Wohnungseigentum: Teilnahme an Online-Versammlung ohne Beschluss?

27.03.2024, Autor: Herr Norbert Monschau / Lesedauer ca. 3 Min. (122 mal gelesen)
Online-Teilnahme an Eigentümerversammlung ohne Beschluss und schriftlicher Vollmacht ist nicht ohne weiteres rechtswidrig

Die Video-Teilnahme an einer Eigentümerversammlung ohne Gestattungsbeschluss ist kein Anfechtungsgrund. Die fehlende Vorlage einer Vollmacht bei anderweitiger Information ist unschädlich (LG München I v. 09.08.2023 - 1 S 16489/22).

Der Praxisfall: In der Wohnungseigentümerversammlung waren einige Wohnungseigentümer und der Verwalter persönlich anwesend, ein weiterer Eigentümer war – so der Verwalter "inoffiziell" - per "Video" zugeschaltet. Die Gemeinschaft hatte Beschluss gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 WEG gefasst, mit dem die Online-Teilnahme an der Versammlung gestattet wurde. In der Versammlung hörte und sprach der Online-Teilnehmer trotz schlechter Übertragungsqualität mit, nahm aber nicht an der Abstimmung teil, weil er dem Verwalter sein Stimmrecht - mündlich - übertragen hatte. Beschlossen wurde eine Fassadensanierung für rund 65.000 EUR. Der Beschluss wurde angefochten, u. a. wegen der Online-Teilnahme. Vor dem AG hatte die Klage Erfolg.

Die Entscheidung des Gerichts: Das LG sah es anders. Die Stimmabgabe durch den Verwalter für den online teilnehmenden Miteigentümer sei wirksam gewesen. Die nicht erfolgte Vorlage der Vollmacht im Original in der Eigentümerversammlung sei unschädlich. Zwar bedürfe es gemäß § 25 Abs. 3 WEG der Textform. Zwischen dem Vorhandensein einer Vollmacht und der Vorlage derselben sei jedoch zu unterscheiden. So könne ein Bevollmächtigter, der seine Vollmachtsurkunde nicht vorlege, gemäß § 174 BGB mit der Folge zurückgewiesen werden, dass – trotz Vorhandensein der Vollmacht – er von der Vollmacht keinen Gebrauch machen könne. Es könne dahinstehen, ob nur der Verwalter ein solches Zurückweisungsrecht habe oder jeder Miteigentümer. Denn gemäß § 174 S. 2 BGB (analog) bestehe kein Zurückweisungsrecht, wenn der Bevollmächtigende die übrigen Wohnungseigentümer über die Vollmachtserteilung anderweitig informiert habe. Dass die Miteigentümerin dem Kläger gegenüber über Videotelefonat die Vollmacht – über ihr Handy, wenn auch für den Kläger nicht sichtbar – bekundet habe, trage er selber vor. Eine Unwirksamkeit des mit Vollmacht ausgeübten Stimmrechts nach § 174 BGB komme daher nicht in Betracht.

Auch die Video-Teilnahme des Eigentümers begründe keinen formellen Beschlussmangel.
Der Umstand, dass die Eigentümerversammlung von ihrer Beschlusskompetenz nach § 23 Abs. 1 S. 2 WEG keinen Gebrauch gemacht habe, sei unerheblich. Denn auf die Möglichkeiten der Beschlussanfechtung, die bei der Gestattung einer Online-Teilnahme in Verbindung mit der Frage des Funktionierens der Übertragung und der Ausübung der Teilnahmerechte einhergehe, komme es hier nicht an, da ein solcher Beschluss gerade nicht vorliege.
Auch sei nicht gegen das Teilnahmerecht verstoßen worden. Die Meinungskundgabe sei Ausfluss des Teilnahmerechts und nicht per se Ausdruck einer Rechtswidrigkeit. Damit die Ausübung des Rederechts einen formellen Mangel begründe, bedürfe es daher eines Verstoßes gegen eine Verfahrensvorschrift. Weder bestehe eine Pflicht des Verwalters, ein über ein Telefon ausgeübtes Rederecht eines Wohnungseigentümers zu unterbinden, noch ohne weiteres eine Pflicht, ein solches – vorbehaltlich einer Beschlussfassung der Eigentümerversammlung – zuzulassen.

Vielmehr sei es Aufgabe des Verwalters unter Berücksichtigung der Interessen der Wohnungseigentümer die Meinungsbildung untereinander zu ermöglichen. Gerade bei einer sehr übersichtlichen Anzahl der anwesenden Wohnungseigentümer sei ein Redebeitrag über eine Internetverbindung – bei hinreichender Identifizierung des Wohnungseigentümers und vorbehaltlich entgegenstehender Geschäftsordnungsanträge – nicht ausgeschlossen. Vorliegend ergebe sich aus der Anwesenheitsliste, dass – neben den Vertretenen, die nicht präsent waren – nur zwei Wohnungseigentümer in persona anwesend waren. Der Umstand, dass der (insoweit dritte) Miteigentümer an der Versammlung über das Videotelefonat teilgenommen und Aussagen gemacht habe, begründe damit nicht von vornherein eine fehlerhafte Durchführung der Versammlung.

Unser Praxishinweis: Die Entscheidung mag im Ergebnis zunächst überraschen, weil das Gesetz eine Online-Teilnahme von Wohnungseigentümern an der Versammlung nur vorsieht, wenn zuvor ein entsprechender Gestattungsbeschluss gefasst wurde. Das Gericht hat aber zu Recht berücksichtigt, dass der fehlende Beschlusses keine Auswirkung auf das Ergebnis hatte. Die Frage, ob das Ergebnis ein anderes wäre, wenn der "inoffiziell" zugeschaltete Online-Teilnehmer auch an den Abstimmungen teilgenommen hätte, konnte das LG aufgrund der Bevollmächtigung des Verwalters offen lassen.

Lassen Sie die Sach- und Rechtslage vor einer Beschlussanfechtung von einem versierten Anwalt sorgfältig prüfen. Beachten Sie, dass die Anfechtungsklage gemäß § 45 S. 1 HS 1 WEG innerhalb eines Monats (nicht von vier Wochen, wie oftmals von Wohnungseigentümern irrtümlich zu hören ist!) nach der Beschlussfassung (also nicht nach Erhalt des Versammlungsprotokolls!) erhoben werden muss.

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