Pflichtteil: Erbe muss Kontoauszüge der letzten 10 Jahre prüfen
18.05.2016, Autor: Herr Andreas Jäger / Lesedauer ca. 2 Min. (608 mal gelesen)
Wir erklären, wie Pflichtteilsberechtigte mit der neuerlichen Rechtsprechung des OLG umgehen sollten, um nicht unrechtmäßig auf Teile ihres Pflichtteils verzichten zu müssen.
Kommt es nach dem Tode eines Erblassers zwischen einem per Testament eingesetzten Erben und einem Pflichtteilsberechtigten zum Streit über die Höhe des Erbes bzw. Pflichtteils, so ist der Erbe unter anderem dazu verpflichtet, auf seine Kosten die Kontoauszüge des Erblassers auf mögliche Schenkungen bzw. andere Unregelmäßigkeiten innerhalb der letzten 10 Jahre zu überprüfen. Sodann muss der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft über das Ergebnis dieser Überprüfung geben, wie das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) bereits im Januar 2016 entschied.
Wir erklären, wie Pflichtteilsberechtigte mit der neuerlichen Rechtsprechung des OLG umgehen sollten, um nicht unrechtmäßig auf Teile ihres Pflichtteils verzichten zu müssen.
Erbe kam seiner Auskunftspflicht nicht genügend nach
Der entschiedene Fall spielte sich wie folgt ab: Der Erbe seiner verstorbenen Eltern war nach deren Tode zur Erstellung von Nachlassverzeichnissen verpflichtet, um mögliche Pflichtteilsansprüche einer Pflichtteilsberechtigten berechnen zu können. Zu diesem Zweck wurden sodann auch zwei Nachlassverzeichnisse erstellt – der Nachlass bestand jedoch ausweislich dieser Verzeichnisse im Wesentlichen lediglich aus einem Mehrfamilienhaus. Die Pflichtteilsberechtigte zweifelte danach an der Richtigkeit der Verzeichnisse, sodass es in einem gemeinsamen Termin zur Aufnahme neuer und vollständiger Verzeichnisse kommen sollte.
Bei diesem Termin jedoch konnte oder wollte der Erbe nicht die Kontoauszüge der Bankkonten und Depots der Erblasser vorlegen. Hiergegen ging die Pflichtteilsberechtigte vor: Sie sah ihren Auskunftsanspruch verletzt und beantragte beim damals zuständigen Landgericht, dem Erben die Vorlage der Kontoauszüge der vergangenen zehn Jahre unter Androhung von Zwangsgeld oder ersatzweise Zwangshaft aufzugeben. Der Grund: Die Pflichtteilsberechtigte vermutete, dass vom Konto des Erblassers innerhalb der vergangenen zehn Jahre Schenkungen an andere geflossen seien, welche für die Berechnung ihres Pflichtteiles von Relevanz wären. Das Gericht gab diesem Antrag statt, wogegen der Erbe sofortige Beschwerde beim OLG einlegte.
Oberlandesgericht auf Seiten der Pflichtteilsberechtigten
Doch auch das OLG war der Ansicht, dass der Erbe diese Kontoauszüge hätte vorlegen müssen. Der Erbe habe ein Auskunftsrecht gegenüber Banken und Sparkassen, von welchem er auf seine Kosten hätte Gebrauch machen müssen. Sodann hätte er die dort erlangten Kontoauszüge vorlegen müssen.
Auch die Beschwerde des Erben, dass die Einholung der Kontoauszüge mit rund 1.500,00 € viel zu teuer sei, ließen die Richter des OLG nicht gelten. Sie hielten die Bezahlung dieses Betrages im Lichte der konkreten Umstände noch für verhältnismäßig.
Pflichtteil immer mit einem Anwalt überprüfen!
Die anwaltliche Erfahrung zeigt, dass beim Streit um den Pflichtteil nicht selten mit allen möglichen Tricks gekämpft wird, um den an den Pflichtteilsberechtigten zu zahlenden Geldbetrag so gering wie möglich zu halten. Die neuerliche Entscheidung des OLG stärkt dementsprechend die Rechte Pflichtteilsberechtigter enorm.
Wer den Verdacht hat, vom Erben bei der Erstellung von Nachlassverzeichnissen zur Berechnung des Pflichtteils „über den Tisch gezogen“ zu werden, sollte sich unter Zuhilfenahme eines Fachanwalts für Erbrecht gegen entsprechende Tricks zur Wehr setzen. Mit der hier beschriebenen Entscheidung ist zumindest hinsichtlich der Kontoauszüge der vergangenen zehn Jahre möglich, den Erben derart unter Druck zu setzen, dass er die richtigen und vollständigen Belege hereinreicht.
Andreas Jäger
Rechtsanwalt und Mediator,
Fachanwalt für Erbrecht,
Fachanwalt für Familienrecht
Tel.: 0202 245670
https://www.gks-rechtsanwaelte.de
Kommt es nach dem Tode eines Erblassers zwischen einem per Testament eingesetzten Erben und einem Pflichtteilsberechtigten zum Streit über die Höhe des Erbes bzw. Pflichtteils, so ist der Erbe unter anderem dazu verpflichtet, auf seine Kosten die Kontoauszüge des Erblassers auf mögliche Schenkungen bzw. andere Unregelmäßigkeiten innerhalb der letzten 10 Jahre zu überprüfen. Sodann muss der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft über das Ergebnis dieser Überprüfung geben, wie das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) bereits im Januar 2016 entschied.
Wir erklären, wie Pflichtteilsberechtigte mit der neuerlichen Rechtsprechung des OLG umgehen sollten, um nicht unrechtmäßig auf Teile ihres Pflichtteils verzichten zu müssen.
Erbe kam seiner Auskunftspflicht nicht genügend nach
Der entschiedene Fall spielte sich wie folgt ab: Der Erbe seiner verstorbenen Eltern war nach deren Tode zur Erstellung von Nachlassverzeichnissen verpflichtet, um mögliche Pflichtteilsansprüche einer Pflichtteilsberechtigten berechnen zu können. Zu diesem Zweck wurden sodann auch zwei Nachlassverzeichnisse erstellt – der Nachlass bestand jedoch ausweislich dieser Verzeichnisse im Wesentlichen lediglich aus einem Mehrfamilienhaus. Die Pflichtteilsberechtigte zweifelte danach an der Richtigkeit der Verzeichnisse, sodass es in einem gemeinsamen Termin zur Aufnahme neuer und vollständiger Verzeichnisse kommen sollte.
Bei diesem Termin jedoch konnte oder wollte der Erbe nicht die Kontoauszüge der Bankkonten und Depots der Erblasser vorlegen. Hiergegen ging die Pflichtteilsberechtigte vor: Sie sah ihren Auskunftsanspruch verletzt und beantragte beim damals zuständigen Landgericht, dem Erben die Vorlage der Kontoauszüge der vergangenen zehn Jahre unter Androhung von Zwangsgeld oder ersatzweise Zwangshaft aufzugeben. Der Grund: Die Pflichtteilsberechtigte vermutete, dass vom Konto des Erblassers innerhalb der vergangenen zehn Jahre Schenkungen an andere geflossen seien, welche für die Berechnung ihres Pflichtteiles von Relevanz wären. Das Gericht gab diesem Antrag statt, wogegen der Erbe sofortige Beschwerde beim OLG einlegte.
Oberlandesgericht auf Seiten der Pflichtteilsberechtigten
Doch auch das OLG war der Ansicht, dass der Erbe diese Kontoauszüge hätte vorlegen müssen. Der Erbe habe ein Auskunftsrecht gegenüber Banken und Sparkassen, von welchem er auf seine Kosten hätte Gebrauch machen müssen. Sodann hätte er die dort erlangten Kontoauszüge vorlegen müssen.
Auch die Beschwerde des Erben, dass die Einholung der Kontoauszüge mit rund 1.500,00 € viel zu teuer sei, ließen die Richter des OLG nicht gelten. Sie hielten die Bezahlung dieses Betrages im Lichte der konkreten Umstände noch für verhältnismäßig.
Pflichtteil immer mit einem Anwalt überprüfen!
Die anwaltliche Erfahrung zeigt, dass beim Streit um den Pflichtteil nicht selten mit allen möglichen Tricks gekämpft wird, um den an den Pflichtteilsberechtigten zu zahlenden Geldbetrag so gering wie möglich zu halten. Die neuerliche Entscheidung des OLG stärkt dementsprechend die Rechte Pflichtteilsberechtigter enorm.
Wer den Verdacht hat, vom Erben bei der Erstellung von Nachlassverzeichnissen zur Berechnung des Pflichtteils „über den Tisch gezogen“ zu werden, sollte sich unter Zuhilfenahme eines Fachanwalts für Erbrecht gegen entsprechende Tricks zur Wehr setzen. Mit der hier beschriebenen Entscheidung ist zumindest hinsichtlich der Kontoauszüge der vergangenen zehn Jahre möglich, den Erben derart unter Druck zu setzen, dass er die richtigen und vollständigen Belege hereinreicht.
Andreas Jäger
Rechtsanwalt und Mediator,
Fachanwalt für Erbrecht,
Fachanwalt für Familienrecht
Tel.: 0202 245670
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