Rechtsbeugung im Fall Künast?

22.10.2019, Autor: Herr Bernfried Rose / Lesedauer ca. 2 Min. (171 mal gelesen)
Strafanzeige einer Anwaltskanzlei in der Sache Künast eingegangen!

Hass und Beleidigungen auf Facebook - das Urteil des Berliner Landgerichts im Fall Künast vergangenen Monat behandelt wichtige gesellschaftliche Themen, die unsere Gerichte seit Jahren umtreiben. Nun müssen sich die Richter des heftig kritisierten Urteils bald selbst verteidigen. Denn es wurde Strafanzeige wegen Rechtsbeugung gegen die Richter des umstrittenen Urteils eingereicht.

Sachzusammenhang fraglich

Hintergrund der Klage war folgender: In der Kommentarspalte eines rechten Netzaktivisten, der einen Artikel der WELT über einen Vorfall mit Künast im Jahr 1986 teilte, wurde die Politikerin von zahlreichen Nutzern als „Drecks-Fotze“ bezeichnet, als „Stück Scheisse“ und „Pädophilen-Trulla“. Künast klagte gegen auf Auskunft der Benutzerdaten, um rechtliche Schritte einleiten zu können. Facebook aber ist nur dann zur Herausgabe der Daten verpflichtet, wenn dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung der Ehre aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist.

Die Kammer gelangte in ihrem Beschluss zu dem Ergebnis, dass die Kommentare allesamt von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt und daher nicht rechtswidrig seien. Es handele sich um Reaktionen mit Sachzusammenhang, die zwar zum Teil polemisch und überspitzt seien. Künast habe dies aber provoziert.

Provokation im Netz?

Das Urteil wurde von Juristen zu Recht stark kritisiert. Insbesondere übersehen die Richter in ihrer Entscheidung, dass selbst bei einer Provokation durch das Opfer irgendwann ein Filter eingreifen muss. Sie kann überspitzte Auseinandersetzungen rechtfertigen – aber nur bis zu einem gewissen Grad. Wo bei der Bezeichnung „Drecks-Fotze“ der sachliche Zusammenhang zur Diskussion um Pädophilie gegeben ist, erschließt sich nicht.

Auch liegt der Zwischenruf über dreißig Jahre zurück. Nach einer so langen Zeit kann kaum noch eine provozierende Wirkung vorliegen, die derart harsche Äußerungen rechtfertigt. Auch war es nicht die Politikerin selbst, die den Beitrag im Internet teilte.

Vor diesem Hintergrund versteht sich auch die Klage gegen die beteiligten Richter – auch wenn der Vorwurf der Rechtsbeugung harsch erscheint. Auf der Webseite der Kanzlei heißt es, im Berliner Verfahren sei es um private Äußerungen bei Facebook gegangen, die weit überwiegend keine Auseinandersetzung mit der Sache darstellten, sondern schlicht Formalbeleidigungen seien. Der Berliner Beschluss würde in der Konsequenz die Beleidigung faktisch abschaffen, so die Anwälte.

Urteil des Landgerichts Hamburg

Zu Unrecht auch zitieren die Richter andere Entscheidungen, um ihr Urteil zu stützen – unter anderem eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg, das eine ähnliche Klage der AfD-Politikerin Alice Weidel ablehnte. Hintergrund war die Bezeichnung im NDR-Satiremagazin extra3 als „Nazi-Schlampe“, nachdem Weidel eine Rede auf dem Parteitag gegen politische Korrektheit gehalten hatte. Die Hamburger Richter hatten hier eine klar erkennbare satirische Auseinandersetzung mit Sachzusammenhang bejaht.

Der Fall Künast liegt indes anders. Der Kommentar erfolgte nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang. Es handelt sich nicht um eine Satiresendung. Ein sachlicher Zusammenhang besteht zwischen „Fotze“ und dem Vorwurf der Pädophilie gerade nicht.

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