Minderjährige Erben: Ab wann beginnt die Ausschlagungsfrist?

04.10.2012, Autor: Herr Andreas Jäger / Lesedauer ca. 2 Min. (1486 mal gelesen)
Eine zentrale Regelung im deutschen Erbrecht betrifft die gesetzlich vorgeschriebene Ausschlagungsfrist von sechs Wochen. Innerhalb von sechs Wochen, nachdem der Erbe Kenntnis von der Erbschaft erlangt hat, hat er die Möglichkeit, die Erbschaft abzulehnen – tut er dies nicht, so geht das gesamte Erbe automatisch auf ihn über.

Eine zentrale Regelung im deutschen Erbrecht betrifft die gesetzlich vorgeschriebene Ausschlagungsfrist von sechs Wochen. Innerhalb von sechs Wochen, nachdem der Erbe Kenntnis von der Erbschaft erlangt hat, hat er die Möglichkeit, die Erbschaft abzulehnen – tut er dies nicht, so geht das gesamte Erbe automatisch auf ihn über.

Sechs Wochen klingen nach viel, sind aber in der Realität knapp bemessen, da es nicht selten schwierig sein kann, zu überblicken, ob sich die Annahme der Erbschaft tatsächlich lohnt. Gerade aus diesem Grund kommt es in vielen Fällen zentral darauf an, wann die Frist im konkreten Fall zu laufen begann. Für den Fall eines minderjährigen Erben hat das OLG Frankfurt am Main nun per Beschluss festgestellt, dass die Ausschlagungsfrist erst dann zu laufen beginnt, wenn der letzte der gemeinsamen Erziehungsberechtigten erstmals Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erlangt hat (Beschluss vom 03.07.2012, AZ.: 21 W 22/12).



Verstrickter Fall für das Oberlandesgericht – Beginn der Frist umstritten

Im Ausgangsfall stritt eine Erbengemeinschaft eines überschuldeten Nachlasses darüber, ob ein die Eltern eines minderjährigen, adoptierten Erben als gesetzliche Stellvertreter das Erbe rechtzeitig ausgeschlagen hatten. Stark vereinfacht hatte der Adoptivvater die von seiner Mutter stammende Erbschaft zunächst für sich ausgeschlagen. Daraufhin erfuhr das Amtsgericht von der Existenz des Adoptivsohns und informierte ausschließlich den Adoptivvater im November 2009 darüber, dass sein Adoptivsohn Erbe seiner Stiefgroßmutter geworden sei. Erst zu Beginn des März 2010 erklärten die Eltern des Adoptivsohns gemeinsam als gesetzliche Stellvertreter, dass sie das Erbe für ihren Sohn ausschlagen.

Da der Adoptivvater schon im November 2009 informiert worden war, stand die Frage im Raume, ob die Ausschlagung im März 2010 nicht zu spät erfolgt war.

Beschluss: Alle Erziehungsberechtigten müssen Kenntnis über Erbanfall haben

Der Streit ging durch die Instanzen, bis das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nun entschied, dass die Kenntnis eines Erziehungsberechtigten allein nicht für den Beginn der Ausschlagungsfrist ausreiche. Vielmehr beginne die Frist erst dann, wenn alle – und damit stets maßgeblich der Letzte – gesetzlichen Stellvertreter über den Erbanfall informiert wurden. Da das Schreiben im November 2009 allerdings nicht zugleich an die Mutter des Erben adressiert war, galt diese als nicht informiert. Dies hatte zur Folge, dass die Ausschlagungsfrist für ihren Sohn zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu laufen begann.


Im Erbfall ist schnelles Handeln gefragt
Im Beispielsfall ging es im Ergebnis für den Erben noch glücklich aus: Durch einen Formfehler des Gerichts hatte er das überschuldete Erbe doch noch rechtzeitig ausschlagen können. Zugleich verdeutlicht der Fall aber auch die enorme Gefahr, die mit der kurzen 6-Wochen Frist verbunden ist. In dieser knapp bemessenen Zeit müssen sich die Erben – neben all den anderen Dingen, die es zu regeln gibt – über das Erbe einen Überblick verschaffen und die wichtige Entscheidung treffen. Bestenfalls sollten sich Erben, um sich über ihre Rechte und Pflichten im Erbfall klar werden zu können, nach der Information über das Erbe mit einem Fachanwalt für Erbrecht beraten.


Andreas Jäger

Rechtsanwalt und Mediator,
Fachanwalt für Erbrecht,
Fachanwalt für Familienrecht

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