lebzeiten erfolgte. Und das hat erhebliche Auswirkungen: Denn zu Lebzeiten des Erblassers unterliegt der Pflichtteilsverzicht der Steuerklasse II, nach seinem Tod der wesentlich günstigeren Steuerklasse I. Während in der Steuerklasse II derzeit nur ein Freibetrag von 20.000 Euro angesetzt wird, liegt dieser in der Steuerklasse I abhängig vom Verwandtschaftsgrad zwischen 100.000 und 500.000 Euro.
Geschwister zahlen Abfindung für Pflichtteilsverzicht
Konkret hatte der Kläger noch zu Lebzeiten der Erblasserin auf seinen Pflichtteil zu Gunsten seiner drei Geschwister verzichtet. Diese zahlten ihm dafür jeweils eine Abfindung in Höhe von 150.000 Euro. Vier Jahre zuvor hatte der Kläger von seiner Mutter bereits Schenkungen im Wert von mehr als einer Million Euro erhalten.
Das Finanzamt erließ für die Zuwendungen der Geschwister getrennte Schenkungssteuerbescheide, rechnete aber jeweils die Schenkung der Mutter hinzu und zog dann den seinerzeit geltenden Freibetrag von 205.000 Euro (heute 400.000 Euro) ab. Dabei wandte es die Steuerklasse I mit einem Steuersatz von 19 Prozent an. Gegen den Steuerbescheid in Höhe von rund 28.400 Euro legte der Kläger erfolgreich Einspruch ein. Das Finanzgericht entschied, dass die Schenkungen der Mutter nicht hinzuzurechnen seien und setzte den Schenkungssteuerbetrag auf ca. 10.800 Euro herab. Dabei wandte es ebenfalls die Steuerklasse I an.
BFH dreht seine Rechtsprechung
Doch hier lag der Fehler. Denn laut dem BFH hätte die Steuerklasse II angesetzt werden müssen, da es sich um Zuwendungen zwischen Geschwistern und nicht um Zuwendungen zwischen Eltern und Kind handelte. Der Freibetrag lag demnach auch nur bei 10.300 Euro (heute 20.000 Euro). In der Konsequenz erhöhte sich die Schenkungssteuer dadurch wieder auf ca. 23.600 Euro.
Mit diesem Urteil hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung um 180 Grad gedreht. Denn bislang wurde in solchen Fällen für die Berechnung der Steuer das Verhältnis zwischen demjenigen, der auf seinen Pflichtteil verzichtet, und dem künftigen Erblasser zu Grunde gelegt. Nun ist bei einem Pflichtteilsverzicht vor Eintritt des Erbfalls das Verhältnis zwischen dem Zahlungsempfänger und den Zahlenden entscheidend. Das führt bei einem Pflichtteilsverzicht unter Geschwistern zu Lebzeiten des Erblassers in der Regel zu einer wesentlich höheren Steuerbelastung, da dann die Steuerklasse II gilt. Bei einem Pflichtteilsverzicht nach Eintritt des Erbfalls würde die günstigere Steuerklasse I zur Anwendung kommen.
In Zahlen ausgedrückt wird der Unterschied deutlich: Bei einem nach Abzug des Freibetrags von heute 20.000 Euro je Zahlenden bei Steuerklasse II und von 400.000 Euro bei Steuerklasse I verbleibenden steuerpflichtigen Erwerb von z.B. über 75.000 bis zu 300.000 Euro beläuft sich dann der Steuersatz auf 20 anstelle von 11 Prozent, rechnet der BFH vor.
Ob, wann und wie – die Fragen bei Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht
Für Erblasser und gesetzliche Erben bedeutet dieses Urteil, dass sie sehr gut überlegen müssen, wann und gegenüber wem ein Pflichtteilsverzicht vereinbart werden soll, um nicht über die Gebühr steuerlich belastet zu werden. Neben den erbschaftsteuerlichen bzw. schenkungsteuerlichen Überlegungen stehen beim Pflichtteilsverzicht natürlich rechtliche Fragen im Vordergrund. Dazu gehört beispielsweise die Differenzierung zwischen Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht oder auch die mögliche Sittenwidrigkeit eines Verzichts aufgrund des Missverhältnisses zwischen Abfindung und Nachlasswert in Verbindung mit den Umständen des Vertragsschlusses.
Ungeachtet dessen bleibt der Pflichtteilsverzicht – der übrigens zwingend der notariellen Beurkundung bedarf – der Königsweg für Erblasser, die volle Testierfreiheit für die Gestaltung der Erbfolge wünschen oder benötigen. Das gilt für allem für Unternehmer bei der Planung der Betriebsnachfolge.
Die bundesweit tätige Wirtschaftskanzlei ROSE & PARTNER LLP. mit Standorten in Hamburg, Berlin und München hat weitere Informationen zum Erb- und Pflichtteilsverzicht unter https://www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge/erbrecht-erbschaft-testament/pflichtteil-enterbung-beratung-und-vertretung/erbverzicht-pflichtteilsverzicht.html zusammengefasst.
Bernfried Rose, LL.M.
Rechtsanwalt
Mediator
ROSE & PARTNER LLP
Maximilianstraße 13
80539 München
Tel: 089 203 006 246
rose@rosepartner.de
Gesetzliche Erben können auf ihren Pflichtteil verzichten. Erklärt der gesetzliche Erbe seinen Pflichtteilsverzicht und lässt sich dafür von seinen Geschwistern eine Abfindung zahlen, kann dies allerdings teuer werden. Denn nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs muss nun unterschieden werden, ob der Pflichtteilsverzicht nach dem Tod des Erblassers oder noch zu seinen Lebzeiten erfolgte. Und das hat erhebliche Auswirkungen: Denn zu Lebzeiten des Erblassers unterliegt der Pflichtteilsverzicht der Steuerklasse II, nach seinem Tod der wesentlich günstigeren Steuerklasse I. Während in der Steuerklasse II derzeit nur ein Freibetrag von 20.000 Euro angesetzt wird, liegt dieser in der Steuerklasse I abhängig vom Verwandtschaftsgrad zwischen 100.000 und 500.000 Euro.
Geschwister zahlen Abfindung für Pflichtteilsverzicht
Konkret hatte der Kläger noch zu Lebzeiten der Erblasserin auf seinen Pflichtteil zu Gunsten seiner drei Geschwister verzichtet. Diese zahlten ihm dafür jeweils eine Abfindung in Höhe von 150.000 Euro. Vier Jahre zuvor hatte der Kläger von seiner Mutter bereits Schenkungen im Wert von mehr als einer Million Euro erhalten.
Das Finanzamt erließ für die Zuwendungen der Geschwister getrennte Schenkungssteuerbescheide, rechnete aber jeweils die Schenkung der Mutter hinzu und zog dann den seinerzeit geltenden Freibetrag von 205.000 Euro (heute 400.000 Euro) ab. Dabei wandte es die Steuerklasse I mit einem Steuersatz von 19 Prozent an. Gegen den Steuerbescheid in Höhe von rund 28.400 Euro legte der Kläger erfolgreich Einspruch ein. Das Finanzgericht entschied, dass die Schenkungen der Mutter nicht hinzuzurechnen seien und setzte den Schenkungssteuerbetrag auf ca. 10.800 Euro herab. Dabei wandte es ebenfalls die Steuerklasse I an.
BFH dreht seine Rechtsprechung
Doch hier lag der Fehler. Denn laut dem BFH hätte die Steuerklasse II angesetzt werden müssen, da es sich um Zuwendungen zwischen Geschwistern und nicht um Zuwendungen zwischen Eltern und Kind handelte. Der Freibetrag lag demnach auch nur bei 10.300 Euro (heute 20.000 Euro). In der Konsequenz erhöhte sich die Schenkungssteuer dadurch wieder auf ca. 23.600 Euro.
Mit diesem Urteil hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung um 180 Grad gedreht. Denn bislang wurde in solchen Fällen für die Berechnung der Steuer das Verhältnis zwischen demjenigen, der auf seinen Pflichtteil verzichtet, und dem künftigen Erblasser zu Grunde gelegt. Nun ist bei einem Pflichtteilsverzicht vor Eintritt des Erbfalls das Verhältnis zwischen dem Zahlungsempfänger und den Zahlenden entscheidend. Das führt bei einem Pflichtteilsverzicht unter Geschwistern zu Lebzeiten des Erblassers in der Regel zu einer wesentlich höheren Steuerbelastung, da dann die Steuerklasse II gilt. Bei einem Pflichtteilsverzicht nach Eintritt des Erbfalls würde die günstigere Steuerklasse I zur Anwendung kommen.
In Zahlen ausgedrückt wird der Unterschied deutlich: Bei einem nach Abzug des Freibetrags von heute 20.000 Euro je Zahlenden bei Steuerklasse II und von 400.000 Euro bei Steuerklasse I verbleibenden steuerpflichtigen Erwerb von z.B. über 75.000 bis zu 300.000 Euro beläuft sich dann der Steuersatz auf 20 anstelle von 11 Prozent, rechnet der BFH vor.
Ob, wann und wie – die Fragen bei Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht
Für Erblasser und gesetzliche Erben bedeutet dieses Urteil, dass sie sehr gut überlegen müssen, wann und gegenüber wem ein Pflichtteilsverzicht vereinbart werden soll, um nicht über die Gebühr steuerlich belastet zu werden. Neben den erbschaftsteuerlichen bzw. schenkungsteuerlichen Überlegungen stehen beim Pflichtteilsverzicht natürlich rechtliche Fragen im Vordergrund. Dazu gehört beispielsweise die Differenzierung zwischen Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht oder auch die mögliche Sittenwidrigkeit eines Verzichts aufgrund des Missverhältnisses zwischen Abfindung und Nachlasswert in Verbindung mit den Umständen des Vertragsschlusses.
Ungeachtet dessen bleibt der Pflichtteilsverzicht – der übrigens zwingend der notariellen Beurkundung bedarf – der Königsweg für Erblasser, die volle Testierfreiheit für die Gestaltung der Erbfolge wünschen oder benötigen. Das gilt für allem für Unternehmer bei der Planung der Betriebsnachfolge.
Die bundesweit tätige Wirtschaftskanzlei ROSE & PARTNER LLP. mit Standorten in Hamburg, Berlin und München hat weitere Informationen zum Erb- und Pflichtteilsverzicht unter https://www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge/erbrecht-erbschaft-testament/pflichtteil-enterbung-beratung-und-vertretung/erbverzicht-pflichtteilsverzicht.html zusammengefasst.
Bernfried Rose, LL.M.
Rechtsanwalt
Mediator
ROSE & PARTNER LLP
Maximilianstraße 13
80539 München
Tel: 089 203 006 246
rose@rosepartner.de